Die Mikrobiomforschung wird durch die neue Exzellenzinitiative in Österreich gestärkt.
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Die Oscar-Nacht in Los Angeles war erst wenige Stunden zuvor zum Abschluss gekommen, als sich im Medienzentrum der Austria Presse Agentur am Montagvormittag etliche strahlende Gesichter einfanden. Die österreichische Exzellenzinitiative zur Förderung der heimischen Spitzenforschung kam zunächst nicht so rasch in die Gänge, doch nun ist es endlich so weit: Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP) und der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Christof Gattringer, stellten die ersten Forschungsteams vor, die sich ihm Rahmen des Exzellenzprogramms "excellent=austria" über ein Fördervolumen freuen dürfen, das es in Österreich in diesem Umfang noch nicht gegeben hat.

Die Grundlagen der Quantenphysik, aus denen sich auch neue Quantentechnologien ergeben könnten, sind eines der im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten Forschungsvorhaben. Im Bild: ein Quantencomputer vom chinesischen Hersteller Baidu.
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Insgesamt konnten sich fünf Teams als Exzellenzcluster durchsetzen, die für eine Periode von fünf Jahren zusammengenommen 81 Millionen Euro an Förderung erhalten. Inhaltlich geht es dabei um Quantenforschung, Materialien für die Energiewende, Mikrobiomforschung, den Umgang mit der "Krise des Wissens" und einen neuen Blick auf die Geschichte Eurasiens. Nach einer Zwischenevaluierung können die Cluster ihre Arbeit dann fünf weitere Jahre fortsetzen – in Fördervolumen und Zeitrahmen stellt das Programm damit eine neue Dimension der Forschungsförderung in Österreich dar.

Oscars der Wissenschaft

Einer der Direktoren der ausgewählten Teams, Günther Rupprechter von der Technischen Universität Wien, verglich den Zuschlag in seinen Dankesworten mit dem Oscar – ein Bild, an dem auch Minister Polaschek Gefallen fand. "Nicht zuletzt der Nobelpreis an Anton Zeilinger hat uns vor Augen geführt, welche Exzellenz die österreichische Spitzenforschung auszeichnet", sagte Polaschek. "Es ist mein Ziel, dieses Potenzial auszuschöpfen und die Forschung in diesem Land bestmöglich zu fördern. Gemeinsam mit dem FWF realisieren wir daher mit 'excellent=austria' die bisher größte Förderinitiative für Grundlagenforschung in Österreich."

Von einem "Meilenstein für Österreichs Spitzenforschung" sprach FWF-Präsident Gattringer. "Die Clusters of Excellence bieten aufgrund der Förderhöhe und langfristigen Ausrichtung ganz neue Möglichkeiten, großen Forschungsfragen auf den Grund zu gehen", sagte Gattringer. "Die Qualität und der Pioniercharakter aller Einreichungen sind beeindruckend, darin zeigt sich auch das Potenzial der Universitäten und außeruniversitären Forschungsstätten."

Wissenschaftsminister Martin Polaschek (links) und FWF-Präsident Christof Gattringer bei der Vorstellung der ersten Exzellenzcluster am Montagvormittag.
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Mehrstufiger Auswahlprozess

Die fünf Exzellenzcluster werden ab Sommer 2023 an elf Standorten kooperative Projekte starten. Neben den 81 Millionen Euro, mit denen der FWF die Cluster in den kommenden fünf Jahren unterstützt, stellen die beteiligten Institutionen auch substanzielle Eigenleistungen bereit, wodurch sich insgesamt ein Investitionsvolumen von 135 Millionen Euro für die fünf Cluster für fünf Jahre ergibt. Insgesamt hatten sich 35 Teams um die Förderung bemüht, von denen elf in die engere Auswahl gekommen sind. Das wissenschaftliche Kuratorium des FWF wählte nach einem mehrstufigen Entscheidungsverfahren inklusive Jury-Hearing aus einer Shortlist fünf Exzellenzcluster aus.

Bei der Vorstellung der erfolgreichen Exzellenzcluster waren vertreten (von links): Wissenschaftsminister Martin Polaschek, Gregor Weihs (Universität Innsbruck), Tim Crane (Central European University), Claudia Rapp (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Michael Wagner (Universität Wien), Günther Rupprechter (Technische Universität Wien) und Christof Gattringer (FWF-Präsident).
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Maßgeblich für die Auswahl waren laut FWF die Empfehlungen der internationalen Jury, die das Innovationspotenzial und die wissenschaftliche Exzellenz auf Basis weltweiter Peer-Reviews beurteilte. Die in der ersten Runde geförderten Cluster umfassen folgende Themen, Forschende und Institutionen:

  • Exzellenzcluster "Quantum Science Austria" – Die Rätsel der Quantenwelt entschlüsseln: Gregor Weihs (Director of Research, Universität Innsbruck), Markus Aspelmeyer (Universität Wien), Francesca Ferlaino (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Johannes Fink (Institute of Science and Technology Austria), Armando Rastelli (Universität Linz), Oriol Romero-Isart (Universität Innsbruck), Hannes-Jörg Schmiedmayer (Technische Universität Wien)
  • Exzellenzcluster "Knowledge in Crisis" – Die Krise des Wissens verstehen und überwinden: Tim Crane (Director of Research, Central European University), Marian David (Universität Graz), Katalin Farkas (Central European University), Max Kölbel (Universität Wien), Hans Bernhard Schmid (Universität Wien), Paulina Sliwa (Universität Wien), Charlotte Werndl (Universität Salzburg)
  • Exzellenzcluster "Materials for Energy Conversion and Storage" – Neue Materialien für eine emissionsfreie Zukunft entdecken: Günther Rupprechter (Director of Research, Technische Universität Wien), Ulrike Diebold (Technische Universität Wien), Stefan Freunberger (Institute of Science and Technology Austria), Leticia González (Universität Wien), Julia Kunze-Liebhäuser (Universität Innsbruck)
  • Exzellenzcluster "Microbiomes Drive Planetary Health" – Die Bedeutung von Mikrobiomen für die planetare Gesundheit verstehen: Michael Wagner (Director of Research, Universität Wien), Andreas Bergthaler (Österreichische Akademie der Wissenschaften, CeMM), Christina Kaiser (Universität Wien), Bernhard Lendl (Technische Universität Wien), Christine Moissl-Eichinger (Medizinische Universität Graz), Alexander Moschen (Universität Linz), Leonid Sazanov (Institute of Science and Technology Austria), Angela Sessitsch (Austrian Institute of Technology)
  • Exzellenzcluster "Eurasian Transformations" – Das kulturelle Erbe Eurasiens erforschen: Claudia Rapp (Director of Research, Österreichische Akademie der Wissenschaften), Birgit Kellner (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Tijana Krstic (Central European University), Melanie Malzahn (Universität Wien), Walter Pohl (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Robert Rollinger (Universität Innsbruck), Jens Oliver Schmitt (Universität Wien)

Rekordsummen für naturwissenschaftliche Forschung

Auf den Höchstbetrag im Rahmen dieser Förderschiene werden voraussichtlich die drei naturwissenschaftlichen Cluster kommen: So erhält der von Gregor Weihs von der Universität Innsbruck geleitete Verbund "Quantum Science Austria" in seinen ersten fünf Jahren 35 Millionen Euro. Für Weihs ist die Förderung auch eine Möglichkeit, die mittlerweile auf rund 60 Forschungsgruppen bundesweit angewachsene Quantenphysik-Community zusammenzuhalten, wie er erklärte.

Der Quantenphysiker Gregor Weihs steht dem Exzellenzcluster "Quantum Science Austria" vor.
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Auch der Verbund "Microbiomes Drive Planetary Health" unter der Leitung des Mikrobiologen Michael Wagner von der Universität Wien bekommt 35 Millionen Euro. Man nehme sich hier unter anderem vor, die "Mikrobengemeinschaften in uns" oder in den durch den Klimawandel tauenden Permafrostböden "wirklich zu verstehen", sagte Wagner.

Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien ist der Direktor eines Exzellenzclusters zu Mikrobiomen.
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In etwa gleich hoch dotiert ist auch der Exzellenzcluster "Materials for Energy Conversion and Storage" um Rupprechter. In den Verbund fließen knapp 34,5 Millionen. Hier wolle man das "große Speicherproblem" rund um den Ausbau von erneuerbarer Energiegewinnung in Angriff nehmen: Um von fossilen Energieträgern wegzukommen, werde man versuchen, aus CO2 flüssige Treibstoffe zu machen und die Wasserstoffproduktion voranzutreiben.

Der Materialforscher Günther Rupprechter von der Technischen Universität Wien will mit seinem Team neue Möglichkeiten für Energiespeicherung finden.
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Wissen in Zeiten des Klimawandels

Weniger Geld wurde von den beiden sozial- und geisteswissenschaftlichen Clustern beantragt, klarerweise auch aufgrund der viel geringeren Kosten der technischen Ausstattung und Infrastruktur: So gehen für die ersten fünf Jahre ihres Bestehens rund 15,5 Millionen Euro an den Verbund "Eurasian Transformations", der sich dem kulturellen Erbe der Großregion Eurasien unter der Leitung von Claudia Rapp von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien widmet. Hier gehe es darum, diese Region, die heute 70 Prozent der Weltbevölkerung umfasst, "in ihrer historischen Tiefe" über 3.000 Jahre hinweg zu verstehen, sagte Rapp.

Die Altertumswissenschafterin Claudia Rapp von der Akademie der Wissenschaften ist Direktorin des Exzellenzclusters zu Eurasien.
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Der von Tim Crane von der Central European University in Wien geleitete Exzellenzcluster "Knowledge in Crisis" kann sich auf rund 14,9 Millionen Euro stützen. "In der Zeit, in der wir Wissenschaft so sehr brauchen, werden Wissenschafter und Wissen immer stärker attackiert", betonte Crane. Man wolle daher Philosophie und Empirie stärker zusammenbringen und auch wichtige Fragen zur Wissenschaftskommunikation behandeln.

Der Philosoph Tim Crane von der Central European University in Wien leitet den Exzellenzcluster zu Wissen in der Krise.
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Wissenschaftsskepsis entgegentreten

Neu und innovativ am Exzellenzprogramm ist auch, dass die Exzellenzcluster angewiesen sind, ihre Forschungsergebnisse an die breitere Öffentlichkeit zu kommunizieren. So sind die Exzellenzcluster für Wissenschaftsminister Polaschek auch ein wichtiger Schritt, der verbreiteten Wissenschaftsskepsis in Österreich entgegenzutreten. FWF-Präsident Gattringer betonte, dass die breite Wissenschaftskommunikation daher in jedem Cluster strukturell verankert sei. (Tanja Traxler, APA, 13.3.2023)