Odermatt und Shiffrin holen wie schon 2021/22 die Kristallkugel für den Triumph im Gesamtweltcup ab.

Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Soldeu – Acht der zehn Kugeln sind vergeben, das Finale im Ski-Weltcup wird zum Schaulaufen der beiden Gesamtweltcupsieger Mikaela Shiffrin und Marco Odermatt. Je drei Stück des begehrten Ski-Kristalls für die Saisonbesten können die beiden Dominatoren schon vor dem Schlussakt 2022/23 in Soldeu (Andorra) für sich reklamieren. Ob Shiffrin nach dem geschafften Weltrekord und Odermatt auf der iberischen Halbinsel die Zügel einmal schleifen lassen, darf bezweifelt werden.

Vor der finalen Weltcupwoche sind noch zwei Wertungen offen. Österreich hat noch nicht angeschrieben und nur im Super-G der Frauen eine Kugel-Chance, Cornelia Hütter hat als Dritte 25 Zähler Rückstand auf die führende Italienerin Elena Curtoni. In der Vorsaison gab es keinen Wertungsgewinn für den ÖSV. Im Männer-Slalom kommt es zu einem Norweger-Zweikampf, zumal Lucas Braathen 32 Punkte vor Henrik Kristoffersen liegt.

Im Nationencup werden Österreichs Männer wohl Dritter hinter der überlegenen Schweiz und Norwegen werden, für die Frauen wird es ebenso Platz drei hinter der Schweiz und Italien. Freilich wandert die Gesamtwertung damit erneut an die Schweiz (derzeit 9.955 Punkte), in Summe geht sich Platz zwei für Österreich aus (7.863), auch dahinter ist mit Norwegen (6.306) und Italien (5.826) alles klar.

2.000-Punkte-Marke im Visier

Odermatt jagt noch die magische 2.000-Punkte-Marke in der Gesamtwertung, die bei den Männern bisher nur von Hermann Maier 1999/2000 (exakt) erreicht wurde. Bei 1.826 Punkten würden dem Schweizer Überflieger ein Sieg und ein zweiter Platz, oder etwa drei dritte Plätze in Abfahrt, Super-G und Riesentorlauf reichen. Behält er seinen irren Punkteschnitt (79) bei, stünden final sogar um die 2.060 Punkte zu Buche.

"Sicher wäre es etwas sehr Besonderes. Es wäre etwas, das vielleicht eine Weile halten würde. Solche Rekordsachen sind spezielle Geschichten, es wäre sehr cool", sagte Odermatt am Rande seines Riesentorlauf-Doubles in Kranjska Gora am Wochenende. Speziellen Druck macht sich der 25-Jährige aber nicht. "Wenn nicht dieses Jahr, dann vielleicht nächstes Jahr. Wenn keine WM ist, dann gewinnt man sofort wieder ein paar Rennen für den Gesamtweltcup (mehr), also mal schauen."

Odermatts schärfste Widersacher in Andorra werden wohl Salzpisten-Liebhaber Kristoffersen und ein wiedererstarkter Alexis Pinturault im Riesentorlauf, ein ausgeruhter Abfahrtskugelsieger Aleksander Aamodt Kilde im Speed und vielleicht auch Marco Schwarz sein.

Einmal geht noch

Der Kärntner möchte die Strapazen der letzten Wochen ein letztes Mal übertauchen. "Es zehrt schon, aber ich habe noch den Fokus und die Kraft für die finale Woche", sagte der Parade-Allrounder des ÖSV, der in Andorra nur den Teambewerb am Freitag nicht bestreiten und demnach auf 35 Saisonrennen kommen wird.

Auch Odermatt ist noch nicht platt. Anders als im Vorjahr, als er nach dem Gewinn des Gesamtweltcups in Kranjska Gora fast zu müde gewesen war, um Emotionen zu zeigen. "Ich fühle mich frischer als letzte Saison, weil ich die Kugel schon zuhause habe", sagte der glückselige Athlet am Ende seiner "perfekten Saison". "Der Druck war für mich persönlich die ganze Saison weniger, es war alles ein bisschen einfacher. Ich fühle mich fitter."

Shiffrin hat den historischen Siegrekord in der Tasche, wurde danach aber nicht müde, ihren Erfolgshunger zu betonen. Auch für ihre letzten wohl drei Saison-Rennen (Super-G, Slalom, Riesentorlauf) kündigte die seit Montag 28-jährige US-Amerikanerin ihr bestes Skifahren an. Sie spüre etwas in ihrem Herzschlag, gab die US-Amerikanerin nach dem historischen 87. Weltcupsieg ganz allgemein zu Protokoll. "Das ist die Vorfreude, die wir Skirennfahrer spüren wollen, und ich habe sie, sie ist stärker als je zuvor. Ich fange gerade erst an."

* MÄNNER:

Gesamtweltcup: Odermatt hat seinen Gesamtweltcupsieg in eindrucksvoller Manier wiederholt, elf Saisonrennen hat er gewonnen. Eindrucksvolle 1.826 Punkte hat der Schweizer gesammelt, der 2000er ist also möglich. Kilde (1.240) wird die Saison wohl als Zweiter, Kristoffersen (1.014) als Dritter beenden. Für Vincent Kriechmayr geht es um die Verteidigung des vierten Ranges (853) gegenüber dem Schweizer Loic Meillard (831), dem Norweger Braathen (824) und dem Franzosen Pinturault (757). Dahinter folgt Schwarz (699).

Abfahrt: Bei der WM musste er Odermatt als Goldmedaillengewinner den Vortritt lassen, im Weltcup bejubelt Kilde erneut das kleine Kristall in der Abfahrt. Der Norweger hat sechs Saisonrennen gewonnen, die restlichen drei gingen auf das Konto von Kriechmayr. Der Oberösterreicher gewann in Gröden, Bormio und Kitzbühel, er hat als Disziplinzweiter 68 Zähler Vorsprung auf Odermatt.

Super-G: Odermatt errang im Super-G die erste Speed-Kugel seiner Karriere, als Gewinner von fünf Saisonrennen ist sie höchst verdient. Die restlichen zwei holte sich Kilde, womit es in allen 16 Speedrennen mit Odermatt (5), Kilde (8) und Kriechmayr (3) nur drei Sieger 2022/23 gab. In der Disziplinwertung ist Rang zwei an Kilde und drei an Kriechmayr bereits fix vergeben.

Riesentorlauf: Die Kugel in seiner Paradedisziplin geht an Odermatt. Sechs Saisonsiege verhalfen ihm dazu, einmal schlug sein Landsmann Meillard zu, einmal der Norweger Braathen und einmal Marco Schwarz. Der Kärntner ist Vierter der Disziplinwertung und mit kleiner Chance auf Rang drei ausgestattet. 51 Punkte auf den Slowenen Zan Kranjec gilt es aber aufzuholen, und von dahinter kommt auch Druck.

Slalom: Nichts mehr mitzureden haben Österreich Rennläufer im Kampf um das Slalom-Kristall und damit die einzige noch offene Wertung bei den Männern. In bester Ausgangsposition ist Braathen, der 466 Zähler auf dem Konto mit nach Andorra bringt. Sein norwegischer Landsmann Kristoffersen (434) lauert auf seine Chance, der Schweizer Daniel Yule (401) und in der Theorie auch dessen Landsmann Ramon Zenhäusern (367) sind punktemäßig noch im Rennen. Das gilt nicht mehr für den Tiroler Manuel Feller als Fünften (329).

* FRAUEN:

Gesamtweltcup: Shiffrin hat mit u.a. bisher 13 Saisonsiegen ihre fünfte große Kugel souverän eingefahren. Die US-Amerikanerin übertraf in Aare die 2.000-Punkte-Marke, hat 2.028 auf dem Konto. Ihre erste Verfolgerin, die Slowakin Petra Vlhova, kommt mit 1.025 nur auf die Hälfte und kämpft in Andorra gegen die Schweizerin Lara Gut-Behrami (1.007) um Platz zwei. Hütter ist als 16. beste Österreicherin, ein paar Rangverbesserungen wären mit starken Speedauftritten noch möglich.

Abfahrt: Ihr viertes Abfahrtskristall sicherte sich die fünffache Saisonsiegerin Sofia Goggia. Für Nina Ortlieb als Fünfte und Mirjam Puchner als Sechste wird es schwierig werden, von ihren Positionen wegzukommen, vielmehr geht es darum, diese erfolgreich zu verteidigen. Seit dem Speed-Auftakt Anfang Dezember in Lake Louise – Ortlieb war einmal Zweite, Cornelia Hütter einmal Dritte – stand im Weltcup keine Österreicherin mehr auf dem Podest.

Super-G: Im Super-G lebt Österreichs einzige Kugelchance. Fünf Läuferinnen mischen noch mit, die beste Ausgangsposition hat Curtoni (ITA/332), es folgen Gut-Behrami (SUI/313), Hütter (AUT/307), Ragnhild Mowinckel (NOR/306) und Federica Brignone (ITA/288). In sieben Saisonrennen hat es sieben verschiedene Siegerinnen gegeben, zugeschlagen hatten für Österreich jeweils zuletzt in Kvitfjell Hütter und bei einem ÖSV-Dreifachsieg Ortlieb.

Riesentorlauf: Shiffrin heimste ihre zweite kleine Kugel für die Riesentorlaufwertung ein, sechs Rennen gewann sie in dieser Disziplin. Um eine Österreicherin – keine schaffte es auf das Podest eines Riesentorlaufs – in der Wertung zu finden, muss man in der Liste weit nach unten blicken, Ricarda Haaser ist 15. Ihr Antreten in Andorra ist aber noch fraglich, hatte sie sich doch im WM-Riesentorlauf einen Einriss des Kniekehlenmuskels und des Wadenmuskels zugezogen.

Slalom: Sieben Stück groß ist die Sammlung von Shiffrin an Slalom-Kugeln inklusive der heurigen. Sie hat sechs Saisonsiege gefeiert. Für Österreich schaute nur ein Stockerlplatz heraus, Katharina Truppe wurde Ende November in Killington Dritte, danach lief es für die Kärntnerin aber nicht mehr. Sie ist Zehnte des Disziplinwertung. Mit Truppe, Franziska Gritsch und Katharina Liensberger stellt Österreich in dieser Disziplin nur ein Trio in Soldeu. (APA, 13.3.2023)