Die Debatte wurde bereits mit viel Emotionen geführt, Deutschland hat sie mit der Verweigerung seiner Zustimmung zum endgültigen Aus für Verbrenner im Jahr 2035 erneut befeuert. Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte der EU-Kommission mitgeteilt, man brauche eine Lösung, die die Zulassung für Verbrenner, die mit sogenannten E-Fuels betankt werden, über das Jahr 2035 hinaus erlaubt. In Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat Wissing einen Verbündeten. Der hat in seiner "Rede zur Zukunft der Nation" erklärt: "Auch ich werde mich dagegen aussprechen, den Verbrennungsmotor zu verbannen." Nehammer trug das umgehend Kritik seitens der grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler ein.

Das Verbrenner-Aus, dessen Beschluss Anfang März in Brüssel zunächst als reine Formalie galt (und das aufgrund der Abgsmanipulationen der Autobauer, schneller und radikaler kommen sollte als ursprünglich gedacht; Anm.) liegt nun vorerst auf Eis. EU-Parlament und Mitgliedsstaaten hatten sich bereits im Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Doch die Zahl der Länder, die Einspruch erheben, wächst.

Eigentlich hatten sich Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedsstaaten bereits geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Jetzt wird wieder diskutiert, wie zielführend das ist.
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FÜR: Aus klimatechnischer Sicht führt kein Weg daran vorbei, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor von den Straßen verschwinden. Fast ein Drittel der CO2-Emissionen der EU haben 2020 überwiegend fossil betriebene Pkws und Nutzfahrzeuge in die Luft geblasen.

Zwar haben sich Motoren und Abgastechnik verbessert, Autos sind sauberer geworden, andererseits ist das Verkehrsaufkommen gestiegen – und Autos wurden immer leistungsstärker. Damit ist auch der Kraftstoffverbrauch gestiegen. Für die österreichische Treibhausgasbilanz prognostiziert das Wifo für 2024, dass durch steigenden Kraftstoffumsatz wieder mehr CO2 ausgestoßen wird. Es muss also etwas geschehen. Das Verbrennerverbot gilt Klimafachleuten als Meilenstein. Das Ziel von null CO2-Emissionen aus Neuwagen ab 2035 will die EU auch durch rascheren Umstieg auf E-Autos erreichen. Zwar ist deren Ökobilanz je nach Produktion und verwendetem Strom auch nicht blütenrein, über die Lebensdauer sind sie aber jedenfalls umweltfreundlicher, was den C02-Ausstoß betrifft.

Die Industrie verlangt allerdings Technologieoffenheit. Deutschland fordert, dass Verbrenner, die mit E-Fuels betankt werden, über 2035 hinaus erlaubt sein sollen. Deren energetische Bilanz ist durchwachsen: Für das Fahren mit E-Fuels braucht es fünfmal so viel Energie wie für die direkte Nutzung von Strom.

WU-Klimaexpertin Sigrid Stagl ortet eine "interessengeleitete Verzögerungstaktik, die die nötige Klimapolitik gefährdet". Auch der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer fürchtet, dass "der Weg in die E-Mobilität und damit gegen den Klimawandel aufgehalten wird". Viele Autobauer sind auf E-Mobilität umgeschwenkt. Für sie bedeutet die Verzögerung ein gestiegenes Risiko, ob sie mit ihren Investitionen auf das richtige Pferd setzen.

WIDER: Weltweit sind auf den Straßen rund 1,4 Milliarden Verbrenner unterwegs, in Österreich sind es rund fünf Millionen. Eine Menge Fahrzeuge, die künftig durch Stromer ersetzt werden sollen. Der Haken daran ist nicht nur die viel zu langsam wachsende Infrastruktur wie Ladestationen und Co. Selbst wenn Österreich, anders als die meisten Fachleute meinen, das mit mehr E-Autos einhergehende höhere Stromaufkommen stemmen kann: Soll E-Mobilität wirklich umweltfreundlich sein, braucht es dafür grünen Strom.

"Beim aktuellen Energieverbrauch (70 Prozent kommen aus fossiler Energie wie Gas oder Öl) haben wir überhaupt keine Chance, bis 2050 oder gar noch früher auf rein nachhaltige Energie umzusteigen", urteilt Bernhard Geringer vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien. Geringer ist überzeugt, dass es eben auch E-Fuels braucht, um die bestehenden Flotten ökologischer zu betreiben, um damit die Klimaziele insgesamt zu erreichen. E-Fuels, synthetische Kraftstoffe, die im Labor hergestellt und in die Tanks herkömmlicher Verbrenner gefüllt werden können, könnten dazu beitragen. "Wir brauchen wirklich alle Alternativformen", sagt Geringer.

Das Verbrennerverbot ist aus seiner Sicht "ein völlig verzerrtes Scheinthema und ein Nebenschauplatz". Man müsse sich vielmehr darum kümmern, dass ausreichend bezahlbare grüne Energie vorhanden sei. Davon sei Europa weit entfernt. Europas Politik habe sich "in eine totale Wunschwelt verirrt", wenn sie glaube, mit E-Mobilität allein sei das Ruder im Kampf gegen die Klimakrise herumzureißen. "Das ist leider wissenschaftlich nicht haltbar." Ohnehin führt kein Weg daran vorbei, dass in Sachen Klimaschutz auch andere große Player wie China und Indien an Bord kommen. (Regina Bruckner, 15.3.2023)