Im Gastblog betrachtet der Geologe und Bibliothekar Thomas Hofmann drei Naturforscher, die vor allem Insidern bekannt sind, aber in ihren Bereichen Bleibendes schufen.

Die Geschichte der Forscherfamilie beginnt am Sonntag, den 16. August 1812 in Prag, dem Geburtstag von Karl Fritsch. Das Kind armer, aber ambitionierter Eltern wurde im Alter von vier Jahren in die Schule geschickt. Das war wohl keine gute Idee, wie Fritsch in seiner Autobiografie bekennt: "Da ich in den Lerngegenständen, wegen Mangel an Talent, keine besonderen Fortschritte machte."

Klein Karl war ein Schauender, ein Beobachter: "Bereits als vierjähriger Knabe sah ich dem Regen stundenlang zu und verfolgte, ohne mich durch irgendetwas davon abhalten zu lassen, alle Erscheinungen bei einem Gewitter, obgleich ich dabei aus Furcht zitterte und zu Gott betete." Damit sollten die Weichen für sein späteres Leben gestellt sein. Als 15-jähriger entdeckte er in der "Prager Zeitung" die Beobachtungen der k. k. Universitäts-Sternwarte, was fortan sein Leben bestimmen sollte: "Seit jenem Zeitpunkte war ich Meteorolog mit 'Leib und Seele'". Die Prager Sternwarte wurde ihm ein Ort "der Ehrfurcht und Sehnsucht".

Karl senior: Jus als Brotstudium

Ab den 1830er-Jahren widmete er sich an der Prager Uni den Studien der Mathematik, Geometrie, Physik und der praktischen Astronomie. Denn "für abstracte und mystische Studien fehlte es mir an aller Begabung. Ich fing bereits an, meteorologische Beobachtungen selbst anzustellen und die Nothwendigen Instrumente dazu theilweise zu verfertigen." Parallel dazu studierte er Jus, um dann als Conceptspraktikant im Staatsdienst ein karges, aber sicheres Einkommen zu haben.

Karl Fritsch, Meteorologe und passionierter Naturbeobachter.
Foto: Fam. Mudri-Raninger

In diese Zeit fällt die Begegnung mit Karl Kreil (1798 bis 1862), Adjunkt an der Prager Universitätssternwarte. Als sich Kreil im Herbst 1844 mehrere Wochen auf Reise begab, übernahm Fritsch, der mittlerweile einschlägige wissenschaftliche Arbeiten publiziert hatte, die Tätigkeiten an der Sternwarte. Als Kreil in den Jahren 1846 bis 1850 landauf, landab durch die Kronländer Österreichs für seine erdmagnetischen und geographischen Ortsbestimmungen tourte, war er dessen Adlatus. Freilich beschränkte er sich nicht nur auf Handlangertätigkeiten. Er unternahm eigene meteorologische und klimatologische Forschungen, aber auch auf dem Gebiet der "Pflanzengeographie und anderer verwandter Wissenschaftszweige".

Von Wien nach Salzburg

In der Frühphase der 1847 in Wien gegründeten Akademie der Wissenschaften, als es klar war, dass ein "Centralinstitut für Meteorologie" gegründet werden sollte, rief man Kreil und Fritsch aus Prag. Sie sollten in Wien die Männer der ersten Stunde, der am 23. Juli 1851, per kaiserliches Handschreiben gegründete Centralanstalt für meteorologische und magnetische Beobachtungen (heute: GeoSphere Austria) werden.

1862 wurde Fritschs Schicksalsjahr. Im August starb seine Frau Karoline, mit der er 19 Jahre lang verheiratet war. Im Dezember verstarb Kreil, der Direktor der Centralanstalt, "seit 1839 fast mein einziger Gönner und Freund bei meinen wissenschaftlichen Bestrebungen." Doch das kommende Jahr brachte ihm neues Glück. Am 5. Mai 1863 heiratete er Marie Steinwender. Im August wurde Carl Jelinek neuer Direktor und Fritsch avancierte nun zum Vizedirektor. Im darauffolgenden Februar erblickte Karl und Maria Fritschs Sohn Karl junior das Licht der Welt. Der zunehmend kränkelnde Fritsch machte in den Sommermonaten stets Urlaub in der Stadt Salzburg. Als er im Frühling 1872 in Pension ging, zog Familie Fritsch von Wien-Wieden (Favoritenstraße) nach Stadt Salzburg (Rupertgasse), wo er die Leitung der Salzburger meteorologischen Station übernahm und wissenschaftlich aktiv blieb. Sein Herz gehörte der belebten Natur, den phänologischen Beobachtungen der Tier- und Pflanzenwelt. 1877 veröffentlichte er den 25. phänologischen Jahresbericht, am 26. Dezember 1879 verstarb er in Salzburg.

Das Duftveilchen (Viola odorata) ist eine wichtige Zeigerpflanze in der Phänologie.
Foto: GeoSphere Austria

Karl junior, der Botaniker

Das Leben des Knaben, der in Wien geboren, aber in Salzburg groß geworden war, hatte zunächst ganz die Züge seines Vaters. Im Gymnasium, wo er 1882 maturierte, waren es die naturwissenschaftlichen Fächer, die er liebte. Als Jugendlicher unternahm er Reisen und erweiterte durch Sammeln seine Kenntnisse. Im Wintersemester 1882/83 begann er an der Universität Innsbruck ein Botanikstudium. Im nächsten Jahr ging er an die Wiener Uni, wo er bei Julius Wieser (1838 bis 1916), der eine Professur für Anatomie und Physiologie der Pflanzen innehatte, 1886 promovierte ("Beitrag zur Anatomie der Gattung Rubus"). Drei Jahre später begann Karl Fritsch junior als Volontär im Naturhistorischen Museum.

1890, dem Jahr seiner Habilitation, war er Demonstrator am pflanzenphysiologischen Institut bei seinem Lehrer Julius Wieser. Im April 1892 wechselte er zum Botanischen Garten unter der Leitung von Anton Kerner von Marilaun. Als sein Assistent betreute er dessen Dissertanten. Kerner vergab lediglich die Themen, den Rest, sprich die wissenschaftliche Betreuung der Doktorarbeiten, erledigte Fritsch. 1895 folgte mit der Ernennung zum außerordentlichen Professor der Botanik an der Wiener Universität der nächste Karriereschritt. Nach Kerners Tod im Jahr 1898 übernahm er die interimistische Leitung des Botanischen Gartens und Museums, bis 1899 Richard Wettstein zum Nachfolger Kerners ernannt wurde.

Universitätskarriere in Graz

Die nächste Station im Leben von Karl junior war Graz. Hier war am 1. Februar 1897 Constantin Freiherr von Ettingshausen (Jahrgang 1826) verstorben. Er hatte als Altmeister das Feld der Botanik und auch der Paläobotanik, die damals noch Phytopaläontologie hieß, abgedeckt. Statt einem Ordinariat sollten nun zwei Extraordinariate geschaffen werden. Das war die Stunde für Fritsch. Er trat am 27. März 1900 als außerordentlicher Professor "mit Titel und Charakter eines ordentlichen Professors" die Nachfolge von Ettingshausen an. Die universitäre Karriere ging nun stetig weiter.

Mit Wirksamkeit vom 1. April 1905 wurde er zum besoldeten ordentlichen Professor der Botanik ernannt. 1912 war er Dekan der Grazer Uni und wurde 1924 zum Rektor gewählt, was ihm auch den Titel eines Hofrats brachte. Unter seinen Arbeiten hat die "Exkursionsflora für Österreich" eine herausragende Stellung. Sie erschien 1897 in erster Auflage (664 Seiten), zwölf Jahre später folgte eine zweite (725 Seiten), die dritte von 1922 umfasste als "Exkursionsflora für Österreich und die ehemals österreichischen Nachbargebiete" mehr als 900 Seiten.

Große Aufgaben und bleibende Ehren

Fritsch, "eine mehr beschauliche und dabei heitere Natur", war nicht nur gefordert, in Graz Forschung und Lehre voranzutreiben, er hatte auch noch großen Aufgaben räumlicher Natur und in Sachen Ausstattung zu lösen. Der Erwerb des Herbariums von Josef Kerner von Marilaun, dem Bruder von Anton, bildete mit 65.000 Pflanzen zusammen mit Fritschs eigenem Herbarium einen Grundstock des Grazer Universitätsherbariums. Es wuchs stetig weiter und zählt heute rund 1,2 Millionen Objekte. 1907 begann er, sich für die Schaffung eines Instituts für systematische Botanik stark zu machen. Drei Jahre später hatte er auch die Leitung des Botanischen Gartens übernommen. Und wieder drei Jahre später wurde der Bau des Gebäudes im Botanischen Garten (Holteigasse 6, heute: Bereich Pflanzenwissenschaften des Institutes für Biologie der Universität Graz) begonnen. Es konnte kriegsbedingt erst 1916 bezogen werden.

Karl Fritsch (junior), Botaniker und Musikliebhaber, mit seiner Enkelin Renate.
Foto: Fam. Mudri-Raninger

Die Hauptvorlesung in systematischer Botanik und Morphologie war "eine seiner liebsten Beschäftigungen". Er dürfte ein angenehmer Lehrer gewesen sein. "Fritsch hat zu den gerechten, milden und niemals sarkastischen Prüfern gezählt." Ausgleich fand der Gelehrte bei Musik; in seiner kargen Freizeit absolvierte er eine Ausbildung zum Kapellmeister.

Dank Karl Fritschs Initiative konnten 1916 die Grazer Botaniker dieses Gebäude im Botanischen Garten beziehen.
Foto: Kubart, 1934

Posthum wurde 1936 im Salzburger Stadtteil Schallmoos, wo er aufgewachsen war, eine Gasse nach ihm benannt. Seine Grazer Kollegen ließen sich etwas Besonderes einfallen. 1994 begründeten sie die Fachzeitschrift "Fritschiana" – 2022 erschien Band Nummer 100. Doch damit nicht genug: jeder Band enthält eine Kurzbiografie von Karl Fritsch, der so weiterlebt.

Wolfgang Fritsch, der Geologe

Als Karl Fritsch in den Abendstunden des 17. Jänner 1934 in Graz verstarb, hinterließ er drei Söhne, Paul, Karl und Julius. Keiner widmete sich einer naturwissenschaftlichen Profession. Erst Paul Fritschs Sohn Wolfgang (1928 bis 1970) wandte sich als Geologe wieder dem Reich der Natur zu. Dessen Schwester Renate (1925 geboren) hat noch gute Erinnerungen an den Großvater. "Bei Ausflügen, Spaziergängen oder der Sommerfrische unserer Familie in Salzburg, war er nie müde, mich für Botanik zu begeistern," erzählt die Enkelin.

Wolfgang Fritsch, hier im Jahr 1969, war über 25 Jahre Betriebsgeologe des Bergbaus in Hüttenberg (Kärnten).
Foto: Fam. Mudri-Raninger

Wolfgang, der "stille, überbescheiden wirkende Student", schloss 1952 in Graz sein Geologiestudium ab. Er fand drei Jahre später im Bergbaubetrieb von Hüttenberg in Kärnten als Betriebsgeologe eine Anstellung. Seine fachlichen Interessen als Kristallingeologe gingen weit über den Bergbau hinaus, so befasste er sich unter anderem mit der Klassifikation kristalliner Schiefer. Die weit vorangeschrittene Habilitation an der Montanuniversität in Leoben konnte er nicht vollenden.

In den 1870er-Jahren erlebte der Hüttenberger Erzbergbau mit weit über 1.000 Beschäftigten eine Blüte, in den 1970er-Jahren waren es über 200.
Foto: Seeland, 1876

Tragisch und viel zu früh war sein Tod. "Am 31. 7. 1970 befuhr der Betriebsgeologe des Bergbaus Hüttenberg knapp nach dem Abtun mehrerer Schüsse ein [sic!] Abbauort und wurde von plötzlich nachfallendem Erz schwerst verletzt. Trotz raschester ärztlicher Hilfe starb er schon am Stolleneingang". (Thomas Hofmann, 20.3.2023)