Viele sind überrascht, wenn im Erwachsenenalter plötzlich Allergien auftreten. Dabei ist das nicht außergewöhnlich.

Foto: Getty Images/Django

Wer beim Frühlingsspaziergang umherblickt, wird wohl zwei Sorten von Menschen beobachten: die einen, deren Nasen vom vielen Schnäuzen schon ganz rot ist. Und die anderen, die sich unbeschwert am frühlingshaften Wetter erfreuen. Allergien? Habe ich zum Glück nie entwickelt, denken Sie vielleicht. Denn der Mythos, dass Allergien nur im Kindesalter entstehen können, hält sich hartnäckig. Auch die Zahlen verleiten zu der Annahme: Bei Kindern werden doppelt so oft Allergien diagnostiziert wie bei Erwachsenen.

Das könnte daran liegen, dass manche Menschen im Laufe ihres Lebens ihre Allergie verlieren, erklärt Felix Wantke, Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums. Nichtsdestotrotz sei jede vierte erwachsene Person allergisch, bei rund 13 Prozent muss diese klinisch behandelt werden.

Wie Allergien entstehen

Grundsätzlich spricht man von einer Allergie, wenn das Immunsystem eine ungefährliche Substanz als problematisch einstuft und sich dagegen wehrt. Dieser Prozess wird Sensibilisierung genannt. Während der Sensibilisierung hat man noch keine allergische Reaktion. Erst wenn man sich nach der Sensibilisierung erneut dem Allergen aussetzt, kämpfen Betroffene mit Symptomen.

Das ist auch der Grund, warum manche Allergiebetroffene verwundert sind, dass sie – obwohl sie doch eigentlich nie allergisch waren – völlig unerwartet zu schnupfen und hüsteln beginnen. Gefühlt von einem Tag auf den anderen scheint sich der Körper einem Allergen gegenüber zu sensibilisieren. Die Ursache liegt oft weit zurück. Es kann gut sein, dass man in der Jugend eine Allergie entwickelt hat, aber erst im Erwachsenenalter das erste Mal Symptome verspürt, weil man dem Allergen bis dahin nicht mehr ausgesetzt war. Oder man kommt etwa durch einen Wohnortwechsel oder die Anschaffung eines Haustiers erst im Erwachsenenalter mit einem bestimmten Allergen in Berührung. Oder – noch eine andere Theorie – man war bisher schlicht einer zu geringen Menge der Substanz ausgesetzt und reagierte deshalb nicht. Denn wie stark eine allergische Reaktion ausfällt, hängt auch immer von Umweltfaktoren ab.

Was Allergien verstärkt

Zudem verändert sich mit zunehmendem Alter das Immunsystem. Und alles, was das Immunsystem schwächt, kann Allergiesymptome schlimmer machen, erklärt Biologe Holger Westermann. Er beobachtet, dass immer mehr ältere Menschen Allergien entwickeln. Der einfache Grund dafür sei, dass die Menschen immer älter werden und das Immunsystem dadurch immer schwächer wird.

Dabei sind mehrere Faktoren entscheidend, in Bezug auf Nahrungsmittelallergien etwa vor allem die Magensäure. Sie nimmt mit fortschreitendem Alter ab, was dafür sorgt, dass Allergene besser durch die Darmschleimhaut in den Körper gelangen. Magensäureblocker führen wohl genau aus diesem Grund auch zu schlimmeren Allergiesymptomen, zeigt eine Studie der Med-Uni Wien.

Mit zunehmendem Alter nehmen außerdem die Kollagenfasern und das Elastin der Haut ab. Die Haut wird dünner und trockener, was sie durchlässiger für alle Allergene macht. Besonders betrifft dies Kontaktallergien bei Metallen wie Nickel oder auch gewissen Kosmetika, die sich meist über Rötungen, Ausschläge, Schwellungen und Juckreiz äußern.

Auch der Konsum bestimmter Lebensmittel kann Allergiereaktionen verschlimmern, etwa Wein, Sekt und Bier, die viel Histamin beinhalten. Zu viel von dem Botenstoff kann Symptome verstärken. Fischkonserven, geräuchertes Fleisch oder Wurst, bestimmte Käsesorten und fermentiertes Gemüse wie Essiggurken oder Sauerkraut stehen ebenfalls ganz oben auf der Liste der Histamin-haltigen Lebensmittel. Auch von Kaffee wird aufgrund seines hohen Koffeingehalts abgeraten, weil Koffein jenes Enzym, das Histamin abbaut, blockiert.

Wer gerne scharf isst, riskiert dadurch möglicherweise auch stärkere allergische Reaktionen. Durch scharfe Gerichte werden die Schleimhäute stärker durchblutet und die Darmwand durchlässiger für Allergene.

Birkenpollen heuer eher schwach

Ganz bedeutend, besonders für Pollenallergien, ist, wenig überraschend, das Wetter. Das verändert sich durch den Klimawandel massiv. Für manche Allergiebetroffene kann das entlastend sein, für andere bringen veränderte Wetterlagen neue Risiken mit sich, erklärt Westermann. Durch höhere Temperaturen könnten künftig gewisse Gräser beispielsweise nicht mehr gut wachsen, aber grundsätzlich werden die Allergiesaisonen immer länger. Es wird wärmer, dadurch entwickeln sich die Pollen früher.

Wie genau sich welche Pollen entwickeln, ist nichtsdestotrotz von Saison zu Saison unterschiedlich. Birkenpollen sollen beispielsweise dieses Jahr eher schwach sein und im nächsten Jahr dann wieder verstärkt auftauchen, berichtet Uwe Berger, Leiter des Österreichischen Pollenwarndienstes.

Aber nicht nur die Anzahl der Pollen ist entscheidend, sondern auch deren Stärke, betont Barbara Bohle, Leiterin des Instituts für Allergieforschung der Med-Uni Wien. Pflanzen werden von extremer Hitze oder Abgasen gestresst, dies führe zu der Bildung von Stressproteinen, die die Pollen aggressiver machen. Manche Abgase könnten zudem ein Allergen irreversibel chemisch verändern, man müsse in den nächsten Jahren beobachten, wie das menschliche Immunsystem damit umgeht.

Neben der Hitze sind auch Gewitter heikel. Wantke vom Floridsdorfer Allergiezentrum erklärt: "Vor dem Gewitter kommt der Wind, das heißt, die Pollen werden aufgewirbelt, dann kommt der Regen dazu, die Pollenkörner platzen auf, und ich habe plötzlich eine unglaubliche Menge an Allergen in der Luft." Dadurch könnten sogar Menschen, die nie Probleme mit einer Pollenallergie oder Asthma hatten, plötzlich starke Symptome verspüren. Außerdem könnte eine Allergie heuer besonders intensiv wirken, weil man in den vergangenen Jahren durch das Masketragen besser vor Pollen geschützt war.

Ursachen ungeklärt

Warum manche Menschen Allergien entwickeln und andere nicht, ist noch nicht final geklärt. Man weiß, dass die Genetik ein großer Faktor sein kann – so sind Kinder von Allergikern und Allergikerinnen meist anfälliger für Allergien. Trotzdem kann der Großteil der Fälle damit nicht erklärt werden.

Eine populäre Hypothese besagt, dass wir zu sauber leben und deshalb das Mikrobiom zu wenig trainiert ist. Kinder auf einem Bauernhof sollen also weniger Allergien bekommen als Stadtkinder. Aber Allergien seien ohnehin immer multifaktoriell und können nicht auf eine Ursache zurückgeführt werden, sagt Wantke und betont, dass die Vorteile einer sauberen Umgebung die Nachteile im Schnitt wohl deutlich überwiegen.

Die richtige Behandlung finden

Bevor sich Betroffene Gedanken über die richtige Behandlung machen, geht es für viele erst einmal darum, herauszufinden, worauf sie überhaupt allergisch sind. Hat man eine schnelle Reaktion auf ein Allergen, kann man meist leicht zuordnen, wo das Problem liegt. Aber es gibt viele Allergien, bei denen es erst Stunden nach dem Kontakt mit dem Allergen zu Symptomen kommt. Und es ist nicht nur der Zeitpunkt der Reaktion entscheidend, sondern auch die Komplexität des Stoffes. Vereinfacht gesagt: Bleibt einem nach einem Bienenstich die Luft weg, ist die Sache eindeutig. Reagiert man allerdings beispielswiese auf ein Chili con Carne mit Symptomen, sind die Zusammenhänge schwieriger zu erkennen. Welchen der vielen Inhaltsstoffe verträgt man nun nicht? Auf der Suche nach dem Allergen ist deshalb häufig die Expertise von Fachleuten gefragt.

Ist die Ursache gefunden, geht es an die Behandlung. Meist ist das eine sogenannte Hyposensibilisierung. Dabei werden dem Körper mit einer Spritze oder Tablette Extrakte mit dem Allergen zugeführt, wodurch der Körper lernen soll, anders darauf zu reagieren. Das kann Allergene in gewissen Mengen wieder erträglich machen und ist bei besonders ausgeprägten Allergien oft empfohlen. Bei dieser Form der Behandlung spielt das Alter keine Rolle, auch wenn sich Mythen dazu hartnäckig halten. Senioren und Seniorinnen können genauso wie junge Menschen noch sogenannte Hyposensibilisierungen machen.

Andere Heilmittel gibt es kaum, es kann nur die Toleranz gegenüber dem Allergen gesteigert werden. Hilfsmittel wie Nasensprays oder Augentropfen helfen dabei, die Symptome zu lindern. Und Apps wie jene des Österreichischen Pollenwarndiensts informieren über die Pollenlast des aktuellen Wetters und können Allergikern und Allergikerinnen in der Planung von Outdooraktivitäten helfen. (Laura Schnetzer, 21.3.2023)