Viele Anleger haben ihr bei der Credit Suisse geparktes Geld abgezogen. Nun geht es um die Existenz des Instituts.

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Die Ereignisse und die schlechten Nachrichten aus der Schweiz haben sich von Mittwoch auf Donnerstag überschlagen und halten die internationale Bankenwelt und die Finanzmärkte in Atem. Wie konnte es so weit kommen, und wie geht es nun weiter?

Frage: Wer ist die Credit Suisse Group?

Antwort: Die Gruppe gehört zu den 30 größten Banken der Welt, die allesamt als "too big to fail" und systemrelevant gelten, also im Fall der Fälle aufgefangen werden, so das Versprechen. Hervorgegangen ist sie aus der 1856 gegründeten Schweizerischen Kreditanstalt, die vor allem die Schweizer Industrie finanzieren sollte. Sie hat weltweit expandiert und in den 1990er-Jahren etliche andere Institute übernommen. 1977 bewirkte der Geldwäscheskandal (Chiasso-Affäre) einen Rekordverlust, die Bank wurde in der Folge zu einem Finanzkonzern umgebaut. Die globale Finanzkrise hat die Credit Suisse ohne staatliche Hilfe überstanden, anders als etwa ihre Konkurrentin UBS.

In den 2000er-Jahren unterzogen unterschiedliche Vorstandschefs das Institut zahlreichen Umstrukturierungen, im Februar 2020 flog ein interner Überwachungsskandal auf, der den Chef, Tidjane Thiam, den Job gekostet hat. Im März desselben Jahres kollabierte der US-Hedgefonds Archegos, den die Schweizer finanziert hatten, was sie 5,5 Milliarden Dollar kostete. Sie mussten zudem Fonds im Volumen von zehn Milliarden Euro einfrieren. 2021 musste der Verwaltungsratschef wegen Quarantäneverstößen gehen. Eine lange Reihe an Skandalen etwa rund um Geldwäsche erschütterte das Institut, Geldbußen wurden verhängt.

Frage: Wer führt die Bank heute?

Antwort: 2022 kam der Restrukturierungsexperte Ulrich Körner an die Spitze der Bank, er sollte ihre Strategie unter die Lupe nehmen. Körner ordnete einen Konzernumbau an: Kapitalerhöhung um vier Milliarden Franken, Streichung von 9.000 der insgesamt 52.000 Jobs bis Ende 2025, Ausgliederung der Investmentbank. Im Herbst stieg die Saudi National Bank mit 9,9 Prozent als Aktionärin ein.

Frage: Wie kam es zur aktuellen Krise?

Antwort: Im Februar hat die Credit Suisse ihre Zahlen veröffentlicht: einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken – das höchste Minus seit der Finanzkrise. Der Grund: die Sanierungskosten und eingebrochene Erträge aus dem Investmentbanking. Das Jahr 2022 war eines der schlechtesten Jahre in der Geschichte des Instituts. Im Schlussquartal 2002 zog die verunsicherte Kundschaft rund 113 Milliarden Euro ab.

Im März brach das US-Institut Silikon Valley Bank (SVB) zusammen, es war auf die Finanzierung von Start-ups spezialisiert. Die Aktien der Credit Suisse brachen am 15. März um bis zu 30 Prozent ein, auf 1,55 Euro, den tiefsten Kurs in der Geschichte des Instituts. Weltweit sorgt das nach wie vor für Beunruhigung. Am Mittwoch traf noch dazu eine Mitteilung des größten Einzelaktionärs, der Saudi National Bank, das Institut und seine Anleger ins Mark: Die Saudis gaben bekannt, dass sie kein frisches Geld mehr ins Institut einschießen werden, aus "aufsichtsrechtlichen Gründen" könne man nicht mehr als zehn Prozent der Aktien halten, so die karge Begründung.

Während am 15. März noch betont wurde, dass das Institut international und lokal, also in der Schweiz, gut aufgestellt und sehr gut kapitalisiert sei, wurde alles für eine Liquiditätsspritze von der Schweizerischen Notenbank (SNB) vorbereitet. Die Bank suchte um 50 Milliarden Schweizer Franken (51 Milliarden Euro) an, wie am Donnerstagfrüh ad hoc gemeldet wurde. Die Erklärung der Banker: Es gehe um "entschlossene Maßnahmen zur präventiven Stärkung" der Liquidität, die das Kerngeschäft und die Kunden der Credit Suisse unterstützen würden.

Die Schweizer Nationalbank hat der Credit Suisse 50 Milliarden Franken gepumpt.
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Frage: Was bewirkt die Aussicht auf den 50-Milliarden-Rettungsanker?

Antwort: Am Donnerstagvormittag legte der Aktienkurs um fast 33 Prozent zu, die Anleger gewinnen also Vertrauen zurück. Auch der europäische Bankenindex, der am Mittwoch sieben Prozent verloren hatte, legte um 2,3 Prozent zu.

Die Kreditausfallversicherungen für Credit-Suisse-Anleihen lagen laut Angaben von S&P Global Markets aber immer noch weit über den Werten vergleichbarer Banken. Das deutet darauf hin, dass die Anleger Credit Suisse weiterhin nur mit spitzen Fingern anfassen. Reuters zitierte Kian Abouhossein, Analyst bei JP Morgan, so: "Unseres Erachtens nach ist der Status quo keine Option mehr, da die Schwäche der Kredit- und Aktienmärkte zeigt, dass die Gegenparteien zunehmend Bedenken haben. Unserer Ansicht nach ist ein Abwicklungsszenario sehr unwahrscheinlich und eine Intervention wahrscheinlicher. Wobei die Option einer Übernahme, insbesondere durch die UBS, das wahrscheinlichere Szenario ist." Mit einer solchen Übernahme durch eine internationale Bank rechnen auch andere Fachleute, so auch österreichische.

Frage: Wie groß ist die Ansteckungsgefahr für den Bankensektor?

Antwort: Das kommt zum einen darauf an, wie eng die Geschäftsbeziehungen der anderen Institute mit der Credit Suisse sind – und zum anderen spielen bei Bankenkrisen immer auch psychologische Indikatoren aufseiten der Bankkunden eine große Rolle: Da geht es um deren Vertrauen in die Geldhäuser.

Der frühere Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, sieht die Existenz der Credit Suisse angesichts der Liquiditätsspritze der Schweizerischen Notenbank gesichert, die österreichischen Banken nicht gefährdet. Deren Exposure gegen die Schweizer Bank sei "nicht massiv, es besteht sicher keine konkrete Gefahr für Österreich und seine Banken", so Nowotny zum STANDARD.

Frage: Wie eng ist die Beziehung der österreichischen Institute zur Credit Suisse?

Antwort: Offizielle Zahlen sind derzeit nicht zu erfahren, die OeNB sammelt gerade alle aktuellen Daten zusammen. Die OeNB gibt derzeit keine Statements zu diesem Thema ab, Gouverneur Robert Holzmann wird sich erst am Freitag öffentlich äußern. Allerdings ist aus dem Haus am Otto-Wagner-Platz zu hören, dass das Exposure der österreichischen Banken in der Credit Suisse "überschaubar" sei. Dem Vernehmen nach geht es um 200 bis 300 Millionen Euro. Fix ist das aber nicht, sondern nur eine Momentaufnahme. Schließlich sind (nicht nur) die österreichischen Banken jetzt selbst am Durchforsten ihrer Bücher und am Entscheiden, wie sie mit ihren Geschäftsbeziehungen mit den Schweizern weitertun.

Frage: Was tun die Aufseher?

Antwort: Österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) und OeNB nehmen eben gerade die Geschäftsbeziehungen mit der Credit Suisse unter die Lupe. Die FMA hat insofern mehr Zahlen zur Verfügung, als sie auch Versicherer, Investmentfonds und Pensionskassen beaufsichtigt und deren Geschäftsbeziehungen zur Credit Suisse in Erfahrung bringen kann. Auch die FMA sagt aber derzeit nichts zu den Verwerfungen in der Schweizer Bank. Dramatische Auswirkungen auf den Finanzmarkt Österreich sieht man aber dem Vernehmen nach nicht. In der EZB beobachtet man die Entwicklung mit Argusaugen, ihre Chefin Christine Lagarde wird am Donnerstag nach der Zinssitzung zum Thema Stellung nehmen.

Der frühere Notenbank-Gouverneur, Ewald Nowotny, sieht keine Gefahr für Österreichs Banken.
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Frage: Was tun die Banken?

Antwort: Sie durchforsten eben ihre Bücher nach Geschäften mit der Schweizer Bank und müssen entscheiden, wie sie damit umgehen. Sie prüfen also, ob sie beispielsweise zusätzliche Besicherungen holen, ihr Engagement verringern oder beenden. Sollte das in größerem Umfang geschehen, dann würde das die Probleme der Credit Suisse vergrößern. Die Zahlen und Vorhaben aller europäischer Banken werden den nationalen Notenbanken gemeldet, damit die informiert sind und allenfalls Vorsorge treffen können, das gilt auch für die EZB.

Frage: Was wird der Credit Suisse aktuell angekreidet?

Antwort: Bank- und Finanzmarktexperten vermissen zum Teil werthaltige Informationen und kritisieren die Kommunikationsstrategie der Schweizer. Ihnen fehlen etwa konkrete Angaben über das künftige Geschäftsmodell der Credit Suisse und und vor allem auch genauere Informationen darüber, warum die Saudis kein Geld mehr in die Bank stecken wollen. Die Erklärung, dass es um "Aufsichtsrechtliches" gehe, sei wohl nicht genug, sagt ein Experte.

Zudem müsse die Credit Suisse begründen, warum sie genau 50 Milliarden Franken braucht und wie lange das Geld reichen würde, sollte es bei der Geldspritze der Notenbank darum gehen, etwaige Kundengeldabflüsse zu kompensieren. Es sei auch noch nicht kommuniziert worden, was genau die aktuelle Krise ausgelöst hat – also etwa der Kollaps der US-Bank SVB, Mittelabflüsse oder zu hoch bewertete Wertpapiere wie etwa Anleihen, die infolge der jüngsten Zinserhöhungen abgewertet werden müssen. Das Faktum, dass die Credit Suisse systemrelevant ist und ihre Schieflage sich auf andere Banken auswirke, mache derartige Erklärungen unverzichtbar, so der Banker. (Renate Graber, 16.3.2023)