Der Auf-1-Kastenwagen fehlt nur selten auf Demonstrationen.

Foto: Markus Sulzbacher

Zuerst marschierten sie gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, nun sind sie gegen Flüchtlinge sowie für "Neutralität und Frieden" unterwegs und schwenken dabei russische Fahnen. Anfang März waren rund 1.000 Impfgegnerinnen und Impfgegner, Verschwörungsgläubige und bekannte Rechtsextreme in Wien unterwegs.

Angeführt wurde diese "Megademo" von dem Aktivisten und ehemaligen BZÖ-Politiker Martin Rutter, der sich seit mehr als zwei Jahren als Anführer der Proteste inszeniert. An seiner Seite marschierte die "Medicopter"-Schauspielerin Sabine Petzl, die mittlerweile als Moderatorin beim Verschwörungssender Auf 1 (Alternatives und unabhängiges Fernsehen) gelandet ist.

Sabine Petzl bei der Demonstration Anfang März.
Foto: Markus Sulzbacher
Russische Fahnen bei der Demonstration für Frieden in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Der in Oberösterreich beheimatete Sender ist das Medium der Demonstrierenden. Das zeigte sich bei der Demonstration in Wien, bei der etwa ein Mann ein weißes T-Shirt trug, auf dem handgeschrieben groß "Auf 1" zu lesen stand. Rund um den blauen Kastenwagen des Senders tummelten sich Personen, die sich – gegen eine Spende – mit Aufklebern, Fahnen oder Transparenten eindeckten.

Ein Mann trägt Auf-1-Shirt.
Foto: Markus Sulzbacher

Erst im Frühjahr 2021 in Linz gegründet, hat es Auf 1 nicht nur geschafft, das "Leitmedium der Verschwörungsideologen" zu werden, wie die "Süddeutsche Zeitung" in einem jüngst erschienenen Artikel schreibt, sondern auch andere rechte Medienprojekte zu überflügeln.

Hunderttausende rufen die Seite im Netz regelmäßig auf. Als der ebenfalls in Oberösterreich beheimatete "Wochenblick" sein Erscheinen einstellte, kamen einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Auf 1 unter, die nun eine Auf-1-Newsseite bespielen. Auf der "Wochenblick"-Seite finden sich nun Inhalte von Auf 1. Im vergangenen Jahr schaffte der Sender auch die Expansion nach Deutschland.

"Eines der reichweitenstärksten rechtsextremen Medien"

"Auf 1 ist heute eines der reichweitenstärksten rechtsextremen Medien aus Österreich, was vor allem an seiner erfolgreichen Erschließung des deutschen Desinformationsmarktes liegt", sagt der Rechtsextremismusexperte Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW).

"Weiße westliche Kultur"

Optisch kommt der Internetsender Auf 1 wie harmloses Frühstücksfernsehen daher. Aber egal ob Corona-Pandemie, die Attentate vom 11. September oder der russische Überfall auf die Ukraine, der Sender hat dazu Verschwörungserzählungen parat. Keine Geschichte ist zu steil: Mit "Putin wurde vom Westen in die Ecke gedrängt" oder "Impfungen machen Virus für Geimpfte gefährlicher" werden Sendungsbeiträge beschrieben.

Nebenbei wird auch noch eine "weiße westliche Kultur" beschworen und gegen die LGBTIQ-Community, seriöse Medien und die "Globalisten" gewettert – eine Bezeichnung, die von extremen Rechten als judenfeindlicher Code genutzt wird. Natürlich darf die zentrale rechtsextreme Verschwörungserzählung nicht fehlen: Der "Bevölkerungsaustausch ist die Antwort auf die Kindesabtreibungen", erzählt ein Studiogast. Ergänzend kommen bekannte Rechtsextreme als Studiogäste zu Wort.

"Flood the zone with shit"

Das Ganze erinnert an den zeitweiligen Donald-Trump-Berater Steve Bannon, dessen Devise lautete: "Flood the zone with shit". Soll heißen: Überflute die Menschen mit allem möglichen Unsinn, mit absurden Informationen, die Fakten verdrehen und hetzerisch sind, aber für Uninformierte glaubwürdiges Zeug. So lange, bis das Publikum nicht mehr weiß, was die Fakten sind, sondern auch glaubt, dass es prinzipiell gar keine gesicherten Fakten gibt. Oder überhaupt keine Wahrheit. So werden seriöse Medien umgangen und das desorientierte Publikum in eine Rechts-außen-Parallelwelt eingeführt.

"Prägendes Merkmal der Berichterstattung ist, dass sie über den üblichen Anspruch sogenannter Alternativmedien, von anderen vermeintlich bewusst unterdrückte Sachverhalte und Perspektiven zu präsentieren, noch hinausgeht", sagt Weidinger. Für ihn vertritt Auf-1-Gründer und -Chefredakteur Stefan Magnet "ein geschlossenes verschwörungsmythisches Weltbild, in das jedwedes Ereignis sich im Handumdrehen anpassen lässt. Egal was passiert – alles ist letztlich nur Beleg für die finstere Verschwörung im globalen Maßstab."

Auch greifen die düsteren Prophezeiungen grundsätzlich ins apokalyptische Register. Bei den Verschwörungen, die hier beschworen werden, geht es stets um totale Unterwerfung, totale Ausbeutung, Genozid, "ja um die Abschaffung der Menschheit schlechthin". Beiträge von Magnet verweisen dabei auf dessen "politische Wurzeln im Neonazismus: ständig recycelt er antisemitische Erzählungen und Topoi, die seit Jahrzehnten in neonazistischen Kreisen wiedergekaut werden, und passt neue Entwicklungen – wie die Corona-Pandemie – in sie ein", sagt Weidinger.

In Lederhosen bei der NPD

Magnet war in den Nullerjahren im Bund freier Jugend (BfJ) aktiv. Der BfJ gehörte zu den aktivsten rechtsextremen Gruppen Österreichs und war mit verschiedenen ähnlichen Gruppierungen vernetzt. Fotos aus dem Jahr 2004 zeigen Magnet und seinen damaligen Mitstreiter Michael Scharfmüller in Lederhosen bei einer Veranstaltung der neonazistischen deutschen NPD. Ein anderes Foto aus jenen Tagen zeigt Magnet gemeinsam mit Gottfried Küssel, der als Säulenheiliger der österreichischen Neonaziszene gilt.

Freispruch

2008 stand Magnet vor Gericht, er und Mitangeklagte wurden vom Vorwurf der NS-Wiederbetätigung freigesprochen. Später tauchte Magnet im Umfeld der oberösterreichischen FPÖ auf und betrieb eine Medienagentur. Recherchen des "Profil" zeigten, dass Magnets Firma 2019 und 2020 öffentliche Mittel der oberösterreichischen Landesregierung erhielt. Er arbeitete auch für Rechts-außen-Medien, wie den "Wochenblick".

Vor wenigen Tagen wurde ein Beitrag von Magnet in "Info-Direkt", dem Blatt seines ehemaligen Gefährten Scharfmüller, veröffentlicht: ein Nachruf auf Horst Ludwig, einen führenden Aktivisten der "Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik". Das ist eine Scharnierorganisation zwischen den verschiedenen rechtsextremen Gruppierungen und Parteien in Österreich. Ludwig stand 2008 mit Magnet vor Gericht. "Info-Direkt" bietet FPÖ- und AfD-Politikerinnen und -Politikern ebenso ein Podium wie Identitären. Ein Thema klammert das Medium aus, es wird nicht über die Zeit von 1933 bis 1945 berichtet, wie Scharfmüller bei einem Auftritt in Deutschland erklärte.

Rechter Mediencluster in Oberösterreich

Neben Auf 1 und "Info-Direkt" zählt auch noch "Report 24" zum rechten Mediencluster in Oberösterreich. Zwar bedient "Report 24" die gleiche Zielgruppe wie Auf1, allerdings hält sich das Medium eine Spur zurück und bietet auch der Impfgegnerpartei MFG ein Podium. Bekannte Gesichter tauchen allerdings eher bei Auf1 auf.

Der bekannte Identitäre Martin Sellner bei Stefan Magnet im Studio.
Foto: Screenshot

Als Interviewpartner reiht sich der ehemalige deutsche Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen neben Stars der Szene der Verschwörungsgläubigen ein, wie dem Mediziner Sucharit Bhakdi, dem bekannten Idenititären Martin Sellner und FPÖ-Chef Herbert Kickl. Es sind Auftritte, die Auf 1 Relevanz bescheinigen, die zentrale Währung im verschwörungsgläubigen Milieu.

Bekannte Rechtsextreme bei Auf 1

In den vergangenen Wochen kamen verstärkt bekannte Rechtsextreme bei Auf 1 zu Wort. Mitte März etwa der Identitäre Sellner, einige Tage zuvor trat der Putin-Fan und Herausgeber des rechtsextremen "Compact"-Magazins Jürgen Elsässer bei dem Sender auf. Gemeinsam mit Manfred Rouhs, der seit Jahrzehnten in verschiedenen Parteien und Gruppen der rechtsextremen Szene in Deutschland aktiv ist und für den islamfeindlichen Blog "PI-News" schreibt. Zuvor kam auch ein ehemaliger Funktionär der 1988 in Österreich verbotenen Nationaldemokratischen Partei (NDP) zu Wort, der ein enger Weggefährte des 2018 verstorbenen Holocaustleugners und Rechtsterroristen Gerd Honsik war.

"Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen"

Dass der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Maaßen in diesem Umfeld auftaucht, wundert nicht. Er hat in den vergangenen Jahren wenig ausgelassen. Immer wieder ist er mit rechten Äußerungen aufgefallen. Mitte Februar war das Maß voll. Zumindest für die CDU, deren Bundesvorstand einstimmig ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen eingeleitet hat. Ein Schritt, der damit begründet wurde, dass Maaßen, derzeit Mitglied im Thüringer Landesverband, immer wieder eine "Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen" gebrauche. Kurz zuvor behauptete er in einem Interview, es gebe eine "grün-rote Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse". (Markus Sulzbacher, 20.3.2023)