Verschlüsselte Kommunikation, abhörsichere Leitungen, Austausch geheimer Schlüssel – was vor einigen Jahren noch das Vokabular von Spionagegeschichten gewesen sein mag, ist längst unentbehrlicher Teil unseres Alltags geworden. Nicht nur Banküberweisungen, auch unsere ganz normalen Chats sind inzwischen bei Diensten wie Whatsapp oder Signal mittels kryptografischer Methoden geschützt.

Das Hedy-Lamarr-Teleskop, benannt nach der legendären österreichischen Erfinderin und Schauspielerin, befindet sich auf dem Dach des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW in Wien.
Foto: IQOQI/ÖAW

Seit einiger Zeit mischt sich die Quantenphysik in das Gebiet der Kryptografie ein. Quantencomputer versprechen, heute als sicher geltende Codes knacken zu können, weshalb die Kryptografie-Community längst an der zukunftsfitten "Post Quantum"-Verschlüsselung arbeitet.

Doch trotz vieler Fortschritte lassen wirklich leistungsfähige Quantencomputer, die aktuell gebräuchliche Codes in Bedrängnis bringen könnten, noch auf sich warten. Ein Bereich, der gerade im Begriff ist, den Weg in die technische Umsetzung zu schaffen, ist jener von Datenleitungen, die durch Quanteneffekte abhörsicher gemacht werden. Hier ist einer Gruppe um Marcus Huber vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Durchbruch gelungen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal "Physical Review X" veröffentlicht.

Technologie dank "spukhafter Fernwirkung"

Konkret geht es um die Übertragung "verschränkter" Lichtteilchen, mit der man in Wien nicht zuletzt dank der Pionierarbeit von Nobelpreisträger Anton Zeilinger viel Erfahrung hat. Dabei werden zwei Teilchen über Quantenprozesse so manipuliert, dass sie auch über große Entfernungen miteinander verbunden bleiben können. Dieser Effekt, von Einstein "spukhafte Fernwirkung" genannt, ist die Grundlage für verschiedene in Entwicklung befindliche Quantentechnologien und lässt sich zur Konstruktion absolut abhörsicherer Datenleitungen verwenden.

Ein Problem aller Quantenexperimente und Hindernis für Quantentechnologien ist die benötigte Abschirmung der Experimente. Vereinfacht gesagt: Jede kleinste Störung von außen lässt die wertvollen Quanteneffekte verschwinden, weshalb der Großteil der Quantenexperimente im Hochvakuum durchgeführt wird, von der Außenwelt isoliert. Gerade diese Sensibilität gegenüber Störungen ist paradoxerweise aber der Grund dafür, warum Quantendatenübertragung so sicher ist: Jeder Abhörversuch hätte einen Zusammenbruch der Verschränkung zur Folge und wäre damit für Sender und Empfänger feststellbar.

An der Problematik für die technische Umsetzung ändert das aber nichts, und genau hier setzte das Team von Huber an. Ihm gelang es, die Übertragung robuster zu machen. Bisher wurde bei solchen Experimenten immer nur eine Eigenschaft der Lichtteilchen verschränkt, meist die Polarisation – jene Eigenschaft, die bei Sonnenbrillen genutzt wird, um den Himmel zu verdunkeln, oder in 3D-Kinos, um jedem Auge das richtige Bild zu zeigen. Huber hingegen verschränkte auch noch eine zweite Eigenschaft der Lichtteilchen.

Robuster dank mehrfacher Verschränkung

"Je feiner die zeitliche Auflösung und höher die Zahl der Dimensionen, desto robuster ist die Verschränkung", erklärt Huber. Doch es gibt einen Haken: "Gleichzeitig sinkt die Datenrate durch zusätzliche Fehler, die durch die Komplexität hochdimensionaler Messungen entstehen." Das Besondere an dem Ansatz sei, dass man beide Effekte flexibel justieren könne.

Nachts ist der im Experiment eingesetzte Laserstrahl gut zu sehen. Die Datenübertragung gelang aber auch bei Tageslicht.
Foto: IQOQI/ÖAW

Der Vorteil in der mehrfachen Verschränkung liege außerdem darin, dass man leichter feststellen könne, welche Lichtteilchen wirklich zur Übertragung gehören und welche von der Sonne stammen. "Man würde sich wünschen, ganz genau zu wissen: Das war ein Photon von der verschränkten Quelle, und das war ein Photon von der Sonne", sagt Huber.

Für die Messung bringe die zweite verschränkte Eigenschaft, die man sich vereinfacht als die Farbe des Lichts vorstellen könne, zusätzliche Schwierigkeiten, sagt Hubers Kollege Lukas Bulla, Erstautor der Studie. Möglich sei es dennoch durch eine "sehr exakte Messung der Ankunftszeit der Photonen am Bisamberg", wie Bulla erklärt. Durch den neuen Ansatz gelang es dem Team, auch bei Tageslicht, anderthalb Stunden nach Sonnenaufgang, noch gute Ergebnisse zu erzielen.

Luft besser als Glasfaser

Die Übertragung durch die Luft sei auch in Zukunft der erfolgversprechendste Weg für die Quantenkryptografie, sagt Huber: "Glasfasern haben intrinsisch einen exponentiellen Verlust. Das liegt daran, dass die Totalreflexion in der Glasfaser nicht perfekt ist. Mit einem fokussierten Strahl in der freien Luft habe ich nur einen quadratischen Verlust." Auf diese Weise könne man wirklich andenken, über Satelliten die ganze Welt zu verbinden. Die Stecke zwischen dem Institut und dem Bisamberg wurde speziell dafür ausgewählt, um die Übertragung zu einem Satelliten zu simulieren.

Der nächste Schritt für Huber ist, die Kommunikation länger aufrechtzuerhalten: "Wir versuchen gerade ein Upgrade. Mit einigen technischen Verbesserungen und besseren Protokollen wollen wir in Richtung von 24 Stunden gehen", sagt Huber. Echte technische Hürden gebe es dafür nicht.

Lauscher ohne Chance

Genau genommen ist Quantenschlüsselübertragung nicht gegen Abhören gesichert. Sichergestellt ist nur der Schutz gegen unbemerktes Lauschen. Sensible Kommunikation wird also eher nicht über diese neuen Datenleitungen laufen. Eine naheliegende Anwendung ist der Austausch von Schlüsseln, die dann für das Codieren anderer Informationen verwendet werden können. Im Fall eines Abhörversuchs verwendet man einfach einen neuen Schlüssel.

Abgesehen von diesen Einschränkungen ist die Methode mindestens so sicher wie die heute bekannten Naturgesetze. Andere kryptografische Methoden sind immer im Prinzip zu knacken, allerdings mit enorm hohem Aufwand. Ihre Sicherheit beruht auf der Annahme, dass ein Angreifer nicht über genügend Rechenleistung verfügt.

Absolut sicher ist bei der sogenannten Quantum Key Distribution übrigens nur die Übertragung selbst. Die Geräte zur Erzeugung der Lichtteilchen könnten sehr wohl manipuliert werden. Doch selbst dafür gibt es mittlerweile Absicherungsmechanismen.

Das Ziel der Datenübertragung war die Station Bisamberg nördlich von Wien.
Foto: IQOQI/ÖAW

Anwendungen dieser Technologie stehen unmittelbar bevor. Hubers Vorgänger als Leiter des für die neuen Ergebnisse verantwortlichen Labors hat sich inzwischen mit Kollegen selbstständig gemacht. Ihre Firma QTLabs bietet bereits komplette Systeme für Quantenkryptografie an. Auch Systeme zur Einbindung in künftige Satellitensysteme sind bereits erhältlich.

Für das vor rund zehn Jahren eröffnete Hedy-Lamarr-Teleskop im 9. Wiener Gemeindebezirk ist es ein weiteres erfolgreiches Projekt. Teleskope in Städten, wie sie auf vielen historischen Universitätsgebäuden zu finden sind, gelten eigentlich wegen der schlechten Sichtbedingungen als kaum praktikabel. Doch das gilt nur für die Astronomie, bei Quantenexperimenten ist das Problem weniger drängend, weshalb hier die Stadtteleskope eine Renaissance erleben. (Reinhard Kleindl, 11.4.2023)