Sage noch einer, wir hätten bei der Oscar-Verleihung 2023 keine Rolle gespielt: Felix Kammerer ("Im Westen nichts Neues") auf der Bühne des Dolby Theatre in L.A.

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Eine euphorisierende Zeitspanne lang schien ganz Österreich ins Lager der Filmkünstler übergewechselt. Inländer, die einander sonst nicht die geringste Beachtung schenken, schlossen miteinander Wetten ab. Würde die Cutterin Monika Willi (Tár) heuer eine der begehrten Oscar-Statuen in L.A. davontragen? Würde sie, wie einst "Mephisto" Klaus Maria Brandauer, nach pflichtschuldiger Abstattung des Dankes an die Akademie, frohgemut ein Tänzchen aufführen? Es kam, wie wir wissen, anders. Immerhin hielt Felix Kammerer (Im Westen nichts Neues) Tuchfühlung mit der Welt des Kintopps.

In der innigen Beziehung, die die Österreicherinnen und Österreicher zu ihren Stars pflegen, finden sich Reste der Heiligenverehrung. Des Segens durch unsere Märtyrer versichern wir uns, indem wir ihre Knöchelchen aufbewahren. Als kleiner Babyboomer spazierte ich, unseres Pudels wegen, häufig an der Hand meiner Mutter: Wir durchquerten das sogenannte Hietzinger "Cottage".

Nicht nur der Klang des Wortes, ausgesprochen wie "Kombinege", erinnerte an die knisternden Unterkleider leichtlebiger Pariserinnen. Mit dem Finger wies die Frau Mama auf Publikumslieblinge, die geschäftig ihre Villen in Richtung Rosenhügel-Studios verließen. Der eine hatte dem Genre des Förster-Films durch beherztes Flintenfeuer Glanzlichter aufgesetzt. Ein anderer hatte es in der Kunst des Nuschelns zu beängstigender Meisterschaft gebracht. Beim Fleischhauer erkundigte sich ein solcher Volksschauspieler übellaunig nach der Beschaffenheit der Innereien.

Gezeichnet am Stock

Dazwischen sah man Filmschönlinge, die gezeichnet waren und am Stock gingen. Die ehrfürchtigen Grußworte Vorübergehender nahmen sie ungerührt entgegen. Man begegnete auch Jungspunden wie André Heller: Die Ära von Reformkanzler Kreisky war da kaum noch zur Hälfte vorüber. Heller, ein Sendbote des Raimund’schen Feenreiches, war bestimmt gerade dabei, John Lennon auf dem Flughafen Wien-Schwechat abzuholen. Wahrscheinlich wollte er ihm auf dem Zentralfriedhof das Grab von Operettenkönig Robert Stolz zeigen. Aber wer weiß, vielleicht führte ihn sein Weg auch nur schnurstracks in die nächste Rahmenhandlung. (Ronald Pohl, 15.3.2023)