Peter Hanke hat der Kommission zwar eine Reihe von Unterlagen zur Verfügung gestellt, Gehaltvolles über die Abläufe und Prüfungen von Wien Energie, etwa seine Mail- oder Chat-Kommunikation, behält er aber – gesetzeskonform – für sich.

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Wien – Sehr weit her war es mit der von Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) versprochenen vollen Transparenz in der Untersuchungskommission am Donnerstag dann doch nicht. Der vermutlich meistgesuchte dreiteilige Bericht, für den Wirtschaftsprüfer PwC, die Anwälte von Freshfields und Finanzberater Ithuba die Spekulationsgeschäfte von Wien Energie analysiert haben, bleibt unter Verschluss.

Verfahrensrichter Martin Pühringer appellierte am Donnerstag erneut an Hanke, diese Berichte endlich einzuliefern. "Diese sollen ja ohnehin nur entlastend sein, also kann es kein Problem sein", sagte Pühringer hörbar säuerlich. Hanke berief sich wie bei den Handydaten auf Datenschutzgründe und Betriebsgeheimnisse, die eine Datenlieferung laut Magistrat nicht zuließen.

Hektische Tage

Auch sonst redete der für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Wiener Stadtwerke zuständige Stadtrat viel, bei den für die Notkreditlinien entscheidenden Details blieb er dann aber eher wortkarg und unklar. So hat Hanke nach eigenen Worten am 11. Juli in einem Telefonat mit Stadtwerke-Chef Peter Weinelt über den dringenden Bedarf an Vorsorge- und Liquiditätsmaßnahmen aufgrund der Nachschussverpflichtungen für die Termingeschäfte von Wien Energie gesprochen. Die Notkompetenz des Bürgermeisters, über die die ersten 700 Millionen Euro an Kreditlinien letztlich organisiert werden sollten, sei da aber kein Thema gewesen. Noch. Denn dann ging es sehr schnell.

Bereits am 12. Juli gab es einen ersten Entwurf für die Notkompetenz, in den die für Finanzen zuständige Magistratsabteilung 5 gemäß E-Mail-Verkehr im Elektronischen Akt auch von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gewünschte Ergänzungen einbauen sollte, ehe die Notkompetenz am 15. Juli gezogen wurde.

Von wem kam die Initiative?

Von wem die Initiative zur Nutzung der eher selten benutzten Notkompetenz tatsächlich ausging, war am Donnerstag nicht zu erfahren. Hanke schloss nicht aus, dass es die Wien-Energie-Mutter Stadtwerke war. Deren Chef, Martin Krajscir, sei ursprünglich aus dem Beamtenapparat gekommen und mit der Stadtverfassung bestens vertraut. Deshalb sei es naheliegend, dass diese Art der Liquiditätsbeschaffung von dort gekommen sein dürfte. Um im Lichte des Ukrainekriegs und steigender Gaspreise im Fall möglicher kommender Probleme handlungsfähig zu sein, habe Weinelt einen Antrag vorbereiten lassen.

Wie auch immer, am 15. Juli lag der zwischen Magistrat und Stadtwerke-Rechtsabteilung abgestimmte Entwurf auf dem Tisch des Stadtoberhaupts – und die Notkompetenz I war ausgeübt. Er selbst, betonte Hanke, habe mit Ludwig regelmäßig über zusätzliche Liquiditätsvorsorgen gesprochen, aber noch nicht über die Notkompetenz. "Die Notkompetenz war erst am 15. Juli ein Thema." Erst da sei der vom Magistrat geprüfte Antrag vorgelegen, betonte Hanke. "Da war es für mich fix, ordentlich und sauber."

Alternativ die Notkompetenz des Stadtsenats zu ziehen, in dem die Opposition über die nicht amtsführenden Stadträte vertreten ist, und nicht gleich die des Bürgermeisters, sei kein Thema gewesen.

"Proaktives Krisenmanagement"

Wiewohl Hanke, der als Vertrauensperson den Strafverteidiger Richard Soyer an seiner Seite hatte, die Ereignisse und das "proaktive Krisenmanagement" der Stadtregierung mittels Grafik und Zeitleiste eindrücklich darstellte. Von wem genau welche Initiative kam und warum, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Vieles sei telefonisch besprochen worden, aber die dazugehörigen Providerprotokolle seien gemäß Telekommunikationsgesetz leider nur drei Monate lang verfügbar.

In einem entscheidenden Punkt ist die eingangs erwähnte Kurzfassung des Expertenberichts von PwC, Freshfields und Ithuba übrigens aufschlussreich. Denn das zweieinhalbseitige Papier enthält eine lapidare Feststellung von großer Tragweite: "Sämtliche andere Geschäftstätigkeiten, zum Beispiel der Verkauf von Strom aus Eigenanlagen an Dritte, erfolgten nach den Regeln eines ordentlichen Kaufmanns und dienten wiederum dazu, das bestehende Aufbringungsportfolio für die Kund*innen bestmöglich zu nutzen."

"Andere Geschäftstätigkeiten"

Dass es sich bei diesen "anderen Geschäftstätigkeiten" just um jenes Geschäftsfeld handelt, für das die Sicherheiten in Milliardenhöhe (Margin-Calls) notwendig waren und sind, wird nicht erwähnt. Wohl ist das Geschäftsmodell, im Winter überschüssigen Strom über die Leipziger Strombörse zu verkaufen und im Sommer zu kaufen, für Wien Energie ohne Alternative. Ob das Risiko gerechtfertigt ist, Strom im Umfang von deutlich mehr als der gesamten eigenen Jahresproduktion zu verkaufen bzw. zu handeln, steht auf einem anderen Blatt.

Klar ist das Papier hingegen hinsichtlich der Auswirkungen extremer Preisausschläge und damit verbundener Margin-Calls: "Bei Nichtbedienung der Margin-Calls wären die Positionen unmittelbar geschlossen worden, wodurch ein Kapitalverlust in signifikanter Höhe entstanden wäre."

(Luise Ungerboeck, 16.3.2023)