Die GIS und ihr Außendienst – hier in einer fiktiven STANDARD-Illustration – sorgen auf den letzten Metern in gewohnter Form für Irritationen.

Illustration: STANDARD / Marie Jecel

Der Mann von der GIS tauchte auf, als die Frau und ihr Freund gerade die Wohnung verlassen wollten. Er drängte sie forsch zur Unterschrift auf dem Tablet, sagt sie – obwohl sie erklärte, sie habe kein Rundfunkempfangsgerät. Prompt bekam sie eine Zahlungsaufforderung. Ein Missverständnis, sagt die GIS auf STANDARD-Anfrage. Ihr Rechtsanwalt sieht das anders – es ist der renommierte Rundfunkrechtler, langjährige ORF-Administrationschef und frühere GIS-Aufsichtsrat Wolfgang Buchner. Er war Verfasser des geltenden Rundfunkgebührengesetzes.

"Falsche Angaben"

"Ihr Beauftragter hat unter falschen Angaben und durch Druckausübung eine Unterschrift erschlichen", formuliert Buchner in seinem Beschwerdeschreiben an die GIS: "Für den Vorfall gibt es zwei Zeugen. Ich fordere Sie auf, die 'Anmeldung', die keine war, als gegenstandslos zu betrachten und das Verfahren einzustellen."

"Missverständnis"

Das Schreiben ging am 21. Februar an die GIS, bis Freitag hatte Buchner noch keine Antwort erhalten. DER STANDARD bat GIS-Geschäftsführer Alexander Hirschbeck um Stellungnahme zu dem Vorfall. Er reagierte prompt: "Scheinbar ist es in diesem Fall zu einem Missverständnis gekommen." Und: "Aufgrund dieses Missverständnisses werden wir unseren Mitarbeiter zur Sicherheit in der Form der Gesprächsführung nachschulen."

Die GIS-Gesetzeslage ...

Die ORF-Gebührentochter darf nach geltendem Recht GIS-Gebühren nur von Haushalten verlangen, in denen es betriebsbereite Rundfunkempfangsgeräte gibt. Der Außendienst versucht das – auch mit nicht selten irritierenden Hausbesuchen – herauszufinden. Sie haben kein Recht auf Einlass in die Wohnung. Für Unterschriften erhalten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Provisionen, sie bestätigen GIS-Anmeldungen. Die Provision gibt es unabhängig davon, ob die GIS mit Einlangen der (bisweilen unerwarteten) Meldebestätigung gleich wieder abgemeldet wird, weil man keine entsprechenden Geräte besitzt und man Programme nur streamt.

... und die geplante Haushaltsabgabe für alle

Die aktuelle GIS-Regelung mit Ausnahme für Streamingnutzung hat der Verfassungsgerichtshof mit Ende 2023 aufgehoben. Bis 2024 braucht es eine neue ORF-Finanzierung, die so wesentliche Nutzungswege nicht ausnimmt. Geplant ist eine Haushaltsabgabe für alle Haushalte unabhängig vom Empfang – bis auf Befreiungen für Einkommensschwache. Über diese Neuregelung verhandeln gerade ÖVP und Grüne; Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat sich für eine Haushaltsabgabe ausgesprochen, die Grünen sind ebenfalls dafür.

Bis zum Inkrafttreten der neuen Abgabe für alle gilt aber noch die bisherige GIS-Regel – und der Außendienst der GIS ist offenkundig noch munter unterwegs. Wie in diesem von Anwalt Buchner dokumentierten Fall:

Was ist da auf dem Gang passiert?

Die Frau – Name der Redaktion bekannt – verließ am 25. Jänner 2023 ihre Wohnung mit ihrem Freund. Der GIS-Mann trat dazu. Was weiter geschah, schildert die Frau nach Angaben ihres Anwalts so:

  • Der GIS-Beauftragte habe sich zunächst an den Freund mit der falschen Behauptung gewandt, dieser sei etwas schuldig.
  • Dann habe er die Frau nach ihren Daten gefragt, weil sie im Hause wohne.
  • Er habe behauptet, es sei gesetzliche Pflicht, ihm darüber Auskunft zu erteilen.
  • Die Frau erklärte wahrheitsgemäß, dass sie keine Rundfunkempfangsgeräte besitze und betreibe.
  • Der GIS-Mann soll daraufhin erklärt haben, dass sie und ihr Freund doch gewiss Internet hätten.
  • Auf den Einwand, dass dafür keine Gebühr zu zahlen sei, habe der GIS-Mann erklärt, das werde ab März neu eingeführt und sei damit schon fällig.
  • Ohne nähere Information habe der GIS-Beauftragte der Frau daraufhin eine Unterschrift abverlangt. Sie unterschrieb laut Buchner in der falschen Annahme, es handle sich um die Angabe der Tatsache, dass sie an der genannten Adresse wohne.
  • Der GIS-Beauftragte habe dann noch unzutreffend erklärt, als Studentin sei die Frau ohnehin von der GIS befreit.
  • Die Frau sei dem GIS-Mann noch im Stiegenhaus nachgeeilt und habe ihn gefragt, ob das nötig sei, wo sie doch keine Empfangsgeräte habe.
  • Antwort laut dieser Schilderung: Das ändere nichts.

Was sagt der GIS-Chef dazu?

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im GIS-Außendienst besuchten "Standorte" ohne GIS-Meldung, erklärt GIS-Geschäftsführer Alexander Hirschbeck auf STANDARD-Anfrage zu dem Vorfall: "Die GIS ist nach dem Rundfunkgebührengesetz verpflichtet, alle Rundfunkteilnehmer zu erfassen. Dabei ist uns korrektes Verhalten und Auftreten unserer Mitarbeiter sehr wichtig."

Scheinbar sei es in diesem Fall zu einem Missverständnis gekommen, räumt Hirschbeck ein. Er hat bei dem Mitarbeiter nachgefragt, der die Situation so schildere:

Er habe das Gespräch gesucht und wollte herausfinden, ob an dem Standort Rundfunkempfangsanlagen betrieben oder betriebsbereit gehalten werden. Die Frau habe auf dem Tablet eine Rundfunkanmeldung für Radio und Fernsehen unterschrieben.

"Teilnehmer weiß, was er unterschreibt"

Hirschbeck betont: "Der Bildschirm ist zweigeteilt – links sieht der Teilnehmer seinen Namen, Adresse, Geburtsdatum, das Produkt (Radio und Fernsehen) und die Zahlungsmodalitäten. Rechts ist das nicht veränderbare Unterschriftenfeld; in diesem steht der Passus: Anmeldung der Rundfunkempfangsgeräte. Wenn auf dem Tablet unterschrieben wird, weiß der Teilnehmer was er unterschreibt."

Der Außendienstmitarbeiter habe zuerst die Daten – Adresse, Name und Geburtsdatum – mit der Frau abgeglichen, habe über die Meldepflicht informiert und angefragt, ob Rundfunkempfangsgeräte betrieben werden.

Er habe auf Anfrage, wie das neue Gesetz aussehen würde, erklärt, dass er es nicht wisse, aber es wahrscheinlich im März beschlossen würde und dann im Jänner 2024 gelten solle.

Hirschbeck fügt an: "Im Bedarfsfalle informieren unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnern im Außendienst auch über die Möglichkeit einer Gebührenbefreiung und übergeben einen Antrag auf Befreiung. Nähere Informationen dazu können auf unserer Homepage unter www.gis.at/befreiung abgerufen werden."

Der GIS-Geschäftsführer erklärt: "Aufgrund dieses Missverständnisses werden wir unseren Mitarbeiter zur Sicherheit in der Form der Gesprächsführung nachschulen."

Prämienmodell für GIS-Außendienst

Auf eine frühere STANDARD-Anfrage bestätigte der GIS-Geschäftsführer ein "Prämienmodell" für besondere Leistungen des Außendienstes, das sich vor allem auf Neuanmeldungen beziehe. Er bestätigt, dass spätere Abmeldungen nach dem Hausbesuch keinen Einfluss auf diese Prämien hätten. Über die Höhe der Prämien machte er auf Anfrage keine Angaben.

"Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst informieren im Rahmen von Kundenbesuchen Haushalte, die nicht bei der GIS registriert sind, über die gesetzliche Melde- und Gebührenpflicht", erklärte Hirschbeck auf die STANDARD-Anfrage nach Provisionen pro Unterschrift: "Sie beraten und unterstützen bei der erstmaligen Anmeldung der Rundfunkempfangsgeräte an einem Standort als auch bei Anliegen, wie einer Adress- oder Namensänderung etc."

"Entscheidend ist das korrekte Zustandekommen"

Der GIS-Chef: "Für diese Tätigkeit bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein ganz normales Fixum laut Kollektivvertrag bezahlt. Zusätzlich gibt es noch ein Prämienmodell zur Motivation für besondere Leistungen, bei welchem natürlich auch ein Fokus auf die Neuanmeldungen gelegt wird."

Und wie ist das, wenn sich Kunden gleich nach der Unterschrift und der ersten Vorschreibung abmelden: "Wenn Kunden eine Bestätigung für einen Ausbau für TV-Tuner nachliefern, eine Befreiung beantragen oder die Geräte entfernen und wieder abmelden, dann hat dies im Prämienmodell keine Relevanz. Entscheidend ist das korrekte Zustandekommen der Anmeldung zum Zeitpunkt der Durchführung."

Im Fall der jungen Frau hatte der Anwalt und frühere ORF-Justitiar Wolfgang Buchner so seine Zweifel am korrekten Zustandekommen der Anmeldung. (Harald Fidler, 15.3.2023)