In ihrem Gastbeitrag schreibt Beatrice Stude über Projekterkenntnisse, mit denen Kindern ein besserer Zugang zum Radfahren geboten wird.

Welche Hindernisse abseits gebauter Infrastruktur gilt es abzubauen? Dieser Aufgabe hat sich das Projekt Freirad im letzten Jahr gewidmet – und dazu eine Bestandsaufnahme gemacht, Workshops mit Kindern an Volksschulen und mit verschiedenen Stakeholdern auf Landes- und Bundesebene abgehalten sowie Befragungen durchgeführt. 1.100 Eltern, 211 Lehrerinnen und Lehrer sowie 42 Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung antworteten. Das Ergebnis sind 46 Handlungsempfehlungen, von denen einige im Blog präsentiert werden.

Mehrstufige Prüfung

Dekoriert von Kopf bis Fuß, zeigen die neunjährigen Freunde und Freundinnen ganz stolz ihre zahlreichen Radabzeichen nach der bestandenen Radfahrprüfung her und planen schon die Teilnahme an dem nächsten Test.

Foto: Martin Udovičić

Derzeit wird nur einmal geprüft, nämlich bei der freiwilligen Radfahrprüfung – oft ohne viel Vorbereitung. "Wir als Eltern sollten mehr tun", antwortete fast die Hälfte der Eltern auf die Frage: "Was müsste sich kurz- beziehungsweise langfristig ändern, damit Kinder ihre Alltagswege mit dem Fahrrad zurücklegen können?" In der Befragung sind jene überrepräsentiert, die keine oder wenig Unterstützung brauchen. Die Elternvertreterinnen haben klar gemacht, dass dies bei vielen Eltern anders aussieht und diese Unterstützung brauchen.

Ein mehrstufiges Prüfen wäre eingebettet in eine umfassende Mobilitätsbildung, die bereits im Kindergarten beginnt. So könnten Erfolgserlebnisse, Spaß und Freude beim Radfahren gesteigert werden– beim Erlernen, Üben und Anwenden des Regelwissens.

Zentrale Organisation

Die freiwillige Radfahrprüfung wird zudem derzeit sehr unterschiedlich abgewickelt. Zwei Elternvertreterinnen beklagen, dass Informationen dazu und zu weiteren Mobilitätsinitiativen auf verschiedenen Websites zu finden sind, und wünschen sich mehr Transparenz mit klaren Zuständigkeiten und Ansprechpersonen.

In den Stakeholderworkshops wurde deutlich, dass die Schulen zuständig sind und bleiben sollen, weiterhin unterstützt von der Polizei – das Thema Radfahren ist jedoch im Schulalltag nur unzureichend verankert. Diese und weitere Erkenntnisse reichte das Projektteam als Stellungnahme zu den überarbeiteten Lehrplänen im September 2022 ein und forderte, Mobilitätsbildung im Lehrplan zu verankern.

Üben und Vorbereiten

Schon beim Rollerfahren auf dem Gehsteig zeigen sich die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und potenzielle Überraschungen – jemand kommt aus der Haustür oder um die Häuserecke –, weswegen es eines Miteinanders bedarf. Und dafür ist angemessene Geschwindigkeit unerlässlich. Roller fahren auf dem Gehsteig ist ein idealer Einstieg für Kinder in die selbstständige Teilnahme am Straßenverkehr: Geschützt auf dem Gehsteig zu lernen, das eigene Fahrzeug zu beherrschen, und Rücksicht zu nehmen, auf alle anderen, die zu Fuß unterwegs sind.

Zudem wünscht sich fast die Hälfte der Eltern in der Befragung, dass der Autoverkehr im Schulumfeld verlangsamt und reduziert wird – auch das fördert das Miteinander im Verkehr.

Unterstützung finanzieren

Radfahren hält gesund, fördert die Konzentration und hat einen positiven Effekt auf die Psyche und auch auf das Umfeld – das ist allseits anerkannt. Zahlreiche positive Effekte, deren Aktivierung in unterschiedliche Ressorts fällt: Wer ist da zuständig, profitiert und sollte finanzieren? Die Ministerien gemeinsam, waren sich alle in den Diskussionen einig.

Ziel muss sein, dass allen Kindern in Österreich, unabhängig von ihrem sozialen und finanziellen Hintergrund, das Radfahren und das Ablegen der Radfahrprüfung möglich ist. Denn unabhängig davon, welche Verkehrsmittel es im Haushalt gibt, wünschen sich Eltern, dass die öffentliche Hand sie bei der Verhaltensänderung – mehr Rad zu fahren – unterstützt. Und vielen Eltern ist wichtig, dass ihre Kinder als Vorbereitung auf die Radfahrprüfung verpflichtend im Straßenraum üben.

Bewusstsein bilden

Kann jemand dagegen sein, dass Kinder gemeinsam Rad fahren – begleitet von ihren Eltern und der Polizei, die idealerweise dabei auch am Rad fährt? "Bicibusse ausweiten" ist eine Handlungsempfehlung des Projekts. So könnten die Verkehrskoordinatorinnen und Verkehrskoordinatoren der Polizei unterstützen, da sie auch die freiwillige Radfahrprüfung begleiten oder abnehmen – wenn sie den Auftrag dazu bekommen. Bei einem Bicibus radeln Kinder und Eltern gemeinsam zur Schule für mehr Sicherheit im Straßenverkehr – im Radkonvoi begleitet von der Polizei.

Das, was ich jeden Tag sehe, nehme ich als Teil des Stadtbilds wahr und gewöhne mich daran: Radfahrkurse mit Schulklassen, die auch eine Ausfahrt durch die Gemeinde machen, erhalten viel positive Resonanz, finden jedoch nur wenige Wochen im Schuljahr in wenigen Gemeinden statt. Hingegen wöchentlich oder täglich Rad fahrende Kinder und Eltern zu sehen, das bildet Bewusstsein und ist Radfahrenüben und demokratische Teilhabe zugleich – diese prägende Erfahrung sollten alle Kindern in Österreich machen dürfen.

Infrastruktur schaffen

Kinder lernen oft das Radfahren in Parks. Dort ist das Radfahren aber meist verboten, die Radfahrprüfung wird zudem oft nur abseits des Straßenverkehrs in sogenannten Verkehrsgärten abgehalten, und danach ist jede und jeder verpflichtet, auf Radwegen zu fahren – eine Parallelwelt, dabei sind wir alle Verkehr.

Es braucht Übungsrouten auf Alltagswegen, in der Nähe der Schule, die in den alltäglichen Schulweg integriert werden können. Anregungen aus den Stakeholderworkshops waren, dass die Übungsrouten zum Radfahren ermuntern und sie die Eltern niederschwellig nutzen können – statt Schulwegpläne zum Download, die auf Gefahren fokussieren. Zudem könnten die Schulwegpläne auch als Instrument dienen, um die Verkehrsinfrastruktur im Schulumfeld kindgerechter zu machen.

Foto: Martin Udovičić

Alles trägt zum großen Ganzen bei. Die gesamte Gesellschaft profitiert davon, wenn mehr Kinder im Straßenverkehr mit dem Rad fahren. (Beatrice Stude, 16.3.2023)