Im Gastblog erklärt Rechtsanwältin Theresa Kamp, welche Rolle das Kindeswohl bei dem Kontakt zu getrennt lebenden Eltern spielt.

Das Kontaktrecht – vormals Besuchsrecht genannt, führt bei getrennt lebenden Eltern immer wieder zu großen Schwierigkeiten. Kontaktrecht und Obsorge sind ein unterschiedliches Paar Schuhe. Das ist ein häufiges Missverständnis – oft werden die Begriffe vermischt.

Obsorge meint die Pflege und Erziehung des Kindes, gesetzliche Vertretung und Verwaltung des Vermögens. Kontaktrecht wiederum meint das Recht auf persönliche Kontakte zwischen Eltern und Kindern. Der Elternteil, der nicht mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, soll auch weiterhin am Alltag der Kinder teilhaben und nicht in die Rolle eines gelegentlichen Besuchs gedrängt werden. Normalerweise werden regelmäßige und verlässliche Kontakte zu beiden Eltern dem Kindeswohl entsprechen. Es braucht die Bereitschaft von beiden Eltern, den Kontakt zum jeweils anderen zu fördern.

Leben die Eltern nicht zusammen, kommt es bei der Ausgestaltung des Kontaktrechts immer wieder zu Konflikten.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Der hauptbetreuende Elternteil hat das Kind positiv auf die Kontakte mit dem anderen Elternteil einzustimmen. Der getrenntlebende Elternteil darf allerdings im Gegenzug die Kontakte auch nicht dafür nützen, die Kinder negativ gegen den hauptbetreuenden Elternteil zu beeinflussen oder zu instrumentalisieren.

Ausgestaltung der Kontakte

Die Frage, welches Ausmaß von Kontakten für die Kinder am besten ist, also wer wann und wie oft die Kinder betreut, ist eine schwierige. Dazu kommt, dass mehr Kontakt mit dem getrenntlebenden Elternteil bedeutet, dass weniger Kindesunterhalt gezahlt werden muss. Das befeuert oft den Konflikt auf beiden Seiten, weil jeder Elternteil dem anderen finanzielle Motive unterstellt. Im besten Fall gelingt es, dass die Eltern die genaue Ausgestaltung der persönlichen Kontakte einvernehmlich regeln können. Muss ein Gericht entscheiden, stehen immer das Kindeswohl und die Bedürfnisse des Kindes im Fokus.

Immer wieder wollen Menschen anhand einer Trennung einfach ein normales Kontaktrecht oder das, was eben gesetzlich vorgeschrieben ist. Gesetzlich vorgeschrieben ist aber in diesem Zusammenhang nichts. Im Gesetz werden keine konkreten Kontaktzeiten festgelegt. Es geht immer um die spezielle Familie und das konkrete Kind. Generell soll das Kontaktrecht sowohl Zeiten der Freizeit als auch des Alltags umfassen.

Es wird auch einen Unterschied machen, ob beispielsweise beide Eltern gleich lang in Karenz waren und sich intensiv um das Kind gekümmert haben oder ob eine Person allein die Kinderbetreuung übernommen hat, während die andere Person beruflich eingespannt und vielleicht viel im Ausland war. Auch wenn das Kontaktrecht nicht nur ein Recht des Kindes ist, sondern auch ein Recht des (getrenntlebenden) Elternteils, geht das Interesse des Kindes vor. Das Wohl des Kindes ist bei der Kontaktregelung das, was zählt.

Einschränkung des Kontaktrechts

Das Recht auf Kontakt zwischen Eltern und Kind ist ein Grundrecht. Einschränkungen des Kontaktrechts müssen daher die Ausnahme darstellen. Trotzdem hat das Gericht, wenn dies notwendig ist, die persönlichen Kontakte zum Kind einzuschränken oder sogar zu untersagen. Das besonders dann, wenn Kontakte eine Gefährdung (etwa wegen Gewalt) für das Kind darstellen oder wenn ein Elternteil das Wohlverhaltensgebot nicht beachtet.

Gesetzlich ist mittlerweile auch explizit die Ausübung von Gewalt gegen eine wichtige Bezugsperson des Kindes als Einschränkungs- beziehungsweise Entziehungsgrund für Kontakte genannt. Das Wohlverhaltensgebot meint, dass Eltern zur -Wahrung des Kindeswohls – alles zu unterlassen haben, was die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil stören oder beeinträchtigen könnte. Wenn beispielsweise eine Person bei Übergaben des Kindes den anderen Elternteil demütigt, beschimpft, anschreit oder sich sonst herabwürdigend verhält, wäre das ein Verstoß gegen dieses Wohlverhaltensgebot.

Ein gänzlicher Entzug des Kontaktrechts ist rechtlich nur aus schwerwiegenden Gründen möglich. Dann, wenn durch die Ausübung des Kontaktrechts die seelische oder körperliche Gesundheit des Kindes gefährdet werden könnte. Die seelische und körperliche Gesundheit des Kindes ist richtigerweise wichtiger als das Recht auf Kontakt eines Elternteils.

Der gänzliche Entzug des Kontaktrechts ist weiter nur dann zulässig, wenn alle anderen gelindere Mittel – begleitete Kontakte, Besuchsmittlung etc. –, die eine Kontaktrechtsausübung unter Wahrung des Kindeswohls ermöglichen würden, bereits ausgeschöpft wurden. Beispielsweise könnte es in manchen Fällen eine Möglichkeit sein, die Kontakte zwischen Kind und Elternteil als begleitete Kontakte, zum Beispiel im Besuchscafé oder im Beisein einer geeigneten Person, mit der beide Eltern einverstanden sind, durchzuführen.

Das Kindeswohl an erster Stelle

Immer wieder fällt es Eltern verständlicherweise schwer, gerade nach schmerzhaften Trennungen, die Beziehungsebene von der Elternebene zu trennen. Für Kinder ist es wichtig, dass sie erleben, dass es auch nach einer Trennung noch in Ordnung ist, beide Eltern zu lieben und nach wie vor als wichtige Bezugspersonen zu behalten.

Diese – auch rechtliche – Verpflichtung der Eltern, Kontakte zum jeweils anderen Elternteil zu fördern, hat aber ihre Grenzen im Kindeswohl. Hat man begründete Sorge, dass der jeweils andere Elternteil der seelischen oder körperlichen Gesundheit des Kindes schaden könnte, steht selbstverständlich der Schutz des Kindes an erster Stelle. (Theresa Kamp, 28.3.2023)