Hans Peter Doskozil und Pamela Rendi-Wagner sind auf der Suche nach einem Fluchtplan fündig geworden.
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Das Präsidium der SPÖ hat am Mittwoch die Weichen gestellt: Nach fast dreistündiger Beratung in den Klubräumen des Parlaments empfahl das Präsidium dem SPÖ-Vorstand, eine Mitgliederbefragung über die künftige Parteispitze abzuhalten. Danach soll ein Sonderparteitag stattfinden, bei dem das erzielte Ergebnis abgesegnet werden soll. Damit ist der Konflikt zwischen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und ihrem Herausforderer Hans Peter Doskozil zwar nicht gelöst, es wurde aber eine gemeinsame Vorgangsweise gefunden, eine Entscheidung herbeizuführen.

VIDEO: Nach der Mitgliederbefragung und dem Parteitag müsse die Partei wieder an einem Strang ziehen, sagte Rendi-Wagner. Doskzozil will den Fokus jetzt ohnehin erstmal auf die Wahl in Salzburg richten.
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Rendi-Wagner und Doskozil führten den Tross der SPÖ-Granden gemeinsam an, als diese im Parlament die Räumlichkeit wechselten, um sich dem größeren Kreis des Parteivorstands zu stellen. Dass Rendi-Wagner und Doskozil nebeneinander an der Spitze gingen, sollte wohl auch die konstruktive Lösung unterstreichen: Es wurde ein Weg gefunden, die Führungskrise in der Partei zu lösen. Noch im Mai soll dann feststehen, wer die SPÖ in die Nationalratswahl im kommenden Jahr führen wird. Dass die Entscheidung tatsächlich im Mai fixiert wird, wäre jedenfalls ein überaus engagierter Zeitplan. Rendi-Wagner selbst hatte sich ja auf eigene Initiative im Jahr 2020 einer Mitgliederbefragung gestellt, allein diese Befragung lief über insgesamt drei Monate. So viel Zeit will man sich jetzt nicht geben.

In einer Pressekonferenz nach der Vorstandssitzung sprach Rendi-Wagner von einem "Prozess der Klärung". Der Blick aller Teilnehmer an der Sitzung sei nach vorne gerichtet gewesen. Es habe eine sehr ehrliche Diskussion gegeben, bei der alle ihre Meinung sagen konnten und dies auch getan hätten.

Drei Beschlüsse hat der Parteivorstand gefasst:

  • Es wird eine Mitgliederbefragung über die Person an der Spitze der SPÖ geben.
  • Es wird ein Sonderparteitag einberufen.
  • Das Parteipräsidium legt die Verfahrensrichtlinien und die Textierung der Mitgliederbefragung fest.

Es gibt also noch keinen konkreten Fahrplan. Fest stehe laut Rendi-Wagner, dass das Ergebnis dieses Prozesses von allen zu akzeptieren sei und dass danach alle gemeinsam an einem Strang zu ziehen hätten.

Noch gibt es keine Sieger und Verlierer. Doskozil hatte auf eine Mitgliederbefragung, eigentlich auf einen Mitgliederentscheid, gedrängt. Rendi-Wagner hatte davor bekräftigt, sich weder einer Entscheidung durch die Basis noch einer der Delegierten bei einem Parteitag zu entziehen.

Bindendes Ergebnis

Das Ergebnis der Mitgliederbefragung soll bindend sein. Sowohl Rendi-Wagner als auch Doskozil stellen sich dem Votum der Parteibasis. Wer mehr Stimmen erhält, kandidiert am Parteitag. Dort soll es also zu keiner Kampfabstimmung kommen.

Fraglich ist, was passiert, wenn das Ergebnis der Mitgliederbefragung knapp ausfällt. Theoretisch könnten sich dann immer noch beide Kandidaten den Delegierten des Parteitags stellen – und theoretisch könnten diese dann auch anders entscheiden als die Mitglieder an der Basis.

Der Wettbewerb zwischen der Amtsinhaberin und ihrem Herausforderer soll möglichst transparent ablaufen. Die beiden sollen sich mehrfach gemeinsam den Parteimitgliedern mit ihren Ideen präsentieren, ähnlich wie es dereinst beim Duell um den Wiener SPÖ-Vorsitz geschehen war.

Nach der Sitzung des Präsidiums wechselten Rendi-Wagner und Doskozil gemeinsam in den Parteivorstand.
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Doskozil war jedenfalls mit einem festen Vorsatz in die Sitzung des Parteipräsidiums gegangen: Er will Parteichef werden, und er will das mithilfe der Parteibasis werden. Doskozil drängte ursprünglich auf einen Mitgliederentscheid, wie das in den Parteistatuten heißt. Darüber kann man streiten und die Statuten zitieren, aber darauf wollte sich Doskozil erst gar nicht einlassen: Es sei eine politische Frage, dass er für den Parteivorsitz kandidieren will, und keine juristische. Eine "Paragrafenreiterei" lehnte er ab, das sei unwürdig, für beide Seiten. So weit folgte ihm das Präsidium. Mit der Lösung können alle leben. Was tatsächlich herauskommen wird, bleibt Spekulation.

Länder mehrheitlich für Befragung

Der burgenländische Landeshauptmann ging recht selbstbewusst in die Sitzung. Er ist nicht nur selbst von seinem Vorhaben überzeugt, sondern wusste zu diesem Zeitpunkt auch weite Teile der Partei hinter sich, die zumindest seine Vorgangsweise unterstützen: Für eine Mitgliederbefragung oder einen solchen Entscheid sprachen sich mehrere Landesorganisationen aus, das Burgenland natürlich, aber auch Salzburg, Niederösterreich und Oberösterreich. Eine Unterstützung aus der Steiermark schien absehbar. Der steirische Landesvorsitzende Anton Lang, der sich bisher zurückgehalten hatte, sprach sich schließlich ebenfalls für eine Befragung der Mitglieder aus.

Das Match zwischen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil spitzt sich zu. Wie er ausgehen könnte, analysiert die stellvertretende STANDARD-Chefredakteurin Petra Stuiber.



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Der Parteinachwuchs, die Sozialistische Jugend, hatte sich im Vorfeld bereits festgelegt und auf eine Entscheidung durch die Basis gedrängt. Das unterstreicht ein offener Brief von SPÖ-Bürgermeistern, der am Mittwoch an den Bundesparteivorstand und das Bundesparteipräsidium adressiert wurde. Sie forderten einen Mitgliederentscheid – also eine Abstimmung aller Parteimitglieder über die Vorsitzfrage. Namentlich aufgelistet wurden 57 Unterstützer und Unterstützerinnen aus fünf Bundesländern.

"Wir haben es satt, zu erklären, warum sich die Sozialdemokratie mit sich selbst beschäftigt und nicht mit den Problemen der Leute. Wir haben das satt und können es auch nicht mehr erklären", schreibt der Initiator Harald Bergmann, Bürgermeister der steirischen Gemeinde Knittelfeld. Er fordert im Namen aller Unterzeichner einen "geordneten Weg", um mit einem Mitgliederentscheid die Vorsitzentscheidung zu klären.

"Wenn die Parteiführung unserem Wunsch nicht entspricht, werden wir eine solche Wahl per Mitgliederentscheid herbeiführen." Damit war absehbar, dass Doskozil seine gewünschte Vorgehensweise innerhalb der Partei wird durchsetzen können.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser gaben dem Druck der anderen Landeschefs nach und sprachen sich schließlich auch für eine Mitgliederbefragung aus.
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Die mächtige Wiener Landesorganisation steht geschlossen hinter Noch-Parteichefin Rendi-Wagner, konnte sich dem Vorschlag einer Mitgliederbefragung dann aber nicht entziehen. Auch wenn Wiens Bürgermeister Michael Ludwig eine andere, nämlich eine möglichst rasche Lösung präferiert hatte. Das hätte für einen Sonderparteitag gesprochen, an dem es zu einer Kampfabstimmung der Delegierten über die zwei Kandidaten gekommen wäre. Eine Vorgehensweise, die Doskozil im Vorfeld abgelehnt hatte. Unterstützt wird Rendi-Wagner auch von den roten Landesgruppen Kärnten und Vorarlberg. Trotz der einflussreichen Wiener Gruppe ist das aber rein zahlentechnisch die Minderheit.

Doch keine Alternative

Mit der Einigung auf eine gemeinsame Vorgehensweise ist wohl auch die Möglichkeit einer ganz anderen Lösung vom Tisch, dass nämlich eine dritte Person den Streit auflösen und die Partei anführen könnte. Wer in die SPÖ hineinhört, erfährt: Nachfrage nach einer dritten Person gibt es jedenfalls. Denn so breit die Unzufriedenheit über Rendi-Wagner auch gestreut ist, so viel Misstrauen hat sich Doskozil mit seinem ewigen Zaudern und Quertreiben erworben – und dem linksliberalen, urbanen Flügel ist der Burgenländer ohnehin ideologisch suspekt. Der lange währende Streit hat zudem beide Widersacher schwer beschädigt.

Es gelte, einer Wahl zwischen "zwei desaströsen Alternativen" zuvorzukommen, twitterte der Wiener Bezirksfunktionär Nikolaus Kowall stellvertretend für diese Haltung: Es liege an Bürgermeister Ludwig, dem Kärntner Landeshauptmann Kaiser, der einflussreichen Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures sowie an der roten Gewerkschaftsspitze, eine dritte Kandidatin oder einen dritten Kandidaten zu präsentieren. Mit dem Ergebnis vom Mittwoch ist die Suche nach Alternativkandidaten aber vorerst abgeblasen.

Bis zur Landtagswahl in Salzburg, die am 23. April stattfindet, soll der Konflikt zwischen Rendi-Wagner und Doskozil jedenfalls auf kleiner Flamme gehalten werden und wenn überhaupt in moderiertem Rahmen stattfinden. Das wird kein einfaches Unterfangen, da es auf beiden Seiten mittlerweile Verletzungen und erhebliche Befindlichkeiten gibt. Insbesondere die Teams der beiden Kandidaten pflegen eine regelrechte Feindschaft miteinander: Da fällt die Zurückhaltung schwer. (Michael Völker, Gerald John, Katharina Mittelstaedt, Stefanie Rachbauer, Sandra Schieder, Martin Tschiderer, 15.3.2023)