Dirigent Lorenzo Viotti.

Foto: Gulbenkian Música, Márcia Lessa

Wien – Prallvoll wie ein Apothekerschrank ist das Angebot des Musikverein-Festivals namens Beethovens Medizinlöffel, das noch bis zum 1. April andauert. Für viele ist ja der Glaube das ultimative Heilmittel, ein Stimmungsaufheller in düsteren Zeiten. Im Konzert der Wiener Symphoniker standen am Mittwochabend mit Olivier Messiaens Les Offrandes oubliées und Arthur Honeggers Dritter Symphonie zwei christlich geprägte Werke im Fokus, die "die Suche nach Frieden" schildern. So beschrieb jedenfalls Dirigent, Musikverein-Porträtkünstler und Geburtstagskind Lorenzo Viotti (33) im nachtschattenblauen Frack vorab die beiden Außenflügel des Konzertprogramm-Triptychons.

In dessen Herzen war mit Alban Bergs Konzert für Violine und Orchester stimmigerweise ein Werk platziert, das "dem Andenken eines Engels" gewidmet ist, wohl aber dem eines irdischen. Augustin Hadelich interpretierte es feinfühlig, uneitel und sorgsam: quasi als ausführender Kammerdiener des Komponistenauftrags. Tastend seine Zugabe, das Andante aus Bachs Zweiter Violinsonate: wohl eine Resonanz auf das Bach-Zitat am Ende des Violinkonzerts.

Schwebende Klanginseln

Das fordernde Programm interpretierten Viotti und die Symphoniker mit redlicher Anstrengung. Mit scharfkantigem Motivmaterial und wuchtiger Motorik beeindruckte der Kopfsatz von Honeggers Liturgique; nach klingenden Schreckensbildern wurde den Zuhörern am Ende des Nachkriegswerks Frieden in Form von zaghaften Idyllen gewährt. Berührend auch die schwebenden Klanginseln der hohen Streicher beim Messiaen-Finale: Auch Viotti selbst zeigte sich davon bezaubert. In den Reihen des Großen Saals taten sich im Publikum teils beachtliche Lücken auf – möglicherweise haben manche Abonnenten die drei Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als eine zu bittere Medizin empfunden und die Einnahme verweigert. (sten, 16.3.2023)