Sie heißen Mantu und Mandu, Ha Gao, Wan Tan und Jiao Zi, Tortellini und Agnolotti, aber auch Schlutzer, Samosas und Cjarsons oder Pierogi und Wareniki. Und noch ungezählt anders auch: Gefüllte Teigtaschen sind universell unwiderstehlich.

Die höchstentwickelte Form der Teigtasche ist wohl jene, mit der die Welt ihr Äußeres nach innen kehrt und das Tascherl ein vollständiges Universum aus Festem und Flüssigem in sich einzuschließen vermag, auf dass es sich nur dem Essenden eröffne. Dass solche Tascherln den Kochvorgang und anderes heil und ganz überstehen, grenzt an Magie und bleibt, dementsprechend, den wirklichen Hochkulturen vorbehalten.

Aus einem Loch in der Wand in Wien-Mariahilf werden jetzt verrückt gute Teigtaschen nach georgischer Tradition verkauft.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Italiener haben ihr "Uovo in Raviolo" (hierorts gern "Dotterraviolo" genannt), das wurde 1970 im Ristorante San Domenico in Imola erfunden und wird seither in den Sterneküchen der Welt in variierter Form millionenfach nachgemacht. Die Chinesen haben Kaifeng Xiaolongbao schon seit mehr als 1000 Jahren. Der unerreicht tolle Suppenknödel, bei dem sich die Suppe im Knödel befindet und die Fleischeinlage noch dazu, soll so gefaltet sein, dass er im Dämpfkorb liegend "wie eine Blume" aussieht – und wie "eine Laterne", wenn er herausgehoben wird. Leuchte mir den Weg in die Welt des guten Essens!

Kunstvoll

Und dann gibt es Khinkali. Die Teigtaschen aus Georgien sehen aus wie kunstvoll gezwirbelte Geldbeutel und sind auch so drall gefüllt. Mit Fleisch – und mit Suppe. Man isst sie mit der Hand, greift sie an der Spitze, dreht sie um, knabbert vorsichtig von oben und zuzelt zart die Suppe aus. Dann erst darf man beherzter ran und die köstliche Komposition in ein, zwei Bissen inhalieren. Ist jedes Mal ein arg gutes Gefühl, man darf sich vorkommen wie ein monströser antiker Gott, der auf die Schnelle nach einer Galaxie greift, um sich daran gütlich zu tun. Das Spitzerl des Tascherls, gar teigig, lässt der Kenner zurück. Ein bissl Chilisauce, Adjika genannt, macht das Erlebnis noch einmal besser.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Im Crazy Khinkali, einem winzigen Laden in der Hofmühlgasse, wird die würzige, nicht übertrieben scharfe Salsa hausgemacht, die klassischen Khinkali mit Fleisch-und-Suppen-Fülle sind es, wie alles andere auch, ohnehin. Die mit Rindfleisch und Rindsuppe gefüllten schmecken ganz besonders unwiderstehlich, jene mit gemischtem Faschiertem können es aber auch. Inzwischen sollte es sogar welche geben, die mit Garnelen und Garnelenbisque gefüllt sind, die befanden sich vergangene Woche noch in der Testphase. Es gibt aber auch vegetarische (sehr gut mit Käse oder mit Steinpilz und Erdapfel!) und vegane Varianten. Ein gemischter Teller ist zum Anfang vielleicht die beste Idee.

Zum Hier-und-da-Essen

Tamara Agdgomeladze ist im Hauptberuf Augenärztin und am AKH in der Forschung tätig. Weil sie irrsinnig gern kocht und Khinkali einen ganz besonderen Platz in ihrem Herzen haben, startete sie im Jänner mit dem Lokal. "Es ist ein bisschen verrückt, das neben meinem Job zu machen", sagt sie, "aber ich habe ein wundervolles Team aus Freundinnen und Bekannten, die mit von der Partie sind." Dass es georgisches Bier und georgische Weine (auch solche aus der Amphore!) dazu gibt, erscheint nur logisch und ist sehr gut, auch die Limonaden (Estragon!) sind empfehlenswert. Diverse als "Kompott" verkaufte Flaschen, in denen neben Saft auch ein paar Früchte schwimmen, sind den Versuch aber auch wert – ganz speziell jene mit Dirndln.

Khinkali gibt es auch als Schoko-Nachspeise.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Kundschaft ist bereits zahlreich, neben Georgiern, Ukrainern und Russen in Wien sind auch ein paar Einheimische darunter. Sollten mehr werden, ist nämlich ein Ort, wo es großartiges Essen zu entdecken gibt. Die Kleinheit der Hütte sorgt halt dafür, dass die meisten sich mit Khinkali für zu Hause eindecken. Ist auch ein ziemlich ideales, weil bloß im kochenden Wasser zu fertigendes Convenience-Essen der hausgemachten Art. Tipp: Falls Khinkali übrig bleiben (und das sollten sie, weil sie so gut schmecken) – einfach tags darauf in etwas Butter oder Öl anbraten, bis sie nach Art der chinesischen Guo Tie unten eine karamellisierte Kruste entwickeln. So werden sie in leicht variierter Form ein ganz köstliches Mahl für den Tag danach. (RONDO Exklusiv, Severin Corti, 24.3.2023)