Strolchi, von seiner Zucht her "Strolch von Schusterstein", im sogenannten steirischen Kabinett auf Schloss Tillysburg.
Foto: Nathan Murrell,

Der Wind weht frisch an diesem Morgen. Erpfeift durch eine Allee aus Linden, die zu Schloss Tillysburg in der Gemeinde St. Florian führt. Die Bäume stehen dem Besucher Spalier. Der Mantelkragen wird besser hochgeschlagen. Es scheint, als existiere hier weit und breit keine Menschenseele. Auch der Parkplatz zeigt sich verwaist. Irgendwie gespenstisch. An der stattlichen Pforte des Schlosses angelangt, öffnet sich diese wie durch Geisterhand. Der Geist stellt sich als Imma Walderdorff heraus. Die Kunsthistorikerin arbeitet im Landeskonservatorat für Oberösterreich. Ihr Dackel Strolchi, dessen Rute aufgeregt an seinem Hintern wirbelt, ebenso. Quasi. Doch dazu ein wenig später.

Der Wind, der auch vor den Mauern des Schlosses nicht haltmacht, lässt Strolchis Ohren wie kleine Segel abheben. Der Rest bleibt standhaft auf vier Pfoten, mitten im imposanten Innenhof des Vierflügelbaus mit seinen 36 Granitsäulen, auf denen Lauben mit Rundbögen ruhen.

Dackelblick im Schloss

Für einen Montagmorgen erstaunlich gut gelaunt, galoppiert das fellige Kerlchen die steinernen Treppen des Schlosses empor, vorbei an Stuck, Türen mit Intarsien, Flachreliefs und viel Prächtigem mehr. Allesamt aus einer anderen Zeit. Apropos: Hätten nicht bereits Strolchis Vorfahren den Dackelblick erfunden, wäre ihm diese Aufgabe bravourös gelungen. Während er seine Vorderbeine auf die Knie des Besuchers stemmt, schaut er drein, wie sich Bryan Ferry anhört, wenn er "Jealous Guy" singt.

In den Tillysaal abgebogen, geben Strolchis Pfoten ein feines, fast zartes Geräusch von sich, als sie über ein altes Nussholzparkett trappeln. Die Wand ziert ein Gemälde des Feldherren Tilly aus dem 17. Jahrhundert. Vier Jahrhunderte später haben sich Imma Walderdorff und der Zwerg-Rauhaardackel hier im Schloss eine Garçonnière als Zweitwohnsitz genommen.

Kunsthistorikerin Imma Walderdorff und Assistent Strolchi bei der Arbeit. Zu Schnüffel-Übungszwecken werden künstliche Käfer-Pheromone versteckt – und gefunden. Meistens.
Foto: Nathan Murrell,

Strolchi ist nicht irgendein kleiner Kläffer, auch wenn sein Frauchen meinte, "er habe sie ganz gut erzogen". Der Startschuss für die Karriere des Vierjährigen als Agent im Dienste des Bundesdenkmalamts fiel mit einer Idee der Konservatoratsleiterin Petra Weiss, der Chefin von Imma Walderdorff. Wenn Hunde Drogen, Trüffel oder Sprengstoff erschnüffeln, warum nicht auch Holzschädlingen per Nase auf die Spur kommen? Dem Hund ist es letztlich einerlei, wofür er seine Leckerlis bekommt.

In einer ersten Übungsphase kamen Fenchelteebeutel als Trainingsmaterial zum Einsatz, später wurde ein künstliches Sexualpheromon, nämlich jenes der Käferart Hausbock, herangezogen. Erstaunlich, was sich alles im Internet bestellen lässt. Es wurde geübt und geübt und gelobt und belohnt. Mittlerweile kommt Strolchi auf die Spur des gemeinen Nagekäfers oder des Hylotrupes bajulus, wie das Ungeziefer namens Hausbock lateinisch genannt wird, was Strolchi schnurzegal sein dürfte. Hauptsache, es raschelt im Leckerli-Beutel.

Cary Grant der Zwergdackel

Bei der exklusiven Probevorführung kommen kleine, mit dem Pheromon versehene Watte- und Wurmholzstückchen zum Einsatz, die Walderdorff zuvor im sogenannten steirischen Kabinett versteckt hat. Ostereier suchen für Vierbeiner sozusagen. Strolchis Halsband zieren, als stehe er in Diensten einer Spezialeinheit, die Buchstaben B, D und A, die Buchstaben des Bundesdenkmalamts. Dann geht’s los mit dem künstlichen Ruf der Wildnis. Er tapst hin und her, vor und zurück, dann auch mal im Kreis. Bleibt cool.

Er schnüffelt an Sesseln, Tischen und Kommoden, bläst sanft aus seiner Nase, saugt ein und beäugt seine Chefin, der er ein treues Gefolgsmännlein zu sein scheint. Ein Motivationsleckerli könnt’ dennoch nicht schaden. Luftströmungen im kalten Schloss erschweren ihm sein Handwerk, doch dann … er verharrt an einem Tischbein … und Bingo, Volltreffer, es kommt zur sogenannten "Anzeige", wie dies im Fachjargon genannt wird. Diese erfolgt nicht etwa durch lautes Kläffen, Heulen oder einen aufgeregten Hundetanz. Nein, Agent Strolchi wirkt, als wäre er potzblitz eingefroren. Er erstarrt, als hätte man auf einer Fernbedienung die Pausetaste gedrückt. Der Schädlingsfake ist gefunden, das Leckerli verschwindet in seinem struppigen Bart. Die unsichtbare Play-Taste ist wieder gedrückt. Die strengen Mienen der Porträts, die aus goldigen Rahmen das Schauspiel beäugen, sind ihm einerlei. Dabei würde auch Strolchi eine gute Figur in Öl auf Leinwand machen, dieser fesche und elegante Vertreter seiner Art, der durchaus als Cary Grant der Zwergdackel durchginge.

Strolchi entspannt nach der Arbeit.
Foto: Nathan Murrell,

Die Nase des Schnüfflers, die Schädlinge das Muffensausen lehrt, sieht aus wie ein süßer Knopf, gleich einem Marzipanherzchen. So eine Hundenase bringt es je nach Rasse auf bis über 200 Millionen Riechzellen, ein menschliches Riechorgan auf 20 bis 30 Millionen. Ein Fährtenhund kommt bei der Ausübung seines Jobs auf 300 Atemzüge pro Minute. Hunde sind also definitiv Nasentiere, was im Fachsprech Makrosmatiker heißt.

Jagdreviere, in denen sich die Schädlinge den Bauch vollfressen, findet Strolchi in Kirchenbänken, Orgeln, allerlei Balken oder Möbeln. Seinen ersten Auftrag hatte der Rauhaar-Zwergdackel im Stift St. Florian, wo er von drei Verdachtsfällen zwei anzeigen konnte. Damit startete mit Strolchi eine bundesweite Initiative des Bundesdenkmalamts.

Hundskaputt und stolz

Mittlerweile war Strolchi auf diversen Einsätzen in Kirchen und Bürgerhäusern unterwegs, um den Holzmampfern das Handwerk zu legen. Strolchi ist laut Walderdorff derzeit der einzige Spürhund beim Sonderkommando Schädlingsbekämpfung, nicht nur im heimischen Bundesdenkmalamt, sondern in ganz Europa. Ein Kollege oder eine Kollegin, sagt Walderdorff, konnte bislang nicht aufgespürt werden. "Daher mussten wir auch viel selbst erarbeiten", ergänzt sie nicht ohne Stolz, während ihr Schnüffler hundskaputt auf ihrem Schoß döst. Auch zertifiziert soll der kleinste Mitarbeiter des Amtes werden, damit er seinen Job auch ganz offiziell ausführen kann. Geplant ist dies im oberösterreichischen Bad Kreuzen, wo auch Polizei- und Zollhunde geprüft werden, aber fix sei das noch nicht.

Ach, da war noch etwas: Korrekt müsste der Hund aufgrund seiner Zucht in Chemnitz mit "Strolch von Schusterstein" angesprochen werden. Eine Schwester hat der ostdeutsche Hunde-Adlige übrigens auch. Einmal darf geraten werden, wie sie heißt. Susi. No na!

Strolchi ist emsig bei der Arbeit, also auf der Suche nach der Käferspur bzw. dem Leckerli, das bei Erfolg winkt und in Strolchis Bart verschwindet.
Foto: Nathan Murrell,

Neben Susis Brüderchen gehören zu Walderdorffs Hundefamilie auch zwei Labradore. Die Antwort auf die Frage, warum sie Strolchi in Sachen Weiterbildung bevorzugt, klingt mehr als plausibel, denn der Kleinste aus der Meute landet hin und wieder auch in einem Rucksack auf dem Rücken von Frauli. Nämlich dann, wenn es gilt, die Höhen eines Altars oder einer Fassade zu erklimmen, um herauszufinden, ob der Wurm drin ist.

Irgendwie möchte man den kleinen Charmebolzen am Ende des Besuches schon gern einpacken und mit nach Hause schmuggeln, durch die Allee aus Linden, vorbei an einem Golfplatz und weiter auf die Autobahn. Was wohl die Katze dazu sagen würde, die daheim wartet? Und was die Käfer, die bestimmt irgendwo im Gebälk herumnagen, was einem bis zu diesem Tage kaum einen Gedanken wert war? Wobei die kleinen Tierchen wahrscheinlich auch Strolchi völlig am felligen Popsch vorbeigingen. Wären da nicht die Leckerlis. (RONDO Exklusiv, Michael Hausenblas, 25.3.2023)