Wien – Hans Peter Doskozil will es wissen. Der burgenländische Landeshauptmann legte sich am Dienstagnachmittag fest: Nach jahrelangen Querschüssen gegen die aktuelle SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will er nun selbst in die erste Reihe vorrücken und SPÖ-Bundesparteivorsitzender werden. Das teilte er der Parteispitze am Dienstag in einem Brief, der dem STANDARD vorliegt, mit.

Hans Peter Doskozil tritt an: Er will den SPÖ Parteivorsitz übernehmen.
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An die Mitglieder des Parteipräsidiums und den Vorstand schrieb Doskozil: "Ich habe mich entschlossen, mich für den Parteivorsitz der SPÖ zu bewerben." Doskozil will jedoch das Match nicht, wie von seiner Gegnerin Rendi-Wagner präferiert, auf einem Parteitag austragen, sondern verlangt zur Entscheidung einen Mitgliederentscheid.

"Das war zu erwarten. Jetzt liegen die Karten auf dem Tisch", reagierte die SPÖ-Bundespartei in einem schriftlichen Statement auf die Kandidatur. Umso wichtiger seien die von der Parteivorsitzenden einberufenen Sitzungen, "um all diese Fragen zu klären und zu besprechen". Mehrheiten würden über die weitere Vorgehensweise entscheiden, so "wie es in einer demokratischen Partei üblich ist".

"Desaströses Bild"

"In der Öffentlichkeit geben wir als SPÖ ein desaströses Bild ab", betont Doskozil in seinem Schreiben. "Daran haben auch mein Team und ich unseren Anteil", räumt er ein, "wobei es uns nie darum gegangen ist, auf einer persönlichen Ebene zu agieren". Es sei jedenfalls "hoch an der Zeit, hier einen Schlussstrich zu ziehen".

VIDEO: Rendi-Wagner warnt bei der SPÖ-Klubtagung vor einem Rechtsruck in der eigenen Partei.
DER STANDARD

Präsidium tagt am Mittwoch

"Ich habe mich daher nach Rücksprache mit meinen Freundinnen und Freunden der SPÖ Burgenland entschlossen, mich mit unserem Programm, unseren Inhalten und einem breiten Team, das ich noch vorstellen werde, für den Parteivorsitz der SPÖ zu bewerben", kündigt Doskozil an. Dazu werde er dem am Mittwoch tagenden SPÖ-Bundesparteipräsidium einen "Mitgliederentscheid nach §24 des Organisationsstatuts" vorschlagen.

Mit einer "Urabstimmung" sei "die nötige Klarheit gegeben, damit unsere Genossinnen und Genossen in Salzburg ungestört die Wahlen am 23. April schlagen können", zeigte sich Doskozil überzeugt. "Für eine Wahl auf einem überhastet organisierten Sonderparteitag, der nicht im Sinne unserer Salzburger Freundinnen und Freunde ist, stehe ich nicht zur Verfügung", ließ Doskozil wissen.

Und Salzburg hatte sich bereits gegen einen Sonderparteitag "im Umfeld unserer Wahl" ausgesprochen. "Ich bitte schon um Ruhe bis zu unserer Wahl", sagte der Salzburger SPÖ-Chef David Egger am Dienstag zur "Presse". Und: "Manche scheinen noch nicht mitbekommen zu haben, dass wir bald wählen." Salzburg wählt am 23. April einen neuen Landtag. Auch Egger hatte sich am Dienstag für eine Befragung der Mitglieder ausgesprochen.

"Die SPÖ steckt derzeit unbestritten in einer Krise", schreibt Doskozil in seinem Brief an die Bundespartei. Es gebe "tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten über die thematische Ausrichtung" der Partei. Und "ja, diese Uneinigkeit wird auch mit Personen verbunden", argumentiert Doskozil. Und stellt klar: "Aber nein, es ist kein Rosenkrieg."

Im Kern gehe es "ausschließlich" um die Frage, mit "welchen konkreten Programmen und Maßnahmen wir als SPÖ auf die konkreten Sorgen der Menschen in Österreich reagieren wollen". In der aktuellen Situation werde eine Neuauflage von Schwarz-Blau immer wahrscheinlicher, findet der Burgenländer, wenn die SPÖ keine "glaubwürdige Alternative anbieten könne". Um eine Koalition von ÖVP und FPÖ nach der Nationalratswahl, die planmäßig 2024 stattfindet, abzuwehren, brauche es "eine innerparteiliche Geschlossenheit, die nur durch eine Klärung der wichtigsten inhaltlichen Fragen zu erreichen ist".

Wiener Show vor rotem Showdown

Wenige Stunden davor war die Welt im Team der aktuellen SPÖ-Bundesparteichefin Rendi-Wagner noch in Ordnung. Im burgenländischen Frauenkirchen trat sie selbstbewusst und siegessicher auf. Tina Turners Hit "Simply the Best" schallte aus den Boxen des Seminarraums in der St.-Martins-Therme in Frauenkirchen, als Rendi-Wagner und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig bei der Klubklausur der Wiener Genossen Einzug hielten. Bussis flogen ebenso hin und her wie Schmeicheleien. Die SPÖ-Chefin bedankte sich beim Wiener Bürgermeister, dass dieser – "ein Mann mit Anstand und Charakter" – stets zu ihr gestanden sei. Der Angesprochene revanchierte sich mit Wunsch, dass Rendi-Wagner als "erste gewählte Kanzlerin" in die Geschichte eingehen möge.

Die Kandidatur Doskozils sprengte dann aber plötzlich die Klubtagung der SPÖ Wien. Und da trat Ludwig am Dienstagabend noch einmal hinter das Rednerpult. Er habe es "wahrgenommen", dass Doskozil kandidiere. Das "bietet die Möglichkeit, eine Entscheidung herbeizuführen". Er werde in den Gremien am Mittwoch darauf drängen, dass es rund um den Chefposten rasch zu einer Entscheidung komme. Die SPÖ dürfe sich nicht mit "Internas" beschäftigen. Man müsse sich personell stark aufstellen. Als SPÖ Wien wolle man eine "sehr starke Meinung abgeben" in den Gremien. Für wen, das sagte Ludwig vor seinen Genossinnen und Genossen am frühen Abend aber nicht mehr. Fragen durften nicht gestellt werden.

Ludwig kritisierte am Abend zudem, dass die von der Wiener SPÖ am Dienstag präsentierten Entlastungsmaßnahmen wie ein 200-Euro-Bonus für 650.000 Wiener Haushalte durch Doskozils Ankündigung "nicht den Stellenwert findet, die sie verdienen würden".

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig hofft auf eine "schnelle" Entscheidung.
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Dabei war es Rendi-Wagner selbst, die den Showdown mit Doskozil angebahnt hat. Die ständigen Quertreibereien aus den eigenen Reihen müssten ein Ende haben, forderte sie nach der Wahlniederlage in Kärnten und drängte auf eine Klärung der seit Jahren schwelenden Führungsdebatte. Zu genau diesem Zweck lud sie am Mittwoch Präsidium und Vorstand der SPÖ ein – und zitierte auch Doskozil per Brief dorthin.

In den Spitzengremien soll ein "Fahrplan" bestimmt werden, wie die Entscheidung über die Nummer eins in der Partei zu fallen hat. Das Lager rund um Rendi-Wagner will einen Parteitag, das Team Doskozil will die Mitglieder befragen.

Parteitag oder Mitgliederentscheid?

Ein Sonderparteitag verspricht eine relativ rasche Klärung, denn ein solches Sonderevent muss binnen zwei Monaten stattfinden. Vorteil für Rendi-Wagner: Gegenkandidaten haben wenig Zeit, sich zu profilieren. Allerdings müsste der Sieger oder die Siegerin auch noch den regulären Bundesparteitag 2024 gut überstehen, um die SPÖ in die nächste Nationalratswahl zu führen. Eine Alternative wäre, den planmäßigen Parteitag vorzuverlegen. Doch da beträgt die Frist nicht höchstens, sondern mindestens zwei Monate. Der Führungsstreit würde sich in die Länge ziehen.

Offizielle Rivalen: Doskozil und Rendi-Wagner.
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Dritte Variante ist, die Mitglieder zu befragen. Da entscheiden nicht nur die für den Parteitag delegierten Funktionäre, sondern alle Parteibuchbesitzer. Vertrackt wird die Lage hingegen, wenn der Vorstand keine einhellige Linie findet. Eine Mitgliederbefragung wie auch ein Mitgliederentscheid lässt sich auch gegen eine Mehrheit im Spitzengremium durchsetzen: Für die Mitgliederbefragung reichen fünf Prozent aller SPÖ-Mitglieder, sofern in wenigstens drei Landesorganisationen zumindest 25 Prozent zustimmen – sie ist nicht bindend. Ein Mitgliederentscheid muss auf Verlangen von mindestens zehn Prozent der Mitglieder erfolgen. Ebenfalls müssen mindestens 25 Prozent aus mindestens drei Landesorganisationen dafür sein. Der Mitgliederentscheid ist bindend, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder abgestimmt haben. Allerdings: Laut Statut der SPÖ darf der Mitgliederentscheid keine Themen befassen, die einem anderen Gremium zugeordnet sind – das ist etwa die Wahl des Parteivorsitzes. (Gerald John, Oona Kroisleitner, David Krutzler, 14.3.2023)