Ist Pedro Pascal der beste Schauspieler seiner Generation? Wahrscheinlich nicht. Wird er 2023 zum "Sexiest Man Alive" gekürt werden? Wahrscheinlich auch nicht. Hat Pedro Pascal kürzlich etwas außergewöhnlich Großartiges oder Schreckliches getan? Nicht, dass wir wüssten. Warum entkommt man dem Mann mit dem Schnauzer dann gerade nicht, wann immer man einen Internet-Browser öffnet? Warum gibt es unzählige Memes über ihn, warum geht sogar seine Starbucks-Bestellung viral, wieso nennen ihn Menschen "Daddy"? Wie und warum ist Pedro Pascal zum sogenannten Internet-Boyfriend der Stunde geworden? Warum gerade jetzt?

Bevor hier all diese Fragen beantwortet werden, eine kurze Einführung für alle, die sich gerade fragen: "Pedro wer?" José Pedro Balmaceda Pascal spielt in zwei aktuell stark rezipierten Serien eine Hauptrolle. Er verkörpert "The Mandalorian" im gleichnamigen "Star Wars"-Spin-off, dessen dritte Staffel gerade läuft. Und er ist Joel in der schwer beliebten Game-"Serifizierung" "The Last of Us", deren erste Staffel gerade zu Ende gegangen ist.

Pedro Pascal als Joel in "The Last of Us".
Foto: HBO

Unerwarteter Aufstieg

Um "The Last of Us" war schon vor Erscheinen ein regelrechter Hype ausgebrochen. Die Erwartungen an die Serie, die sich wie das Spiel um den Überlebenskampf von Joel und seiner Schutzbefohlenen, dem Teenager Ellie, in einem postapokalyptischen Amerika dreht, waren hoch. Bereits das Casting von Pascal als Joel und Bella Ramsey als Ellie sendete positive Signale. Beide waren bereits in "Game of Thrones" zu sehen, Ramsey als Lyanna Mormont, Pascal als dornischer Prinz Oberyn Martell. Beide waren schnell zu Lieblingen der Fans avanciert, das Publikum wollte mehr. Das war der Moment, in dem Pascals Karriere an Fahrt aufnahm – in der darauf folgenden Rolle als Javier Peña in "Narcos" gelangte Pascal zu weiterer Beliebtheit und Bekanntheit.

Vor seinem Auftritt in "Game of Thrones" lief es bei Pascal nur so lala. Der 1975 in Santiago de Chile Geborene studierte an der New Yorker University Tisch School of the Arts. Er konnte sich kleinere Rollen in Serien wie "Buffy the Vampire Slayer", "The Mentalist" oder "Homeland" sichern, auch in einem Musikvideo der Sängerin Sia war er als Schmusepartner von Heidi Klum zu sehen. Traumjobs waren das sicher keine. Wie zahlreiche Serienschauspieler und -schauspielerinnen, die mal dort, mal da drei Sätze sagen dürfen, war Pascal die längste Zeit auf das Leben in der zweiten, eher dritten Reihe gebucht. Dass er sich noch mal zum Leading Man mausern würde, wirkte unwahrscheinlich. Auch die kleine Rolle des – na, nennen wir es mal sex- und gewaltpositiven – Oberyn Martell in "Game of Thrones" fiel eigentlich in die Kategorie "supporting", aber siehe da: Das Wunder geschah, a star was born.

Traum der woken Frau

Dass Pascal nun durch seine gleichzeitige Präsenz in "The Last of Us" und "The Mandalorian" viel Aufmerksamkeit als Schauspieler bekommt, ist nur logisch. Dass er aber aktuell von zahlreichen Menschen, vor allem heterosexuellen Frauen, die Videomontagen seines Lächelns machen und 70 Tweets am Tag absetzen, zum perfekten Mann stilisiert wird, ist einem Zusammenspiel von mehreren Faktoren geschuldet.

Da ist auf der einen Seite Pedro Pascal als Person, beziehungsweise das unvollständige, aber wirkmächtige Bild, das sich aufgrund seiner Biografie, seines Auftretens bei Interviews und von Aussagen seiner Arbeitskollegen und -kolleginnen über ihn ergibt: Ein sympathischer, bodenständiger und humorbegabter Kerl, ein Kind politischer Flüchtlinge, ein Ally der LGTBQI+-Community (seine Schwester ist die Schauspielerin und Transaktivistin Lux Pascal) – der Traum des modernen, woken Menschen, spezifischer: der heterosexuellen Frau. Wie es seine Kollegin Melanie Lynskey formuliert: "There's just nothing wrong with him".

Im Gegensatz zu anderen angehimmelten Hollywood-Beaus wie Brad Pitt mit seinen Wutbewältigungsproblemen oder Leonardo DiCaprio mit seiner Modelfixierung gilt Pascal als "nicht toxisch", als sogenannter "unproblematic king". Pascal fällt ungefähr in dieselbe Kategorie wie Keanu Reeves, der im Internet kultisch dafür verehrt wird, dass Leute "keine schlechten Erfahrungen mit ihm gemacht haben". Dass das schon reicht, um als außergewöhnlich begehrenswert wahrgenommen zu werden, spricht Bände.

Papa und Daddy

Bände spricht aber auch, dass gerade eine Person, die als so "wholesome" (Übersetzungen wie "bekömmlich" oder "harmlos" werden dem englischen Begriff nicht ganz gerecht) gilt, erst recht sexualisiert wird – und zwar von Horden "moderner Frauen". Denn Pascal gilt nicht nur als Internet-Boyfriend, sondern auch als "Daddy", ein Begriff, der einen älteren (älter als man selbst) Mann beschreibt, mit dem man gerne Sex haben würde, und zwar nicht unbedingt auf die zärtliche Weise. Stichwort: Sexfantasie/Rollenspiel, in der der Mann den Ton angibt. Stichwort: Vaterkomplex. Dass sich Pascal anfänglich, wenn auch ironisch, auf diese "Charakterisierung" eingelassen hat, befeuerte die Angelegenheit zusätzlich.

Saturday Night Live

Pascal gilt aber nicht nur wegen seines "besten Alters" als "Daddy", sondern weil er in "The Mandalorian" sowie "The Last of Us" tatsächlich Vaterfiguren spielt. Und zwar solche, die das alte Klischee des Mannes als verlässlicher Beschützer bedienen. The Mandalorian beschützt Grogu, Joel beschützt Ellie – und da ist dem Charakter jedes Mittel recht. Somit speist sich die "Projektionsfläche Pascal" aus durchaus widersprüchlichen Männerbildern, die aber nahtlos ineinander verschwimmen; die Privatperson wird mit ihren Rollen vermischt. Sämtliche Geschmäcker werden bedient: Pascal ist gleichzeitig wholesome und gefährlich, fähig, jemanden mit den richtigen Pronomen anzusprechen, aber auch aus einem brennenden Haus zu retten, Papa, der das Jausenbrot schmiert, und "slutty daddy", der dir im Bett eine schmiert, wenn du das willst.

Das ist ein bisschen viel. Auch Pascal selbst, der die Objektifizierung seiner Person lange mit Humor nahm, scheint langsam genug zu haben. Kürzlich lehnte er auf einem roten Teppich erstmals ab, Tweets voller Sexfantasien über seine Person laut vorzulesen. Den Fehler macht er nicht noch einmal. Geschrieben werden sie wohl trotzdem weiterhin werden. (Amira Ben Saoud, 17.3.2023)