Die Selbstzerfleischung der SPÖ im Kampf Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil findet zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt statt. Die FPÖ unter Herbert Kickl ist Nummer eins in den Umfragen, und Teile der ÖVP denken daran, mit den Freiheitlichen zusammenzuarbeiten. Und jetzt bewirbt sich auch noch bei den Sozialdemokraten ein Mann um den Parteivorsitz, der keine Berührungsängste mit der Partei der Rechtsextremisten erkennen lässt.

Momentan läuft es für ihn politisch rund: FPÖ-Chef Herbert Kickl.
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Österreich driftet nach rechts. Der Aufstieg der FPÖ, bedingt durch die Pandemie und die allgemeine Unsicherheit im Angesicht von Inflation und Krieg, würde es nötig machen, dass ein verlässlicher demokratischer Block da ist, der klare Grenzen zum Rechtspopulismus zieht. Die kleinen Parteien, Grüne und Neos, sind dafür zu schwach. Und bei den Großen wird der Widerstand stetig geringer. Der Schwenk der niederösterreichischen ÖVP in Richtung FPÖ nach der jüngsten Wahlniederlage ist ein beunruhigendes Warnsignal.

Einfache Botschaften

Mit diesem Stand der Dinge ist Österreich nicht allein. Auch in Italien, in Ungarn, in Polen haben es Rechtspopulisten bis ganz nach oben geschafft. Und auch der seinerzeitige Sieg von Donald Trump und der anhaltende Erfolg extrem rechter Republikaner in den USA passen in dieses Schema. In unsicheren Zeiten wie diesen, in denen viele Menschen mit Recht den Absturz in die Armut fürchten, haben einfache Botschaften à la Kickl und Co gute Chancen: An eurem Elend sind die "abgehobenen Eliten da oben" schuld; sie sind es, die alles für die Ausländer und die Migranten tun und nichts für euch; wir sind die "normalen Leute"; wir schauen darauf, dass ihr zu eurem Recht kommt und die "Asyltouristen", die "Fremden", die "Messerstecher und Vergewaltiger" nicht frech werden.

Die großen Epochen der Sozialdemokratie waren immer diejenigen, in denen es gelang, ein Bündnis zwischen Arbeitern und Intellektuellen zustandezubringen. Das Rote Wien der Zwanziger- und frühen Dreißigerjahre ist ein Paradebeispiel dafür. Ein weiteres ist die Kanzlerzeit von Bruno Kreisky. Auch damals waren die Besten unter den Arbeitern und die Besten unter der progressiven Intelligenz gemeinsam und erfolgreich daran beteiligt, das Land zu modernisieren und weiterzubringen. Und das Gegenbeispiel: Aufstieg und Sieg des Nationalsozialismus wurden möglich, weil die demokratischen Kräfte, insbesondere auf der Linken, zersplittert, zerstritten und gelähmt waren.

Haben wir aus der Geschichte nichts gelernt? Bei den Sozialdemokraten versichern derzeit beide Lager, dass sie das Wohl der "arbeitenden Menschen" im Blick haben. Was freilich kaum erwähnt wird: Die "arbeitenden Menschen" – früher sagte man: die Arbeiterklasse – sind heute in ihrer überwiegenden Mehrheit Menschen mit Migrationshintergrund. Ihnen macht die Politik nach Kräften das Leben schwer, mit dem Effekt, dass Österreich für qualifizierte Zuwanderer aus Drittländern eines der unattraktivsten Länder der Welt ist. Auch darüber sollte die schwer gebeutelte SPÖ nachdenken. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 16.3.2023)