Davide D’Eramo, Alessandro Scendoni und Antonino Raimondo (von links) sind Römer in Wien und machen fabelhaft römische Pizza.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Alessandro Scendoni ist Architekt, hat mit dem Büro Pumar etwa das "Living Garden"-Haus in der Seestadt gemacht. Die vergangenen drei Jahre war er als Projektleiter für das Interieur von 85 Calzedonia-Filialen in Österreich zuständig. "Aber das hat mir irgendwann gereicht", sagt er, "es war an der Zeit, meinen Traum zu leben." So wurde er Pizzaiolo. Für den Hausgebrauch bäckt er schon seit Jahren, jetzt wagt er eine Pizzeria, in der Pizza, wie er sie mag, gebacken wird. Und die macht er nach dem Vorbild des römischen Star-Pizzaiolos Gabriele Bonci.

Boncis Pizzen, wie dieser sie ums Eck vom Vatikan in seinem "Pizzarium" genannten Tempel bäckt und belegt (und mit denen er auch in den USA erfolgreich ist), sind eine ganz eigene Sache. Der Teig wird aus vier verschiedenen Mehlen (darunter auch Soja!) angerührt, was ihm besondere Leichtigkeit verleihen soll, und 72 Stunden kühl geführt, was ihn außerordentlich hoch aufgehen lässt. Dann wird er blind auf einem rechteckigen Portionsblech gebacken, abgekühlt und erst bei der Bestellung mit Paradeis beschmiert, noch einmal gebacken, um erst dann belegt zu werden.

Der Pizzateig wird zuerst blind gebacken und erst danach belegt – das macht die Pizza flaumig und knusprig zugleich.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Resultat ist wirklich extrem flaumig (oben), gleichzeitig aber unwahrscheinlich knusprig (unten). Im Sette, wie Scendoni und sein Pizzapartner Davide D’Eramo das Lokal bei der Mariahilfer Straße genannt haben, wird die Pizza vor dem Belegen in happenfreundliche Quadrate geschnitten. Dann kommen ausgesucht gute Sachen drauf. Mozzarella und Stracciatella zum Beispiel, die, sehr nachhaltig, beim exilkampanischen Vorzeigebetrieb Di Criscio in Znaim geordert werden. Guanciale aus Amatrice, den luftgetrockneten Wangenspeck, der für echte Amatriciana und Carbonara angezeigt ist, hier aber erst knusprig gebraten und dann mit richtig guter Pecorino-Creme auf den knusprigen Pizzaflaum gepackt wird. Sardellen aus Cetara an der Amalfi-Küste, ganz herausragend gute Ware, die mit Büffel-Stracciatella und Basilikumcreme kombiniert wird, ungehörig köstlich! Weil die Pizzen schon fixfertig aufgeschnitten zu Tisch kommen und wegen der krachenden Knusprigkeit vernünftigerweise nur mit den Händen gegessen werden, ist Sharing am Tisch vorprogrammiert.

Das hindert die jungen Pizza-Römer aber keineswegs, zu jeder Pizza ein eigenes Cocktail-Pairing anzubieten – mit Keeper Marco Larosa von der Mixology Academy in Mailand haben sie schließlich echte Kompetenz mit im Team. Dementsprechend spektakulär, mit Raucheffekt und anderen Gimmicks versehen, werden die Mischgetränke aufgefahren. Wein, ausschließlich Naturweine aus Italien, wird beim Vorzeigebetrieb Vinifero um die Ecke bezogen – auch da ist auf der Karte zu jeder Pizza ein ideales Pairing vermerkt. Und Bier? Das klassische Getränk zur Pizza gibt es hier nur seidelweise (Stiegl, Pilsner Urquell) oder als Craft-Beer aus der stolz kalkulierten 0,7-l-Edelpulle.

Pizza Sacher

Bei den Vorspeisen sollte man sich Assoluto di Melanzane, ein außerordentlich elaboriertes Brötchen mit dreierlei Melanzani, Parmesancreme und Basilikum-Minz-Pesto ebenso wenig entgehen lassen wie den frittierten Reisball Supplì Romano mit köstlich ziehiger Mozzarella-Parmesan-Fülle. Und hinterher? Das Sacher Padellino, eine pizzamäßige Variation der Sachertorte, die hier, wie so oft in Italien, nicht als trockenes Dauergebäck mit Fettglasur, sondern tatsächlich als Schokoladedessert missverstanden wird. Schmeckt dementsprechend besser: unten der tolle Teig, diesmal mit Kakao angereichert, dann eine sündhaft gute, dunkle Schokocreme, obendrauf Schlagobers und, weil’s ja Sacher ist, ein bissl Marillenmarmelade. Nach so viel Pizza hat man zwar ziemlich viel Zeug mit Teig gegessen. Weil er so luftig ist, aber gar nicht viel Mehl. (Severin Corti, RONDO, 17.3.2023)