Über der Credit Suisse braut sich ein Unwetter zusammen, nachdem der neue saudische Großaktionär erklärt hat, keine Mittel zuschießen zu können.

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Gerade für einen Tag haben sich die Wogen an den Börsen geglättet, bevor zur Wochenmitte das nächste Unwetter über Europas Aktienmärkte hinwegzog. Einmal mehr flüchteten Anleger und Investorinnen aus Banken, seit dem Zusammenbruch des US-Geldhauses Silicon Valley Bank Ende vergangener Woche geht die Angst im Sektor um. Diesmal stand die Schweizer Großbank Credit Suisse im Zentrum des Sturms. Der Kurs sackte zeitweise um bis zu 31 Prozent auf ein Rekordtief ab, nachdem der neue Großaktionär Saudi National – er besitzt 9,9 Prozent der Aktien – erklärt hatte, aus aufsichtsrechtlichen Gründen keine frischen Mittel einschießen zu können.

Die folgenden kalmierenden Aussagen der Bankspitze fanden nur bedingt Gehör: "Unsere Kapital- und Liquiditätsbasis ist sehr, sehr stark", beteuerte Konzernchef Ulrich Körner. Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann betonte zudem gegenüber Bloomberg, staatliche Hilfe sei für die Bank "kein Thema". Allerdings hat die Credit Suisse bei der Schweizer Nationalbank um Hilfe gebeten haben. Unterstützung scheint sich die Bank auch vom Schweizer Regulator Finma zu erhoffen.

Erhörter Hilferuf

Von beiden wurde das Geldhaus erhört, wie am Abend bekannt wurde. Vor allem die Schweizerische Nationalbank (SNB) stellt sich hinter die krisengeplagte Bank: Die Credit Suisse erfülle die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen bezüglich Kapital und Liquidität, teilten die Notenbank und die Finma in einer gemeinsamen Mitteilung mit. "Die SNB wird im Bedarfsfall der Credit Suisse Liquidität zur Verfügung stellen."

Denn die Sorgen waren groß, besonders unter den Anleihengläubigern von Credit Suisse. Um sich für ein Jahr gegen einen Zahlungsausfall der Bank abzusichern, mussten zuletzt acht Prozent des versicherten Wertpapiers bezahlt werden. Das ist ein enorm hoher Preis, vor einem Monat lag er bei bei einem Viertel davon. Zum Vergleich: Bei der anderen Schweizer Großbank UBS werden bloß 0,5 Prozent fällig, obwohl auch dieser Wert zuletzt merklich angestiegen ist.

"Zu groß, um zu scheitern"

"Wenn die Credit Suisse in ernsthafte existenzielle Schwierigkeiten gerät, sind wir in einer ganz anderen Welt des Schmerzes", sagte Neil Wilson, Marktanalyst bei Onlinebroker Markets.com. "Sie ist wirklich zu groß, um zu scheitern", ergänzte er. Aber es sehe so aus, als ob immer mehr besorgte Investoren und Gegenparteien Credit Suisse als möglichen nächsten Wackelkandidaten betrachteten. "Bei der Credit Suisse ist es zu einem massiven Vertrauensverlust gekommen", erklärte Stephan Sola, Manager des Plutos-Schweiz-Fonds. Es würde ihn nicht überraschen, wenn die Abflüsse von Kundengeldern wieder zugenommen hätten.

Auch sonst flogen Bankenwerte in hohem Bogen aus den Depots. In Frankreich traf es insbesondere die BNP Paribas mit zweistelligen Verlusten, aber auch die deutsche Commerzbank sackte um bis zu zehn Prozent ab. Der deutsche Leitindex Dax verlor in diesem Umfeld, in dem auch fast alle anderen Branchen nachgaben, mehr als drei Prozent. Schlimmer erwischte es den bankenlastigen ATX am Wiener Aktienmarkt, wo die Bawag am stärksten unter Druck stand. Der heimische Leitindex verlor deutlich mehr als sechs Prozent.

Kredite und Anleihen

Aber warum geht nun auch in Europa die Angst im Bankensektor um? Der rasche Anstieg der Zinssätze hat es für Unternehmen schwieriger gemacht, die von den Banken aufgenommenen Kredite zurückzuzahlen oder zu bedienen, was die Gefahr von Verlusten für die Kreditgeber erhöht, die sich zugleich Sorgen wegen einer Rezession machen. Zudem haben die Anleihebestände in den Bilanzen wegen der kräftigen Zinserhöhungen der Zentralbanken an Wert verloren, sodass die Institute Verluste machen, wenn sie die Papiere vor der Endfälligkeit verkaufen.

Nun rätseln Finanzprofis, wie die Europäische Zentralbank (EZB) auf die Turbulenzen an den Börsen und im Bankensektor reagieren wird. Bei der Zinssitzung im Februar hat Notenbankchefin Christine Lagarde für die nächste Sitzung am Donnerstag eine Erhöhung des Leitzinses um einen halben Prozentpunkt (50 Basispunkte) auf dann 3,5 Prozent in Aussicht gestellt.

Wird die EZB Kurs halten?

Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa beim US-Vermögensverwalter T. Rowe Price, geht davon aus, dass sich Lagarde an ihre eigene Vorgabe halten wird. Warum? "Wenn die EZB die Zinsen nur um 25 Basispunkte anhebt, wäre dies ein Signal an die Finanzmärkte, dass die Banken im Euroraum für ähnliche Risiken anfällig sein könnten wie das US-Bankensystem."

Sicher ist dies aber keineswegs. An den Geldmärkten wird aktuell die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte zur Bekämpfung der Inflation nur noch auf rund 20 Prozent taxiert. Zu Handelsbeginn hatte sie noch bei rund 90 Prozent gelegen. "Die Instabilität hat Fragen aufgeworfen, ob die EZB es durchzieht und die Zinsen morgen wie geplant um 50 Basispunkte anhebt", sagte Kenneth Broux, Zins- und Währungsstratege bei der französischen Großbank Societe Generale. (Alexander Hahn, 15.3.2023)