Um ein Haar wäre es vorbei gewesen mit den Wettrennen von Westbahn und ÖBB zwischen Wien und Salzburg.

Foto: ung

Wien – Die amtliche Mitteilung kurz vor Weihnachten weckte Hoffnungen. Auf der Weststrecke zwischen Wien und Salzburg, so verkündete das Verkehrsministerium, würden ab 23. Dezember 2023 Fernverkehrsverbindungen von ÖBB und Westbahn vom Staat bestellt und auch bezahlt.

Für die Staatsbahn ÖBB sollten darüber hinaus für die Dauer von zehn Jahren Züge bis Innsbruck über das staatliche Bestellsystem finanziert werden. Das erschließt sich aus der gemäß EU-Verordnung veröffentlichten Vorinformation für öffentliche Dienstleistungsaufträge, die vom Klimaschutzministerium bekanntgemacht wurde.

Stundentakt aus dem Takt

Erklärtes Ziel der Maßnahme: die Aufrechterhaltung des Stundentakts, der ab 2024 sieben bis acht Jahre lang aufgrund von Baustellen auf der Weststrecke (etwa in der Region St. Valentin in Niederösterreich) aus dem Takt geraten würde. Damit wäre in Österreich die erste einzige eigenwirtschaftlich mit Schnellzügen betriebene Bahnstrecke auf Staatswirtschaft zurückgestellt.

Jeder fährt auf eigene Kosten

Allerdings wird daraus nun doch nichts. Man habe die Pläne verworfen, bestätigt man im Klimaschutzministerium. "Der Fernverkehr auf der Weststrecke wird auch im kommenden Jahr eigenwirtschaftlich betrieben – eine Direktvergabe muss nicht umgesetzt werden", teilte Sprecher Florian Berger mit. Die Gespräche mit den beteiligten Unternehmen hätten gezeigt, dass trotz Baustellen im eigenwirtschaftlichen Betrieb das bestmögliche Angebot für die Fahrgäste sichergestellt werden könne.

Über die Gründe für den Rückzieher schweigt man sich aus. Ziel war ja ursprünglich, die aufgrund erheblicher Bauarbeiten ab 2024 erwarteten Fahrplan-Taktprobleme zu beheben, indem bei beiden Eisenbahnunternehmen jeweils Schnellzugverbindungen im Stundentakt bestellt werden. Darauf hatten insbesondere die betroffenen Bundesländer gedrängt.

Weichenstellung ab 2024

Hoffnungen hatte die geplante Weichenstellung auf staatliche Leistungsbestellungen bei beiden Personenverkehrsunternehmen geweckt: Für die vom Bauindustriellen Hans Peter Haselsteiner kontrollierte Westbahn wäre ein langgehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Nach zwölf Jahren würde der ÖBB-Konkurrent endlich ins staatliche Bestellsystem aufgenommen und Waffengleichheit mit der übermächtigen ÖBB-Personenverkehr AG wäre hergestellt.

Für die überwiegend öffentlich finanzierte und aufgrund der Klimatickets unter erodierenden Einnahmen leidende ÖBB wäre das leidige Thema Quersubvention vom Tisch, das im Zuge staatlich bestellter Angebotserweiterungen auf der Weststrecke regelmäßig Thema ist.

Zusätzliche öffentliche Kosten

Wie viel die zusätzlichen Verkehrsdiensteverträge die Republik kosten würden, war am Dienstag nicht in Erfahrung zu bringen. Als grober Richtwert gelten die Corona-Notvergaben. 83,5 Millionen Euro schüttete der Bund 2020 aus diesem Titel aus, um den Schnellzug-Stundentakt mangels Fahrgastaufkommens aufrechtzuerhalten. Damals gingen 73,5 Millionen Euro an die ÖBB, der Rest an die Westbahn. Im Gegenzug vereinnahmte der Bund die Ticketerlöse.

Im Saldo kostete die staatliche Bestellung also weniger, sie ist damit eine nur bedingt aussagekräftige Maximalvariante. Auskenner rechnen mit deutlich niedrigeren Kosten, weil bei den neuen Verkehrsdiensteverträgen Auslastungs- und Einnahmenrisiko bei den Bahnen blieben. Die öffentlichen Ausgaben für das jeweils auf zehn Jahre gesicherte Grundangebot von rund 800 Millionen Euro pro Jahr würden somit steigen.

Neuer Anlauf?

Ob der Bund 2024 noch einmal Anlauf nehmen wird, wenn es ernst wird mit den Bauarbeiten auf der Weststrecke und Pendlerinnen und Pendler mit Ausfällen und Schwierigkeiten mit Anschlusszügen bekommen? Das ist offen.

Vom Tisch ist das Thema nicht, allerdings ist ein Kurswechsel kurzfristig nicht möglich. Sollte mit Fahrplanwechsel 2025 (ab 15. Dezember 2024) doch eine Direktvergabe zur Erbringung von Fernverkehr an ÖBB und Westbahn geplant sein, ist selbige spätestens am 15. Dezember 2023 anzukündigen. Denn die Public Service Obligation (PSO), also die EU-Richtlinienverordnung, schreibt ein Jahr Vorlauf vor.

Hausaufgaben

Zu den Knackpunkten gehört übrigens, dass ÖBB und Westbahn wechselseitig Fahrkarten anerkennen, damit Fahrgäste mit Westbahntickets in ÖBB-Regionalzüge umsteigen können (und umgekehrt). Das scheint noch zu den Herausforderungen zu gehören. Auch die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten braucht Vorlauf, die Trassenzuweisungen für den Winterfahrplan erfolgen üblicherweise im April.

Originell ist übrigens die Begründung, warum das Ministerium die Aufträge via Direktvergabe durchführen sollte und nicht mittels öffentlicher Ausschreibung: In einem wettbewerblichen Vergabeverfahren würden der öffentlichen Hand Kosten entstehen, die im Zuge der Auftragsvergabe nicht kompensiert werden können. (Luise Ungerboeck, 14.3.2023)