Bei Übergewicht sollen Botox-Injektionen in die Magenwand das Hungergefühl dämpfen. Der Nutzen der Behandlung ist umstritten. Nun kam es zu Vergiftungsfällen bei Behandlungen in der Türkei.

Foto: APA/dpa/Lino Mirgeler

Nach speziellen Magenbehandlungen mit Botox in der Türkei haben neun Personen in Deutschland eine Vergiftung erlitten, das wurde bereits vor einigen Tagen bekannt. Nun sind drei weitere Fälle dazugekommen, es gibt insgesamt zwölf Betroffene. "Alle haben gemeinsam, dass sie sich zwischen 22. und 25. Februar in Istanbul in der Türkei Behandlungen unterzogen haben, bei denen Botulinum-Toxin in die Magenwand injiziert wird", teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit. Was genau schiefgegangen ist, ist bisher unklar.

Auslöser ist ein "Magenbotox", das zur Gewichtsreduktion eingesetzt wird. Dabei wird Botox über eine endoskopische Sonde an bestimmten Stellen in die Magenwand injiziert. Das lähmt die Bauchmuskeln, sie machen keine Kontraktionen mehr. Dadurch bleiben die Nahrungsmittel lange Zeit im Magen, das führt zu Appetitlosigkeit. Angepriesen wird das seit einiger Zeit als sanfte Methode zum Gewichtsverlust. Nun teilte ein Verband für Infektionskrankheiten in der Türkei mit, es habe in den vergangenen Tagen "viele Vorfälle" gegeben. Betroffen seien sowohl Türken als auch Ausländer, die zu Behandlungen in das Land gereist seien.

Schluck- und Atembeschwerden

Die zwölf Betroffenen sind an Botulismus erkrankt, einer durch das Bakterium Clostridium botulinum verursachten Vergiftung. Die von diesem Bakterium gebildeten Nervengifte zählen zu den stärksten bekannten Giften überhaupt. Typische Symptome sind Seh- und Sprachstörungen und Schwäche in den Extremitäten. Hinzu kommen laut RKI Schluck- und Atembeschwerden, die üblicherweise drei bis zehn Tage nach der Behandlung auftreten. Botulismus ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar.

Die Türkei ist mittlerweile ein großer Markt für medizinische Behandlungen wie Zahnbehandlungen, Haartransplantationen oder andere Schönheitsoperationen und Anwendungen. Der Gesundheitsverband Satugem rechnet für das Jahr 2023 mit einer Million sogenannten Gesundheitstouristen. Dazu gehört auch die Botoxbehandlung im Magen. Bei den geringen Dosen, die bei solchen Behandlungen eingesetzt werden, seien solche Symptome eigentlich nicht zu erwarten, teilt das RKI mit. "Inwieweit hier eine fehlerhafte Dosierung oder Behandlung vorliegt, wird aktuell von den türkischen Behörden untersucht."

Angesichts der anfangs eher unspezifischen Symptome hält das RKI weitere Erkrankungsfälle für möglich. Die Behandlung sieht die deutsche Fachgesellschaft für Ästhethisch-Plastische Chirurgen (VDÄPC) mit Skepsis: "Der Nutzen dieses Eingriffs ist bisher nicht gut genug belegt. Wir beobachten das kritisch und sprechen keine Empfehlung aus", sagt ihr Präsident Detlev Hebebrand. Im seriösen Bereich gebe es für Magen-Botoxbehandlungen in Deutschland bisher keinen großen Markt.

Kurzer Effekt ohne belegten Nutzen

"Der Effekt einer solchen Behandlung dürfte kaum länger als sechs Monate anhalten", sagt Hebebrand. "Dabei ist fraglich, ob der Nutzen des Eingriffs überhaupt über den Effekt eines Scheinmedikaments hinausgeht." An Beobachtungsstudien nähmen Menschen mit Motivation zum Abnehmen teil, was die Ergebnisse verzerren könne. "Bei diesen Magenbehandlungen werden wesentlich höhere Botoxmengen eingesetzt als etwa gegen Falten im Gesicht", sagt der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Es sei unklar, wie lange es dauert, bis der Stoff im Körper wieder abgebaut wird.

Mehrere Anbieter in der Türkei beschreiben den Eingriff im Internet auf Deutsch, teils mit Vorher-nachher-Fotos. Ergänzend wird teilweise zu bewusster Ernährung geraten. Als Nebenwirkungen werden zum Beispiel Übelkeit und Verdauungsstörungen angegeben. Das RKI hat Menschen, die seit dem 22. Februar eine solche Magenbehandlung in Istanbul erhalten haben und Symptome aufweisen, aufgerufen, zum Arzt zu gehen. (APA, red, 14.3.2023)