Das Verhältnis zwischen Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (beide SPÖ) gilt als schlecht.

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Dass Vertreterinnen und Vertreter einer Landesgruppe anonym angezeigt werden, kannte man bislang nur aus der FPÖ. Inmitten des roten Führungsstreits ist nun auch die Wiener SPÖ mit einer anonymen Anzeige konfrontiert.

Der Verfasser der Anzeige, die dem STANDARD vorliegt, bezeichnet sich selbst als "Insider" der SPÖ Wien, des roten Rathausklubs und des SPÖ-Parlamentsklubs. Die Vorwürfe, die er darin erhebt, wiegen schwer. Der Rathausklub soll demnach Gehaltskosten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im SPÖ-Parlamentsklub übernehmen, um sich so Einfluss zu sichern. Datiert ist der "Insider"-Brief mit 8.3.2023, Absendeort ist angeblich "Eisenstadt". Unterzeichnet ist das Papier lediglich mit "ein Genosse".

Tatsächlich ist die Anzeige mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft Wien eingelangt – und zwar am Montag, wie Behördensprecherin Nina Bussek auf STANDARD-Anfrage mitteilt. Nun werde diese – wie alle anderen Anzeigen, die bei der Staatsanwaltschaft eingehen – auf einen Anfangsverdacht hin geprüft.

Leistungsvereinbarung zwischen Klubs

Was offiziell bekannt ist: Sämtliche Landtagsklubs finanzieren insgesamt zwei Mitarbeiter des Parlamentsklubs. Das bestätigt Andreas Höferl, Klubdirektor der Wiener SPÖ, im STANDARD-Gespräch: "Es gibt seit 25 Jahren eine Leistungsvereinbarung zwischen dem Parlamentsklub und den Landtagsklubs." Im Rahmen dieser Vereinbarung fungieren zwei Mitarbeiter – eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft – als sogenannte Koordinationsstelle zwischen dem Parlamentsklub und den Landtagsklubs. Zu ihren Aufgaben zählt, die Länder über das Geschehen in National- und Bundesrat zu informieren und auch Vernetzungstreffen zu organisieren.

Laut Höferl trägt der Parlamentsklub 30 Prozent der Gehaltskosten, die restlichen 70 Prozent teilen sich die Landtagsklubs nach einem Schlüssel, der sich an der Größe der jeweiligen Klubs bemisst, auf. "Von den Gesamtkosten entfallen in Summe 17 Prozent auf den Wiener Landtagsklub", präzisiert Höferl. Darüber hinaus würden keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Parlamentsklubs finanziert. Die Anzeige, hinter der Höferl die ÖVP vermutet, sieht der Klubdirektor gelassen: "Ich zeige der Staatsanwaltschaft gerne diese Leistungsvereinbarung."

Burgenland distanziert sich

Im Burgenland will man mit der Anzeige jedenfalls nichts zu tun haben. Dort mutmaßt man, dass diese vom politischen Gegner verfasst wurde, um noch mehr Unruhe in die SPÖ zu bringen – just zu jenem Zeitpunkt, an dem die Wiener SPÖ ihre Klausur im Burgenland abhält. "Was mir bei dem Dokument auffällt: Der Fleischmann (Gerald, ÖVP-Kommunikationschef, Anm.) hat vergessen zu unterschreiben", kommentiert ein burgenländischer Funktionär hämisch.

Am Dienstag und Mittwoch findet die traditionelle Klubtagung der roten Wiener Landespartei in Frauenkirchen statt. Die Tagung steht nach einer Corona-bedingten Zwangspause von zwei Jahren heuer auch im Zeichen des roten Führungsstreits zwischen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Die Wiener Landespartei, angeführt von Bürgermeister Michael Ludwig, steht dabei klar hinter Rendi-Wagner, was zunehmend zur Entfremdung zwischen Ludwig und Doskozil geführt hat – das Verhältnis zwischen den beiden gilt als schlecht.

Einige parteiinterne Sympathisanten von Doskozil sind auch überzeugt, dass die Gerüchte rund um Ex-ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz als möglichen Kandidaten für die Parteispitze direkt aus der Wiener Landespartei gestreut wurden. Seit wenigen Wochen kursiert nämlich das Gerücht, dass Ludwig nach einer Alternative zu Doskozil sucht, falls es diesem gelingt, Rendi-Wagner abzusägen. Die nun bei der Staatsanwaltschaft eingelangte Anzeige könnte den Konflikt zwischen den beiden Landesgruppen weiter anheizen. (Sandra Schieder, 14.3.2023)