Ein Wiener Sportlehrer und Feriencamp-Betreuer dürfte zwischen 2004 und 2019 dutzende Kinder missbraucht haben.

Foto: Getty Images / Altan Can / EyeEm

Ein Sportlehrer an einer Wiener Mittelschule, der jahrzehntelang auch in Sportvereinen sowie als Betreuer in Feriencamps tätig war, soll zahlreiche Kinder missbraucht und kinderpornografisches Material angefertigt haben. Die Tathandlungen fanden zwischen 2004 und 2019 statt. Das förderten Ermittlungen der Wiener Polizei zutage. Laut dem Bericht einer Untersuchungskommission, der unter Federführung der Wiener Bildungsdirektion erstellt und im Dezember 2022 veröffentlicht wurde, ist "die Existenz von 40 Opfern belegt". Es ist einer der größten Fälle von sexuellem Missbrauch in der Bundeshauptstadt seit Jahren.

Erste Anzeige im Jahr 2013 versandete

Ins Rollen brachte den großen Missbrauchskomplex erst eine Missbrauchsanzeige, die Anfang 2019 eingereicht wurde. Der Pädagoge beging nach einer Hausdurchsuchung, bei der umfangreiches Material sichergestellt wurde, und kurz vor seiner geplanten Befragung im Mai 2019 Suizid. Die Staatsanwaltschaft Wien stellte in weiterer Folge ihre Ermittlungen ein.

Allerdings dürfte nach Recherchen des STANDARD bereits im Jahr 2013 eine erste Anzeige gegen den Betroffenen wegen eines sexuellen Übergriffs erstattet worden sein. Dieser soll sich im Jahr 2006 in einem Feriencamp im Salzkammergut ereignet haben. Der Betroffene, ein Sommercamp-Teilnehmer, war damals 13 Jahre alt.

Die Anzeige erfolgte erst sieben Jahre später in Niederösterreich, dem Wohnbundesland des Betroffenen: Der Mann sagte im Gespräch mit dem STANDARD, dass ihm erst als jungem Erwachsenen im Rahmen einer Therapiesitzung bewusst geworden sei, dass es im Rahmen einer Massage durch den Betreuer einen sexuellen Übergriff gegeben habe.

Die Anzeige dürfte aber versandet sein. Dabei hatte die Landespolizeidirektion Niederösterreich im Herbst 2022 bestätigt, dass es in der Causa im Jahr 2013 auch eine Beschuldigteneinvernahme gegeben hat. Im Aktensystem der Polizei ließ sich aber kein Akt zur Causa mehr finden. Opferanwältin Herta Bauer erstattete daraufhin im November 2022 bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt eine Anzeige wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen unbekannt.

Zwei Polizeibeamte als Beschuldigte geführt

In weiterer Folge erteilte die Behörde einen Ermittlungsauftrag an die Kriminalpolizei, die einen Bericht erstellte. Dieser liegt mittlerweile der Staatsanwaltschaft vor, die weitere Schritte veranlasste: "Es gibt zwei beschuldigte Personen", sagte Erich Habitzl, der Sprecher der Staatsanwaltschaft, auf eine aktuelle Anfrage dem STANDARD. "Deren Einvernahme wurde angeordnet." Konkret wird gegen zwei Polizeibeamte wegen des Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Noch steht jedenfalls nicht fest, wie die erste Anzeige gegen den Pädagogen verschwinden konnte. Zwar wurde vonseiten der Polizei Niederösterreich eine Einvernahme des Beschuldigten bestätigt. Der Akt sei dann zur weiteren Bearbeitung an ein zuständiges Bundesland geschickt worden. Aus dem Justizministerium hieß es aber: "Es gibt aus dem Jahr 2013 kein diesbezügliches Ermittlungsverfahren."

Auch bei den Staatsanwaltschaften Wien, Wels und Salzburg war keine Anzeige gegen den Pädagogen aus dem Jahr 2013 im System auffindbar. Eine Aufklärung über die damaligen Vorkommnisse bei den Behörden, die zum Versanden der Anzeige führten, gab es bis heute nicht.

Sieben Datenträger mit Fotos und Videos

Erst die zweite Anzeige im Jahr 2019 sorgte für Ermittlungen gegen den Pädagogen. Bei einer Hausdurchsuchung wurden sieben Datenträger beschlagnahmt, auf denen sich eindeutig inkriminierte Fotos und Videos befanden – darunter vier externe Festplatten (eine mit einem Speicherplatz von einem Terabyte), zwei Notebooks und ein Mobiltelefon. Zwei weitere Datenträger konnten laut Polizei nicht mehr ausgewertet werden. (David Krutzler, 17.3.2023)