Für Menschen, die gerne Parfum tragen, gehört es zum Morgenritual: das Nachdenken darüber, welches Parfum es denn an diesem Tag sein darf. Abhängig von Stimmung, Terminen, Jahreszeit oder auch dem Outfit wird man einen bestimmten Duft wählen.

Ceromitzu serviert Semih Aybar mit Kaffeerauch.
Foto: Philipp Kling

Auch in der Barwelt wird vermehrt zu Parfumflaschen gegriffen und – passend zum jeweiligen Cocktail – mit Düften gearbeitet. Berühmt für seine Kreationen ist beispielsweise Emanuele Balestra, der in Cannes in der Bar im Hotel Le Majestic arbeitet und in seinem Labor eigene Düfte kreiert. Pflanzen wie Verbene, Lavendel, Basilikum oder auch Zitrusfrüchte baut er im hoteleigenen Garten an, beraten ließ er sich von Spezialisten aus der "Parfumhauptstadt" Grasse.

In Wien arbeitet Semih Aybar gerne mit Düften und Rauch. Er betreibt seit 2021 mit Geschäftspartnerin Sherry Guo die Plus 43 Speakeasy Bar in der Westbahnstraße und schwärmt von den Möglichkeiten, die Düfte bieten. Damit könne man Drinks perfektionieren und ihnen einen besonderen Twist verleihen, aber auch spektakuläre Momente inszenieren.

Rosen, Absinth, Bergamotte

Für einen stilvollen Auftritt in der Bar kauft Aybar auf dem Flohmarkt besondere Einzelstücke von Vintage-Parfumflakons. Diese befüllt er mit den eigens kreierten Essenzen zum Veredeln der Cocktails. Die Düfte kommen bei ihm auf unterschiedliche Art und Weise zum Einsatz. Bei Drinks ohne Eis besprüht der Barbesitzer gerne bereits das leere Glas, sonst erfolgt das beim Servieren. Und mit einem Duft lässt sich auch etwas kaschieren. Bei einem Whisky-Sour mit Eiweiß beispielsweise überdeckt Bergamottenessenz den Eiweißgeruch.

Aybar ist jemand, der die Gäste gerne überrascht oder kurz irreführt. Ein Sprüher Absinth auf einem Drink könnte Leute glauben lassen, dass Anis im Cocktail sei, um dann beim ersten Schluck zu merken, dass dem ganz und gar nicht so sei. "Ich will damit auch vermitteln: Urteile bitte nicht vorschnell", erklärt er.

Sehr gerne setzt Semih Aybar bei seinen Drinks Rauch ein – in der Plus 43 Speakeasy Bar hat er hierfür die Wahl zwischen zwei Geräten. Im sogenannten Flavour Blaster, der wie ein großer Bunsenbrenner aussieht, werden Aromafläschchen eingesetzt. Durch Erhitzen wird aromatisierter Rauch erzeugt, von Kaffee- über Bergamotten- bis zu Beerenaroma.

Persönlich bevorzugt er eine Smoking Gun, wie sie auch in Restaurants zum Aromatisieren von Fisch oder Desserts verwendet wird. Bei der Smoking Gun greift er zu Apple-Chips, Cherry-Chips, Kräutern wie Salbei und Rosmarin oder getrockneten Orangen. Diese werden im Gerät verbrannt und der Rauch über einen Schlauch ausgeleitet. Zu intensiv darf das Holzaroma aber nicht sein. Als Beispiel nennt Aybar Sandelholz: Das dürfe man nur ganz kurz einsetzen, sonst wird ein bitterer Nachgeschmack erzeugt.

Großer Auftritt

Wie beim Flavour Blaster ist auch beim Arbeiten mit der Smoking Gun nicht nur der Geschmack wichtig, sondern auch der Effekt. Ein Drink, unter einer Glashaube voller Rauch serviert, macht Eindruck. Mit dem Flavour Blaster wiederum lassen sich große Blasen erzeugen, die bei den Gästen ebenfalls sehr gut ankommen. Und für die Menschen hinter der Bar ist diese Art, Cocktails zu inszenieren, eine willkommene Abwechslung. Generell sei Rauch in der Barwelt gerade international ein Trend, erzählt Aybar.

Für die Zukunft plant der junge Barbesitzer die Einrichtung eines Labors, in dem er weiter experimentieren kann. Dass ihm Geruch und Geschmack besonders wichtig sind, zeigt auch die Tatsache, dass er in seiner Bar einen Diffusor einsetzt, der störende Düfte neutralisieren soll. Vor dem Barbesuch sollte man beim Auftragen des eigenen Parfums also lieber Vorsicht walten lassen, sonst geht womöglich ein Teil des Geruchs- und Geschmackserlebnisses verloren, oder – noch schlimmer – die kostbare Essenz wird neutralisiert. (RONDO Exklusiv, Petra Eder, 30.3.2023)