Selbst wenn sich ÖVP und FPÖ inhaltlich einig werden, müsste die FPÖ entweder ihr Wahlversprechen brechen – oder Johanna Mikl-Leitner muss noch einen Deal eingehen.

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Kurz vor der Pressekonferenz in St. Pölten schiebt ein Landesbediensteter noch das zweite Pult auf die Seite. Es werde doch kein gemeinsames Statement von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und dem Freiheitlichen Udo Landbauer geben. Beide informierten am Montag die Öffentlichkeit über den Fortschritt der schwarz-blauen Koalitionsgespräche für die künftige Landesregierung in Niederösterreich – aber getrennt voneinander.

Ob inszeniert oder passiert, die Botschaft war klar: Bei den Verhandlungen am Wochenende hat es geknatscht zwischen ÖVP und FPÖ. Die Freiheitlichen müssten eine verantwortungsvollere Rolle einnehmen, wenn sie echte Regierungsverantwortung wollen, richtete Mikl-Leitner ihrem Nachredner aus. Manche in der ÖVP hätten noch nicht verstanden, dass es eine echte Veränderung in Niederösterreich brauche, erwiderte Landbauer. Droht der Landeshauptfrau nun auch der Verlust ihrer zweiten Koalitionsoption?

Schwieriger Wahlpoker

Die wochenlangen Verhandlungen mit der SPÖ hatte Mikl-Leitner ja gestoppt, weil die Roten aus ihrer Sicht überzogene Forderungen gestellt hatten. Die anschließenden Verhandlungen mit den Freiheitlichen haben einen eklatanten Makel: Landbauer hat mehrfach ausgeschlossen, Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau zu wählen.

Um weiterhin an der Spitze des Landes zu stehen, braucht Mikl-Leitner aber die Mehrheit der Stimmen im Landtag bei der konstituierenden Sitzung am 23. März. Zumindest die Mehrheit der gültigen Stimmen: Die FPÖ könnte bei der Wahl ungültig wählen – dann würden die Stimmen der Volkspartei für eine erfolgreiche Wahl ausreichen. Ob die Partei eine solche Umgehung ihres Wahlversprechens in Betracht zieht, wollte ein Sprecher nicht sagen. Lediglich einen blauen Auszug aus dem Sitzungssaal hat Landbauer am Montag für seine Partei ausgeschlossen.

Eigene Wahlkoalition?

Sollte die Freiheitlichen ihr Wort halten, hat die ÖVP ein echtes Problem. Für eine erfolgreiche Landeshauptfrauwahl müsste sie dann eine eigene Mehrheit ohne die FPÖ aufstellen. Die SPÖ würde sich das – wenn überhaupt – nur extrem teuer in Form politischer Zugeständnisse abkaufen lassen. Grüne und Neos könnten Mikl-Leitner gemeinsam ebenfalls zum Landeshauptfrausessel verhelfen. Die Neos würden Mikl-Leitner nur dann zur Landeshauptfrau wählen, wenn sie inhaltliche Punkte erfüllt sehen, sagt eine Sprecherin auf STANDARD-Anfrage. Wichtig für die Neos sei das mit den Grünen vorgestellte Demokratie- und Klimaschutzpaket. Dass sie damit eine schwarz-blaue Koalition ermöglichen würden, sei dann zweitrangig. Dass die von den Neos geforderten Punkte tatsächlich in einem schwarz-blauen Programm stehen würden, bezweifelt die Partei aber.

Die Grünen wollten sich am Montag auf Anfrage nicht zu der Frage äußern: Sie verweisen auf eine gemeinsame Pressekonferenz mit den Neos am Dienstag.

Schwarz-blaue Krise

Zurück zu den schwarz-blauen Verhandlungen: Nach dem harmonischen Start vergangene Woche scheint es zwischen ÖVP und FPÖ nun zu kriseln. Solche Probleme werden in Verhandlungen freilich gerne zelebriert, um der eigenen Basis die Ernsthaftigkeit der Gespräche zu vermitteln. So könnte man auch die plötzlich getrennten Auftritte Mikl-Leitners und Landbauers am Montagvormittag in St. Pölten interpretieren.

Vor allem der FPÖ-Chef zeigte dann aber keinerlei Zurückhaltung, was Angriffe auf die Volkspartei und starke Forderungen betrifft. Konkret schwebt Landbauer eine "schonungslose Aufarbeitung" des Corona-Managements vor, inklusive Entschädigungen und einer Generalamnestie für Regelverstöße. Die Volkspartei müsse "vom Corona-Saulus zum Corona-Paulus werden".

Einig sei man sich in Grundsätzen der Integrations- und Familienpolitik, erklärte Mikl-Leitner: Das Beherrschen der deutschen Sprache solle Voraussetzung für bestimmte Förderungen werden. Auch nicht näher definierte "Verhaltensregeln in der Schule" beinhalten die schwarz-blauen Integrationspläne. Bei der Kinderbetreuung solle die "Wahlmöglichkeit der Familien im Mittelpunkt stehen". (Sebastian Fellner, Max Stepan, 13.3.2023)