Die Demokratiewerkstatt ist direkt über dem Plenarsaal, durch das Fenster kann man dem Nationalrat live beobachten.
Foto: Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

Was ist politisch? Was bedeutet Demokratie? Wofür steht das Parlament? Was wird dort gemacht und wie entstehen Gesetze? Antworten auf diese Frage können Jugendliche in der Demokratiewerkstatt im Parlament erarbeiten. Mit der Eröffnung des renovierten und umgebauten Parlaments hat auch die Demokratiewerkstatt neue Räumlichkeiten bezogen.

Ganz oben, gleich unter der Glaskuppel, mit direktem Blick in den Plenarsaal ist die Werkstatt nun ganz nah am Geschehen. Für Leopold Lugmayr, Leiter der Abteilung Demokratiebildung in der Parlamentsdirektion, ist das mit ein Grund für den Erfolg des Angebots. Seit der Eröffnung des Parlaments am 16. Jänner nahmen bereits 76 Schulklassen mit rund 1770 Schülerinnen und Schülern teil.

Eine Volksschulklasse und 25 Schülerinnen und Schüler der dritten Klasse der IBC Hetzendorf, einer Wiener Handelsakademie mit Schwerpunkt International Business, sind diesmal in die Demokratiewerkstatt gekommen. Vorbereitung auf diese Workshops sei keine erforderlich, sagt Eric Amelin, Geschäftsführer der auf Mediendidaktik und Demokratievermittlung spezialisierten Agentur Müllers Freunde, die für das Konzept sowie die Trainerinnen und Trainer der Demokratiewerkstatt verantwortlich ist.

Internationales Interesse

Nach einer kurzen allgemeinen Einführung ins Thema geht es für die Jugendlichen dann in Kleingruppen weiter. Gemeinsam mit einem geschulten Didaktiker wird an einem Spezialgebiet weitergearbeitet. "What is not political", hat Didaktikerin Nadine auf ein Flipchart geschrieben – da diesmal eine internationale Delegation zu Besuch in der Demokratiewerkstatt ist, wird der Workshop auf Englisch abgehalten. Diese Form der Demokratiebildung findet auch in anderen europäischen Ländern Anklang und wurde schon in den Parlamenten Montenegros und des Kosovo eingerichtet, in Albanien, Nordmazedonien und der Slowakei sind solche Werkstätten bereits in Planung.

Nach einer Einführung wird in Kleingruppen an bestimmten Themen weitergearbeitet.
Foto: Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

Die Stichwörter zu Frage, was alles nicht politisch ist, kommen von den Schülerinnen und Schülern. Und schnell entsteht eine Debatte darüber, ob und inwieweit es politisch ist, seine sexuelle Orientierung öffentlich zu machen. Ähnliches entwickelt sich in den beiden anderen Kleingruppen. In einer Gruppe werden die Grenzen gesteckt, wofür das Parlament zuständig ist, was Parlamentarismus und was Gewaltenteilung konkret bedeutet. Die dritte Gruppe beschäftigt sich mit dem Begriff Demokratie und was darunter konkret zu verstehen ist. Dem Alter entsprechend sammelt die Volksschulklasse Bereiche, wo es überall Regeln gibt.

Vorbereitung der Trainerinnen

Die Ausbildung der Trainerinnen und Trainer erfolge in der Agentur, sagt Amelin. Neben didaktischem und fachlichem Wissen brauche es auch ein Know-how bei der Gestaltung unterschiedlicher Medien wie Zeitungen, Videos oder Podcast. Denn nachdem die Ergebnisse der Kleingruppenarbeit im Plenum präsentiert worden sind, werden sie diesmal in einer von den Teilnehmenden gestalteten Zeitung gedruckt. Dass die Jugendlichen auch etwas zum Mitnehmen haben, sei ein wesentlicher Teil des Bildungskonzeptes, erklärt er.

Seit vier Jahren ist Nadine als Didaktikerin bei der Demokratiewerkstatt dabei. Nach ihrem Publizistikstudium habe sie gezielt nach einem Job in der Demokratiebildung gesucht, sagt sie. "Wie man Politik verändern kann, welche Möglichkeiten der Partizipation es gibt, ist für jeden wichtig." Es sei ein Job mit viel Erfüllung, bei dem man mit ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten in Kontakt komme, ergänzt Nadine.

Erster Kontakt mit Politik

Und was bedeutet Politik für die Schülerinnen und Schüler? Grundsätzliches Interesse an Politik sei da, sagen sie. Informationen dazu hole man sich aus Onlinemedien oder dem Fernsehen. Auch von ihrem Wahlrecht würden sie Gebrauch machen. Später einmal selbst in die Politik zu gehen können sich die Schülerinnen und Schüler jetzt noch nicht vorstellen. "Durch den Workshop haben wir einen Einblick bekommen, wie Politiker denken und handeln", sagt Julia. Ihr politisches Engagement zeigen die Jugendlichen bei den Klimastreiks oder durch das Unterschreiben von Petitionen.

Seit Ende 2007 gibt es die Demokratiewerkstatt im österreichischen Parlament. Anlass war das Herabsetzen des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre. Gestartet wurde mit vier themenspezifischen Formaten, mittlerweile sind es bereits 15. Bis zu 32 Workshops sind pro Woche möglich. Im kommenden Jahr sollen damit zwischen 25.000 und 30.000 Schülerinnen und Schüler erreicht werden. In den Jahren vor der Pandemie waren es im Schnitt 430 Workshops pro Jahr mit rund 8000 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler.

Und wie kommt dieses Angebot bei den Teilnehmenden an? "Es ist eine kreative Art zu lernen. Jeder Schüler sollte das einmal machen können", sagt Beyza. (Gudrun Ostermann, 15.3.2023)