Schon wieder Raiffeisen. Kaum eine Woche vergeht ohne Aufregung über die Geschäfte der Raiffeisen Bank International (RBI) in Russland. Wobei es genau genommen diesmal nur ein potenzieller Deal ist, der für Debatten sorgt.

Der RBI-Vorstand unter Johann Strobl prüft, wie die Bank an ihr eingefrorenes Vermögen in Russland herankommen kann. Sanktionsbedingt kann die RBI ihre Gewinne ja nicht aus Moskau herausschaffen. Gut zwei Milliarden Euro sitzen fest. Die Wiener Banker erwägen daher ein Tauschgeschäft: Die RBI sollte die Reste der früheren Sberbank Europe kaufen, im Gegenzug würde die Sberbank einen Teil des in Russland festsitzenden Geldes der Raiffeisen erhalten.
Die Grünen warnen vor einem Schaden für den Bankenplatz Wien, wenn der Deal durchgeht: Die Sberbank steht auf der Sanktionsliste. In den sozialen Medien gingen die Wogen hoch: Die Sberbank ist größtenteils in russischen Staatsbesitz. Fließen über diesen Umweg hunderte Millionen an Putin?
Westliche Sanktionsstrategie
Die Frage ist berechtigt, und die heimischen Finanzaufseher sind gut beraten, die Vorgänge genau zu beobachten. Aber doch zeigen die Diskussionen, dass allein mit Moralpredigten keine vernünftige Politik zu machen ist. Im Gegenteil: Die Russland-Sanktionen anhand von komplexen Einzelbeispielen zu diskutieren führt nicht weit und bisweilen in die Widersprüchlichkeit. So werfen die Fundamentalkritiker der RBI seit Monaten vor, Russland nicht sofort nach dem Überfall auf die Ukraine verlassen zu haben. Dabei wäre bei einem solchen Notverkauf Putin der Gewinner. Er bekäme ein profitables Institut praktisch zum Nulltarif. Dieselben Kritiker echauffieren sich nun, dass Putin vom Deal zwischen RBI und Sberbank profitieren würde. Also was jetzt?
Tatsächlich muss es bei der Bewertung der Vorgänge darum gehen, Ziele und Strategie der westlichen Sanktionen im Auge zu behalten. Die EU hat sich mit Unterstützung der USA dazu entschieden, die Wirtschaftsverbindungen zu Russland trotz des Krieges nicht vollständig zu kappen. So fließt weiter Gas in Richtung Westen, und in vielen Sektoren laufen Geschäfte weiter. Im Wesentlichen konzentrieren sich die Sanktionen auf den Technologiesektor: auf Mikrochips, Flugzeugteile und Ähnliches. Der Plan lautet, die russische Wirtschaft langfristig zu schädigen. Auch westliche Banken durften bleiben.
Unterläuft also die RBI die westliche Sanktionsstrategie? Darauf gibt es aktuell keine Hinweise, nicht zuletzt auch deshalb, weil bei einem Deal die Sberbank nur an die Rubel der RBI in Russland herankommen würde, nicht an begehrte Devisen, mit denen Putin auch am Weltmarkt einkaufen kann.
Nun gibt es angesichts des Krieges und der russischen Menschenrechtsverletzungen gute Gründe, über eine Verschärfung der Sanktionen nachzudenken – im Energie- wie im Bankensektor. Diese Debatte gehört geführt. Sollten sich Berlin, Paris, Washington und Brüssel dazu durchringen, wäre Wien ohnehin ein zu kleiner Player, um das aufzuhalten. Dann würden auch für die RBI ganz neue Spielregeln gelten. (András Szigetvari, 15.3.2023)