Bei den Sozialdemokraten läuft gerade vieles schief.

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Endlich. Er hat sich deklariert. In einem zweiseitigen Brief, gerichtet an die mächtigsten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten des Landes, gab Hans Peter Doskozil seine Bewerbung bekannt. Er will den SPÖ-Vorsitz übernehmen, er wird gegen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner antreten. Der Burgenländer möchte für eine neue inhaltliche Linie stehen, die SPÖ umbauen und den "sozialdemokratischen Aufbruch" einleiten. So schreibt er es in seinem Brief. Dick aufgetragen hat Doskozil immer schon gern.

Davor hatte ihn Rendi-Wagner erfolgreich in die Ecke gedrängt. Nach vielen Jahren in der Defensive hat sie Mut gefasst und ihn herausgefordert. Natürlich in der Hoffnung, dass er erst gar nicht anbeißt. Doskozil plant zwar schon lang in Gedanken die Machtübernahme, aber faktisch nicht besonders konkret. Er will die SPÖ als Spitzenkandidat in die nächste Wahl führen, das ist schon lange offensichtlich, auch wenn es nicht offen besprochen war. Aber wollte er jetzt die Partei übernehmen? Sicher nicht.

Doskozil kommt nun schlichtweg nicht aus. Hätte er sich nicht jetzt deklariert, hätte Rendi-Wagner das Duell für sich entschieden – quasi kampflos mitten im Gefecht.

Die SPÖ-Chefin ist geschickt vorgegangen, hat aber eines womöglich unterschätzt: Doskozil ist kein großer Stratege, aber ein sehr guter Taktiker. In einer Ecke bleibt er nicht lange stehen. Selbst zur Überraschung vieler in seinem Umfeld habe er recht rasch entschieden: Ja, dann macht er das jetzt. Allerdings nicht nach den Regeln, die Rendi-Wagner empfiehlt. Doskozil will nun, dass nicht nur Funktionäre, sondern die gesamte Basis entscheidet.

Ob und wie das überhaupt möglich wäre, wird diskutiert. Die Statuten der SPÖ halten selbst Parteimitglieder für kompliziert, der Hintergrund all dessen ist aber recht simpel erklärt: Das Team rund um Rendi-Wagner rechnet sich höhere Chancen bei den Delegierten aus – also auf einem Parteitag. Das Team von Doskozil hofft, eher die Mehrheit unter allen Parteimitgliedern zu haben. Der Austragungsort des Duells steht also noch nicht fest.

Klar ist aber: Die SPÖ ist derzeit tief gespalten, zerstritten, verunsichert und entnervt. Dass Doskozil aus der Deckung kommt, war dringend notwendig. Es kann endlich geklärt werden, wohin die Partei steuern soll und mit wem – und dann Ruhe einkehren. In Wien ist Michael Ludwig die Befriedung nach einem erbitterten Flügelkampf gelungen. Natürlich ist das auch in der gesamten SPÖ möglich – selbst wenn es derzeit kaum denkbar erscheint. Es ist ein weiter Weg.

Rendi-Wagner und Doskozil befinden sich aber in keiner Ehekrise. Natürlich geht es auch um die beiden als Personen, aber eben nicht nur. In der SPÖ wird gerade immer lauter auf allen Ebenen darüber gestritten, wofür die Partei steht, für wen sie kämpft, wen sie ansprechen will und mit welchen strategischen Partnern sie in Zukunft zusammenarbeiten soll. Würde diese Auseinandersetzung nun moderiert in eine Bahn gelenkt, könnte das eine historische Chance bergen. Vielleicht auch die letzte für die SPÖ.

Bei den Sozialdemokraten läuft gerade vieles schief. Gleichzeitig sollten sich Parteien viel öfter mit sich selbst beschäftigen – mit ihren Inhalten. Wird jetzt eine fruchtbare Debatte über moderne Sozialdemokratie entfacht, könnte auch die SPÖ als Partei als eigentliche Siegerin aus dem Führungsstreit hervorgehen. (Katharina Mittelstaedt, 14.3.2023)