Es gibt in Europa erfolgreiche sozialdemokratische Parteien, in Finnland, Dänemark oder Spanien. Die eine oder andere wird von einer Frau an der Spitze geführt. Weil diese mutig und änderungsbereit sind, gewannen sie Wahlen und führen auch die Regierungen ihres Landes an.

Einmal den Blick ins Ausland zu den Schwesterparteien wagen: SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner.
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Die SPÖ und ihre Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner gehören nicht dazu.

Genossen in Österreich können nur davon träumen, dass sie nach den Wahlen dem Land ihren Stempel aufdrücken werden, wie Sanna Marin in Finnland bzw. Mette Frederiksen in Dänemark.

Seit der Wahlniederlage 2017, nach drei Regierungswechseln und fünf Kanzlerrochaden, Dauerstreit in der schwarz-grünen Koalition, stagniert die SPÖ als größte Oppositionspartei im Parlament. Sie kämpft nach jüngsten Umfragen mit der ÖVP um Platz zwei, nicht um den Wahlsieg 2024. Die FPÖ ist vorn.

Wie kommt das? Folgt man den Spindoktoren in der Parteizentrale, hat die Misere eine zentrale Ursache: Hans Peter Doskozil. Weil der rote Landeshauptmann des Burgenlandes gegen den Kurs der Vorsitzenden intrigiere, fehle es an "Geschlossenheit". Rendi-Wagner warf der Landes-SPÖ sogar "schmutzige Methoden" und Hinterhältigkeit vor. Doskozil solle "in den Gremien" kritisieren.

So geht die perfekte Wählerabschreckung, mit dem Ego-Motto: Ich oder er! Sie hat sich verschätzt. Der Mann aus der Provinz will es wissen. Am Dienstag bewarb er sich offiziell um den Parteivorsitz. Er weiß um die Schwächen Rendi-Wagners. Wer 2024 als Spitzenkandidat in die Wahl gehen wird, entscheiden die Basis oder ein Parteitag.

Innerparteiliche Grabenkämpfe

Die Funktionäre in Präsidium und Vorstand wären gut beraten, über den Tellerrand hinaus ins Ausland zu den Schwesterparteien zu schauen. Sie können dort studieren, was strukturell, inhaltlich und personell falsch lief; warum die SPÖ nicht abhob; was die Partei braucht bzw. vermeiden muss.

Es gibt abschreckende Beispiele, siehe Frankreich oder die Niederlande. Die Sozialisten an der Seine verirrten sich 2017 in brutalen Flügelkämpfen, der linke Flügel obsiegte, die Mitte war weg. Davon profitierte Emmanuel Macron. Er gewann die Präsidentenwahl mit einer Art Jugendbewegung und Social Media. Die Sozialisten sind heute politisch tot.

Innerparteiliche Grabenkämpfe ohne Ausgleich enden fatal. Diesbezüglich hat Rendi-Wagner versagt. Sie schaffte es nicht, die "Rechten" in der SPÖ einzubinden, neue, unverbrauchte Talente aufzubauen, schottete sich mit Getreuen ab, scheute die öffentliche Debatte.

Wie es anders geht, zeigte sich in Dänemark. Auch dort stritten die Sozialdemokraten offen über die "richtige" Migrationspolitik. Premierministerin Frederiksen setzte sich durch, durchbrach den Abwärtstrend.

In Finnland kann man lernen, wie die junge Parteichefin Marin, die 2019 in einer Kampfabstimmung an die Parteispitze kam, es schafft, Gegensätze zu überbrücken, Tabus zu brechen: mit Geschick und Mut. Sie führt eine Koalition aus nicht weniger als fünf Parteien. Vor zehn Monaten kippte sie die Neutralität und zog den Nato-Beitritt durch.

Im Vergleich dazu wirkt Rendi-Wagners "Gremienmanagement" altbacken und hilflos. Es fehlte an Leadership, die Partei breit aufzustellen. Das nutzt Doskozil. Ob er es besser könnte? Wird man sehen. So wie sie sich gerade präsentiert, ist die SPÖ keine Partei auf der Höhe der Zeit, egal wer sie führt. (Thomas Mayer, 15.3.2023)