In Bahrain überraschte Alonso als erster Verfolger von Red Bull. Das lässt auch für den Großen Preis von Saudi-Arabien am Sonntag viel erwarten.

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Alexander Wurz über Fernando Alonso: "Im Auto ist er ausgefuchst, egozentrisch und äußerst aggressiv. Es gibt ganz wenige wie ihn."

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Der derzeit interessanteste Fahrer der Formel 1 ist 41 Jahre alt und zweifacher Weltmeister mit Scheiß-drauf-Mentalität: Fernando Alonso. Er hat beim Saisonauftakt in Bahrain mit Platz drei überrascht und von seinem Aston Martin geschwärmt: "Dieses Auto lässt sich traumhaft fahren."

Alonso ist seit einer gefühlten Ewigkeit Teil der Formel 1. Er hat schnellste Rennrunden gedreht, schlimme Unfälle überstanden und im Ferrari vor ekstatischem Publikum in Spanien gewonnen. Seine 356 Grand-Prix-Starts sind Rekord. Als Alonso 2001 seinen ersten Grand Prix fuhr, tauschte Max Verstappen gerade die Windel gegen das Töpfchen. Was bleibt hängen von einer so langen Karriere? Um das herauszufinden, schrieb ich den Formel-1-Fans in meinem Umfeld eine Whatsapp-Nachricht: "Was ist das Erste, was dir zu Fernando Alonso einfällt?" Ein Arbeitskollege aus Deutschland antwortet am schnellsten:

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Das Image eines Antihelden umgibt Alonso. Seine WM-Titel stammen aus den Nullerjahren, schon lange fährt er nicht um Siege, sorgt aber für Unterhaltung im Mittelfeld.

Ob Alonso im persönlichen Umgang ein Egoist ist, weiß Alexander Wurz. Der ORF-Experte kennt den Spanier gut, fuhr selbst noch gegen ihn, war später bei den 24 Stunden von Le Mans sein Mentor. "Fernando ist ein guter Kerl, der Leuten zuhört, nett mit ihnen umgeht", sagt Wurz dem STANDARD: "Nicht der Allerherzlichste, aber man kann mit ihm gut Schmäh führen." Doch Alonso könne es nicht tolerieren, wenn jemand seine Leistung nicht bringe. Wurz beschreibt ihn als akribisch, in der Analyse nachdenklich. Dafür erhielt Alonso früh Lob seines Teamchefs bei Aston Martin, Mike Krack. Der sagte bei der Präsentation des Rennautos im Februar: "Du kannst dich nicht vor Fernando Alonso verstecken. Wir diskutieren mit offenen Visieren, sehr direkt. Das gefällt uns."

Ein Studienfreund meldet sich auf Whatsapp:

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Vergangene Saison fuhr Alonso für Alpine, kreierte dort einen Mythos, indem er von "El Plan" sprach, dem großen Ziel: noch einmal konkurrenzfähig werden, um Siege mitfahren. Alpine bot ihm vorerst einen Vertrag für ein weiteres Jahr an, Alonso wollte mehr. Weil Sebastian Vettel die Karriere beendete, wurde ein Cockpit bei Aston Martin frei, hinterrücks handelte Alonso einen längerfristigen Vertrag aus. Der Wechsel vom viert- zum siebtbesten Team war perfekt, Alpine überrumpelt, Plan geändert.

Schnell passte sich Alonso dem neuen Auto an, in Bahrain fuhr er zum 99. Mal in seiner Karriere auf das Podest. "Er kann seinen Fahrstil auf alles einstellen, was er unter den Füßen hat. Dabei helfen ihm seine stark ausgeprägten Instinkte", sagt Wurz: "Fernando ist alles andere als ein Reifenschoner, er rutscht relativ viel." Der Aston Martin baut in Longruns im Vergleich zur Konkurrenz weniger schnell ab. Wurz: "Eine starke Kombination."

Das Handy vibriert, Whatsapp:

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Meist endet die Zusammenarbeit mit Alonso in einem abgekühlten Verhältnis. Ihm selbst ist das völlig egal; er ist schnell genug, um jederzeit an anderer Stelle ein Cockpit zu bekommen. Bei McLaren, wo er 2015 bis 2018 fuhr, schimpfte er so lange über den schwachen Honda-Motor und das miese Auto, bis auch der letzte Freund im Team entnervt war. Sinnbildlich dafür steht eine Szene aus Brasilien: Im Qualifying musste Alonso einmal wieder seinen defekten Wagen auf der Strecke abstellen. Er setzte sich auf den Campingsessel eines Streckenpostens, legte die Füße auf seinen Helm und badete in der Sonne. Das Foto des seligen Alonso, den Kopf mit geschlossenen Augen nach oben gerichtet, wurde zum Meme.

Alonso beim Qualifying zum Großen Preis von Brasilien 2015.
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Auch mit Ron Dennis zerstritt er sich, im Jahr 2007 bei McLaren. Alonso haderte, dass er nicht als unumstrittene Nummer eins gesehen wurde. Teamkollege: Lewis Hamilton in seiner ersten Formel-1-Saison. Nach internem Hickhack verpassten beide um einen Punkt den WM-Titel, den Kimi Räikkönen im Ferrari holte. Nach einer Saison kehrte Alonso zurück zu Renault.

Noch eine Whatsapp-Nachricht:

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Stimmt, Alonso ist mit Servus-TV-Moderatorin Andrea Schlager liiert. Zuvor war er fünf Jahre mit der Sängerin Raquel del Rosario verheiratet. Alonso ist der Sohn eines Sprengmeisters und einer Bekleidungsverkäuferin. Der Vater bastelte Fernandos Schwester einmal ein Kart, sie war aber weniger interessiert als der fünf Jahre jüngere Bub. Er holte drei spanische Kartmeistertitel und kam 1999 zu Formel-1-Testfahrten für das Minardi-Team, bei dem er 2001 debütierte. Nach einem Jahr lockte ihn sein Manager Flavio Briatore zu Renault. Dort holte er zwei WM-Titel. Neben Spanisch und Englisch spricht Alonso auch fließend Italienisch und Französisch.

Der größte Formel-1-Hooligan der STANDARD-Redaktion schreibt:

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Eine schöne Anekdote: Der schwächelnde Renault-Rennstall wartete lange auf einen Sieg. Auf dem Stadtkurs von Singapur crashte Nelson Piquet jr. in die Leitplanken, Teamkollege Alonso profitierte und gewann den GP. Jahre später kam heraus: Teamchef Briatore orderte Piquet den Unfall an. Ermittlungen führten zur Causa Crashgate, ein Jahr später sperrte die Formel 1 Briatore auf Lebenszeit.

Dabei hat es Alonso nicht nötig, dass sich Teamkollegen für ihn einbauen. Er gilt als einer der schnellsten Piloten der letzten Jahrzehnte. Im Auto ist Alonso eine harte Nuss, sagt Experte Wurz: "Ausgefuchst, egozentrisch und äußerst aggressiv." Zuletzt in Bahrain wurde Alonso für seine Überholmanöver gegen Lewis Hamilton und Carlos Sainz gelobt. Wurz: "Es gibt ganz wenige wie ihn. Das Maximum tagtäglich abzurufen, nie Durchhänger zu haben, immer zu attackieren über so viele Jahre ist beeindruckend."

Plötzlich scheint der Wechsel von Alpine zu Aston Martin auch sportlich Sinn zu machen. Wurz: "Ferrari und Mercedes müssen aufpassen, dass Fernando nicht mit Aston Martin die zweite Kraft wird." Hinter Red Bull, eh klar.

Die letzte Whatsapp-Nachricht:

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Fernando Alonso sagt: "Die Formel 1 braucht gute Charaktere und böse. Helden und Antihelden. Ich bin auf der dunklen Seite." (Lukas Zahrer, 17.3.2023)