Etappenerfolg für den Ölkonzern Conoco Phillips: Die US-Regierung will die Ölförderung an Alaskas Nordküste nun doch genehmigen – wenngleich in abgespeckter Form.

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Im Wahlkampf 2020 hatte sich Joe Biden als Bezwinger des fossilen Zeitalters präsentiert. Entschlossen verkündete er: "Keine weiteren Ölbohrungen auf öffentlichem Land. Punkt." Doch nun will der US-Präsident den Weg für eines der größten Fördervorhaben an der von Eis und Schnee bedeckten Nordküste Alaskas freimachen. Durch das Willow-Projekt sollen dort in den nächsten 30 Jahren rund 600 Millionen Barrel Öl (1 bbl = 158,98 Liter) aus der Erde gepumpt werden.

Umweltschützer schlagen Alarm. "Das ist eine Bedrohung für einige von Alaskas letzten ungestörten Wildnisgebieten (...) sowie für die öffentliche Gesundheit der nahegelegenen Gemeinden, und es wird schwieriger, die Klimaziele zu erreichen", warnt die US-Naturschutzorganisation Sierra Club. Doch die Entscheidung in der Biden-Regierung über das Acht-Milliarden-Dollar-Projekt ist laut US-Medienberichten gefallen: Der Ölkonzern Conoco Phillips soll seine während der Trump-Zeit erworbene Lizenz in abgespeckter Form nutzen und an drei (statt fünf) Standorten der North Slope bohren dürfen.

Das Willow-Projekt soll starten.
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Offenbar, um dem absehbaren Protest, vor allem der jüngeren Demokraten-Wähler, etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, will Biden gleichzeitig weitreichende Beschränkungen für künftige Öl- und Gasförderprojekte in und vor Alaska verkünden. Der Arktische Ozean und fünf Millionen Hektar Land sollen für Bohrungen komplett gesperrt werden. Im Weißen Haus spricht man von einer "Feuerschutzmauer" gegen die Erschließung weiterer fossiler Quellen in der unberührten Gegend. Umweltschützer lehnen das Versprechen hingegen als "Retusche" ab. Ohnehin war das Interesse der Industrie an neuen Bohrprojekten zuletzt gering.

Heikles Politmanöver

Bidens heikle Kehrtwende resultiert nicht nur aus dem massiven Druck der Fossile-Energien-Lobby, einflussreicher Politiker aus Alaska und der Gewerkschaften, die sich von der Ölförderung die Schaffung von 2500 Jobs und eine wirtschaftliche Entwicklung der abgehängten Region versprechen. Sie spiegelt auch den neuen Energiepragmatismus Washingtons angesichts des Ukrainekrieges, der die Benzinpreise in den USA zeitweise drastisch steigen ließ.

Der Präsident steht unter massivem Druck der Republikaner, die heimischen Quellen für fossile Energieträger zu nutzen. Zudem herrschen in der Regierung ernste Zweifel, ob man Conoco Phillips die Nutzung seiner Lizenz tatsächlich verweigern kann. Vor Gericht könnte der Regierung eine peinliche Niederlage drohen.

Gewaltiger Eingriff

Auf der anderen Seite stellen die Erschließung des unberührten Gebiets tausend Kilometer entfernt von der Hauptstadt Anchorage, die Bohrungen und die Förderung des Erdöls einen gewaltigen Eingriff in die Natur dar. Das Auftauen der gefrorenen Tundra um die Bohrstellen würde den Klimawandel in Alaska, wo die Temperaturen in der Vergangenheit ohnehin doppelt so schnell gestiegen sind wie im Rest der USA, möglicherweise weiter beschleunigen. Durch die Verbrennung des geförderten Öls würden nach Berechnungen von Experten pro Jahr rund neun Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen. Das entspricht dem Ausstoß von zwei Millionen zusätzlichen Autos.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass das Willow-Projekt weitergeführt wird", twitterte deshalb der linke Demokraten-Senator Ed Markey: "Wir müssen eine Zukunft mit sauberen Energien aufbauen und nicht zu einer dunklen, fossilen Vergangenheit zurückkehren."

Den zweiten Teil könnte auch die Biden-Regierung unterschreiben, deren Vertreter auf die neuen, weitreichenden Restriktionen für künftige Ölförderprojekte und die Einschränkung der ursprünglichen Pläne von Conoco Phillips verweisen.

Entscheidung ist gefallen

Die Kritiker dürfte das kaum überzeugen. Zwei Dutzend – überwiegend linke – Mitglieder des Kongresses haben einen Brandbrief an Biden geschrieben: "Keine Version des Willow-Projektes lässt sich mit Ihrem Versprechen vereinbaren, die Klimakrise zu bekämpfen", heißt es darin. Offiziell schweigt das Weiße Haus noch. Doch nach der New York Times berichtete am Montag auch die Washington Post: Der Präsident hat zugunsten der Ölförderung in Alaska entschieden. (Karl Doemens aus Washington, 14.3.2023)