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Pro: Die Faust in der Tasche

Von Sigi Lützow

Die geballte Faust in der Tasche ist zuweilen ein Zeichen für Selbstbeherrschung, großes Veränderungspotenzial hat sie nicht. Gerade aber Veränderung im Wirken des Weltfußballverbands Fifa hatten die Kritiker von Präsident Gianni Infantino nach der aus vielerlei Gründen skandalösen WM in Katar gefordert. Am Donnerstag wurde Infantino in Kigali per Akklamation für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Und es spricht wenig dagegen, dass der Schweizer sogar bis 2031 die Geschicke des Verbands mit seinen aktuell 211 Mitgliedsverbänden bestimmt.

Infantinos Kritiker applaudierten in Ruanda nicht mit, mag sein, einige hatten eine geballte Faust in der Tasche. Kritik war vor der Wiederwahl allerdings kaum zu vernehmen, lediglich die norwegische Verbandspräsidentin hat sich wieder zu Wort gemeldet und damit riskiert, erneut auch körperlich von Verbandspräsidentenkollegen bedroht zu werden, wie ihr das schon in Katar beinahe widerfahren wäre. Sonst gab's lediglich Willensbekundungen, nicht für Infantino zu klatschen. Eine Gegenkandidatur traute sich niemand zu.

Freilich, sie wäre aussichtslos. Die kleine Gruppe der Kritiker von Infantinos Selbstherrlichkeit, seinen freundschaftlichen Kontakten zu Despoten und Diktatoren, seinem Verrat an moralischen Grundsätzen, die sich die Fifa eigentlich selbst verordnet hat, ist isoliert. Auch weil sie ihre Rechtschaffenheit zwar wie eine Monstranz vor sich herträgt, wenn es aber hart auf hart geht, nicht hält. Bestes Beispiel dafür war das Einknicken des deutschen Fußballbundes im Streit um die Regenbogen-Kapitänsbinde während der WM in Katar.

Aktuell, so wird gemunkelt, lehnt sich der DFB auch nicht aus dem Fenster, weil er ganz gerne den Zuschlag für die Frauen-WM 2027 hätte. Da macht es keinen schlanken Fuß, wenn andererseits beklagt wird, dass Infantino durch großzügige Zuwendungen auch für die kleinsten Verbände seine Macht absichert. Es ist ihm ein Leichtes, seine vorwiegend europäischen Kritiker als hochmütige Postkolonialisten zu denunzieren, die Verbände aus Afrika und Asien leichtfertig der Korruptionsanfälligkeit zu zeihen und insgesamt mit Geringschätzung zu behandeln.

Österreichs Fußballbund zieht sich auf den Standpunkt zurück, dass Dialog mit dem Übermächtigen der beste Weg zu zumindest kleinen Veränderungen ist. Ein Lippenbekenntnis auch das, aber wenn selbst die größten europäischen Spielmacher nicht mehr als die geballte Faust in der Tasche zu bieten haben, könnte man dem österreichischen Applaus für Infantinos Wiederwahl zumindest eine gewisse Ehrlichkeit zugutehalten. (Sigi Lützow, 16.3.2023)

Kontra: Aufmucken bitte

Von Fritz Neumann

Konstruktivität, ja eh. Der Argumentation des interimistischen ÖFB-Präsidenten Johann Gartner, der am Donnerstag für weitere vier Jahre Gianni Infantino an der Fifa-Spitze stimmte, lässt sich schon etwas abgewinnen. Der ÖFB wolle "einen konstruktiven Part" einnehmen und positiv auf die Fifa einwirken, sagte Gartner. Und es stimmt ja auch: ein Denkzettel in Form einer Enthaltung oder gar Gegenstimme hätte niemandem geholfen.

Aber dass Infantino einzementiert ist und es keine Alternative zu ihm gab und gibt, kommt Österreich schon sehr zupass. Gartner sagte es ja auch: "Infantino ist der einzige Kandidat, und er wird daher auch vom ÖFB unterstützt." Damit macht man es sich leicht. Eine kritischere Haltung, man könnte auch sagen: überhaupt eine Haltung stünde Österreich gut zu Gesicht. 7,25 Milliarden Euro hat die Fifa in den vier Jahren vor der WM 2022 in Katar eingenommen, bis 2026 wird der Rekord auf 10,3 Milliarden Euro ausgebaut. Und die Mitgliederländer, die unabhängig von ihrer Größe und Bedeutung jeweils eine Stimme haben, werden von der Fifa ordentlich bedacht. Deshalb mucken nur ganz wenige auf, allen voran die Skandinavier und Deutschland.

Dabei gäbe es durchaus Gründe, um aufzumucken. Die Fifa hat zugelassen und jahrelang zugesehen, wie unzählige asiatische Gastarbeiter auf WM-Baustellen in Katar ausgebeutet wurden. Die Katarer selbst sprachen, nachdem sie Todesfälle jahrelang bestritten hatten, am Ende von 400 bis 500 toten Gastarbeitern, Menschenrechtsorganisationen gehen von vierstelligen Zahlen aus. Doch davon, die Familien der toten Gastarbeiter zu entschädigen, ist die Fifa weit entfernt. Das ist ein Missstand, auf den man schon hinweisen könnte, hinweisen sollte. Norwegens Fußballverband mit seiner Präsidentin Lise Klaveness tut es immer wieder, und aktuell nimmt auch die norwegische Starstürmerin Ada Hegerberg, sechsmalige Champions-League-Siegerin und 2018 die erste Weltfußballerin des Jahres, die Fifa in die Pflicht. Aus Österreich kommt gar nichts, weder vom ÖFB noch von Spielern oder Spielerinnen. (Fritz Neumann, 16.3.2023)