Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Diese Frage sollten alle jene, die sich eine Immobilie kaufen wollen, um selbst darin zu wohnen, quasi wie aus der Pistole geschossen beantworten können: "Hier und nirgends sonst" wäre die richtige Antwort.

Zwei identische Wohnungen, die eine gekauft, die andere gemietet: Wenn die Mieterin gut investiert, könnte sie am Ende besser aussteigen als der Käufer, glaubt Investmentbanker Gerd Kommer.

Denn wer sich ein Haus oder eine Wohnung kauft, sollte mindestens zehn Jahre selbst darin leben. Sie vor Ablauf dieser Zeit zu vermieten, etwa weil man für die Arbeit in eine andere Stadt ziehen muss, sich im Ausland verliebt oder unerwartet Zwillinge oder ein drittes Kind bekommt und man daher mehr Platz braucht, wird tendenziell zum Verlustgeschäft, weiß der deutsche Investmentbanker und Autor des Buches "Kaufen oder Mieten?" Gerd Kommer.

"Immobilien heißen so, weil sie den Menschen, der sie besitzt, immobil machen", sagt er und verweist auf Studien aus den USA, wonach Mieterinnen etwa mit Arbeitslosigkeit wesentlich besser umgehen können, weil sie durch ihre Wohnsituation flexibler sind und rascher wieder einen Job finden, für den sie möglicherweise umziehen müssen.

Vermieten aufwendig

Wer vorhat, sich eine Wohnung zu kaufen, aber schon weiß, dass er sie vermutlich in fünf Jahren bereits weitervermieten muss, sollte sich das genau überlegen. Denn wer Vermieter einer einzelnen Wohnung wird, hat viel Aufwand und Kosten: etwa für die Maklerin oder für anfallende Reparaturen. Hinzu kommen die Nebenkosten beim Kauf, etwa für den Makler oder die Eintragung ins Grundbuch – im Schnitt sind das in Österreich rund zehn Prozent des Kaufpreises.

Auch mit einer großen Wertsteigerung sei jetzt nicht mehr zu rechnen, stellt Kommer klar. "Die letzten zwölf, 13 Jahre waren ein extrem positiver Ausreißer – das ist so klar wie Kloßbrühe." In der näheren Zukunft könne man mit so hohen Renditen nicht mehr rechnen.

Selbst berechnen

Viele wollen sich eine Immobilie kaufen, weil der Ärger über die monatliche Miete, "für die man am Ende nichts bekommt", groß ist. Stattdessen, so sagen sie, könne man doch einen Kredit abbezahlen und sei gleichzeitig irgendwann Immobilienbesitzerin.

Die Nebenkosten beim Kauf von Immobilien werden meist unterschätzt, etwa jene für die Instandhaltung.
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Ob diese Rechnung tatsächlich aufgeht, kann jede und jeder selbst berechnen. Wie hoch ist die aktuelle Miete? Wie hoch wäre ein Kredit? Nebenkosten oder Rücklagen für Reparaturen, die in einer Immobilie zwangsweise irgendwann anfallen, dürfen dabei nicht vergessen werden. Kommer warnt hier vor vorgefertigten Kaufen-oder-mieten-Rechnern im Internet. Diese würden häufig von Kreditinstituten zur Verfügung gestellt, die Ergebnisse seien daher häufig in Richtung Kaufen verzerrt. Vor allem die Instandhaltungskosten einer Immobilie würden hier meist viel zu niedrig angesetzt, weiß Kommer.

Stabiles Einkommen

Und wann lohnt sich Kaufen nun? Als Faustregel nennt der Experte, dass ein Kredit spätestens zwei oder drei Jahre vor dem Pensionsantritt abbezahlt sein sollte. Dabei sollte man sich immer auch fragen, ob das eigene Einkommen dauerhaft stabil sein wird. Immerhin muss die Kreditrate auch in zehn Jahren noch monatlich getilgt werden.

Im Schnitt, sagt Kommer, sei Mieten im Vergleich zum Kaufen – vorausgesetzt, es handelt sich in einem fiktiven Beispiel um zwei identische Wohnungen – meist etwas günstiger, weil beim Käufer neben der Kreditrate auch noch Versicherungs- und Instandhaltungskosten anfallen.

Wer also seine Eigenmittel nicht in eine Wohnung steckt, sondern anderweitig investiert, etwa in Fonds, und die Einsparung, weil man mietet und nicht gekauft hat, monatlich anderweitig investiert, steige am Ende besser aus, glaubt Kommer. Er rät etwa, die monatlichen Ersparnisse zu 60 Prozent in einem ETF, etwa den MSCI World, anzulegen und zu 40 Prozent auf einem Tagesgeldkonto bei der Bank.

Wer bin ich?

Wer überlegt, sich eine Immobilie zu kaufen, sollte zunächst auch sich selbst hinterfragen: Wer bin ich? Was will ich? Aber auch, und das wird laut Kommer oft unterschätzt: Habe ich zwei linke Hände? Wer von sich als einer Tüftlernatur sprechen würde, ist auf der sicheren Seite. Doch wer sich schwertut, eine Säge zu bedienen oder einen Bohrer, der sollte womöglich doch lieber beim Mieten bleiben. Denn wenn für jeden Handgriff ein Profi engagiert werden muss – vorausgesetzt, man findet für Kleinstreparaturen überhaupt einen –, geht das auf Dauer ordentlich ins Geld.

Am Ende entscheidet bei den meisten Menschen wohl das Gefühl – vor allem zur Frage, ob man nachts noch gut schlafen kann, wenn man sich auf viele Jahre verschuldet. (Bernadette Redl, 18.3.2023)