St. Pölten – Am Dienstag ist die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP einen Schritt auf die FPÖ zugegangen, mit der sie derzeit Koalitionsverhandlungen führt: Der Forderung der Blauen nach einer offenen und transparenten Corona-Aufarbeitung wolle sie nachkommen. Die Impfpflicht sei "mit heutigem Wissen natürlich ein Fehler" gewesen, wird die niederösterreichische Landeshauptfrau in einer Aussendung zitiert. Sie wäre damals "ärztlichem Rat gefolgt" und sehe nicht ein, dass sie damit "eine Zusammenarbeit fürs Land verunmöglicht" hätte.

Gleichzeitig forderte Mikl-Leitner auch Aufrichtigkeit von der FPÖ ein: Sie seien zu Beginn der Pandemie die Ersten gewesen, die einen Lockdown gefordert hätten. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ könne "eine Chance für unser Land" sein, "die Spaltung zu überwinden und die Gräben zu schließen". Kompromisse brauche es von beiden Seiten.

Landbauer will "keine faulen Kompromisse"

Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer reagierte darauf unnachgiebig: Es dürfe "keine faulen Kompromisse" bei der "Corona-Wiedergutmachung" geben. "Die Verantwortung abzuschieben ist zu wenig. Nicht Experten, sondern Politiker haben die fatalen Entscheidungen getroffen, Lockdowns verhängt, Schulen geschlossen und die Bevölkerung mit dem Maskenzwang und Ausgangssperren schikaniert", sagt der Freiheitliche.

Die Verhandlungen in Niederösterreich hatten sich am gestrigen Montag weiter zugespitzt: Landbauer hatte nochmals bestätigt, trotz möglicher schwarz-blauer Koalition Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nicht als Landeshauptfrau zu wählen – den Saal werden die 14 FPÖ-Mandatare aber auch nicht verlassen. Übrig bliebe nur eine ungültige Wahl als politischer Taschenspielertrick – ob die FPÖ dem offen gegenübersteht, ist derzeit unklar.

Bündel an Forderungen

Gelingt es Mikl-Leitner trotz dieser Annäherungsversuche nicht, die FPÖ zu überzeugen, sie zur Landeschefin zu wählen, braucht die ÖVP dafür entweder die SPÖ oder die Grünen und die Neos. Die SPÖ hat bereits angekündigt, das nicht ohne Zugeständnisse der ÖVP zu tun. Auch die Grünen und die Neos werden nicht ohne weiteres für Mikl-Leitner stimmen. Sie präsentierten am Dienstag gemeinsam ein Bündel an Forderungen, die sie von der ÖVP erfüllt sehen wollen.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist zur von der FPÖ geforderten Corona-Aufarbeitung bereit.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Neos-Landessprecherin Indra Collini will unter anderem mit der ÖVP in Gespräche treten, damit klar sei, welche Inhalte im Arbeitspapier mit der FPÖ vereinbart sind. "Wir haben aktuell keine Ahnung, wie es in dem Land weitergehen wird", sagt Collini. Bisher sei niemand von der ÖVP an sie herangetreten, sagt Collini.

Für Collini wichtig seien das Demokratie- und Klimaschutzpaket, das vor einem Monat gemeinsam mit den Grünen vorgestellt wurde, sowie der Ausbau der Kinderbetreuung. Außerdem betonte sie nochmals ihre Ablehnung gegenüber dem Proporzsystem und sprach von einer "Zwangsehe" zwischen ÖVP und FPÖ. Ohne Proporz wäre laut Collini eine "Dirndlkoalition" möglich, also eine Koalition aus ÖVP, Grünen und Neos.

"Teuflischer Pakt"

Die Grünen-Chefin Helga Krismer wurde in ihren Worten deutlicher. "Niederösterreich ist am Tiefpunkt angekommen. Das Motto der ÖVP ist, an der Macht zu bleiben", betonte Krismer. Sie kann sich in ihrer "Fantasie nicht vorstellen", dass eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ funktionieren würde und spricht von einem "teuflischen Pakt", den die Volkspartei mit den Freiheitlichen eingehe.

Für sie sei es, wie für die Neos, wichtig, in Gespräche zu treten, um über die Wahl von Mikl-Leitner zu reden. Welche Bedingungen sie mit der Wahl verknüpft, wollte Krismer nicht näher erläutern. Definitiv ausgeschlossen sei für den grünen Landtagsklub die Wahl von Landbauer zum Landesvize – dieser wird ebenfalls wie das Landesoberhaupt mit einfacher Mehrheit gewählt, muss aber laut Verfassung aus der zweitstärksten Partei, also der FPÖ, kommen.

Möglicher Wahlvorschlag

Krismer schließt nicht aus, in der konstituierenden Sitzung einen eigenen Wahlvorschlag bei der Wahl des Landesoberhauptes einzubringen. Auf konkrete Namen wollte Krismer nicht näher eingehen, es könne sich aber auch um eine andere Person aus der ÖVP handeln. Zudem halte Collini sich selbst und ihre grüne Amtskollegin für "landeshauptfraufähig". (Max Stepan, cwu, 14.3.2023)