Für unangemessen hält der Verfassungsexperte Heinz Mayer in seinem Gastkommentar die geplante Stiftung "Forum Verfassung". Der Erstentwurf, der nun überarbeitet wird, sei geeignet, "vor allem kritische Stimmen zurückzudrängen oder zum Verstummen zu bringen".

Der VfGH, mit Christoph Grabenwarter an der Spitze, spricht durch Entscheidungen zur Öffentlichkeit. Soll eine bundesgeförderte Stiftung dafür auch PR machen?
Foto: APA / Hans Punz

"Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist!" Dieser legendäre Ausspruch aus dem Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016 fiel mir ein, als ich kürzlich einen Gesetzesantrag von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos zur Errichtung einer Stiftung "Forum Verfassung" las. Diese Stiftung soll jährlich 700.000 Euro sowie einmalig einen Betrag von 710.000 Euro aus Mitteln des Bundes erhalten und einen privaten Verein ersetzen. Im Begutachtungsverfahren wurden insbesondere vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, von der Finanzprokuratur und vom Wiener Juridicum erhebliche Bedenken vorgebracht. Der Verfassungsausschuss des Nationalrates hat sich daraufhin erfreulicherweise veranlasst gesehen, den Initiativantrag noch einer genaueren Beratung zu unterziehen.

Erhebliche Bedenken

Was sind nun die Bedenken? Sie ergeben sich aus der Organisation der Stiftung und deren Zwecken. Entscheidendes Stiftungsorgan ist der Vorstand; er besteht aus drei aktiven Richterinnen oder Richtern des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) und ist allgemein für die Erfüllung der Stiftungszwecke zuständig. Ein Kuratorium, bestehend aus 20 Personen, hat lediglich beratende Funktion. Die vom Vorstand zu besorgenden Aufgaben bestehen im Wesentlichen in der Darstellung und Vermittlung der Verfassungsgerichtsbarkeit, ihrer Entscheidungspraxis und Judikatur. Diese Aufgaben sollen also von drei aktiven Verfassungsrichterinnen oder Verfassungsrichtern, gefördert mit erheblichen Mitteln des Bundes, erfüllt werden. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sollen die Durchführung von Veranstaltungen, die Förderungen von wissenschaftlichen Arbeiten und die Verleihung eines Verfassungspreises dienen. Dieser Verfassungspreis ist jährlich an zwei Personen mit je 40.000 Euro zu verleihen.

So einnehmend das auf den ersten Blick klingen mag, zeigen sich doch bei genauerer Betrachtung erhebliche Bedenken. Kriterien, welche die potenziellen Preisträgerinnen oder Preisträger erfüllen müssen, sind nicht vorgesehen; der Vorstand ist bei der Auswahl völlig frei. Ob die drei im Vorstand vertretenen Verfassungsrichterinnen oder Verfassungsrichter auch kritische Instanzen als förderungswürdig oder preiswürdig ansehen werden? Oder doch eher ein wohlwollendes Engagement auszeichnen?

Bessere Lösungen

Zu all dem kommt, dass nach den Erläuterungen geplant ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des VfGH, die in diesem nur teilbeschäftigt sind, bis zur Vollbeschäftigung in der Stiftung tätig sein sollen. Das bedeutet auf den Punkt gebracht: Wer Richterinnen oder Richter bei der Vorbereitung von Entscheidungen am Vormittag im VfGH berät und unterstützt, wechselt mittags in die Stiftung und unterstützt die drei Mitglieder des Vorstandes bei der Darstellung dieser Entscheidungen und bei ihrer Analyse.

Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dabei sowohl im VfGH wie auch im Stiftungsvorstand aktiven Verfassungsrichterinnen oder Verfassungsrichtern untergeordnet. Bietet diese Regelung eine Gewähr dafür, dass auch kritische Auseinandersetzungen mit der Rechtsprechung des VfGH gefördert werden? Ohne den amtierenden Personen nahe treten zu wollen, muss man wohl davon ausgehen, dass es erheblich bessere Lösungen gibt.

"Damit ist der VfGH mit seiner Stiftung in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Bundesgesetzgeber oder den regierenden politischen Parteien."

Zur wichtigsten Aufgabe des VfGH gehört es, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Damit kommt der VfGH regelmäßig mit dem Bundesgesetzgeber und den Parteien, die ihn repräsentieren, in Konflikt. Gleichzeitig soll die vom VfGH betriebene Stiftung jährlich mit 700.000 Euro gefördert werden; die nicht unerheblichen Budgetmittel werden vom Bundesgesetzgeber gewährt und können von diesem jederzeit gekürzt oder gestrichen werden. Damit ist der VfGH mit seiner Stiftung in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Bundesgesetzgeber oder den regierenden politischen Parteien. Es ist unverständlich, dass der VfGH in diesem Gesetzesentwurf einen rechtsstaatlichen Fortschritt erkennen will. Diese damit geschaffene Nähe der Gesetzgebung zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist abzulehnen.

Kritik verstummt

Zu Recht scheinen die Initiatoren des Entwurfes nunmehr doch Bedenken zu hegen. In einer rechtsstaatlichen Demokratie sprechen Gerichte durch ihre Entscheidungen und deren Begründungen zu den Parteien und zur Öffentlichkeit. Dies gilt insbesondere auch für den VfGH, dessen Entscheidungen häufig von erheblicher politischer Brisanz sind. Es ist daher unangemessen, wenn der VfGH derart seine Entscheidungen mithilfe erheblicher öffentlicher Mittel in der Öffentlichkeit darstellen und analysieren lassen will. In einer rechtsstaatlichen Demokratie kommt diese Aufgabe der Fachwelt und den Medien zu. Nur dadurch ist Gewähr geboten, dass nicht nur gefällige, sondern auch kritische, Stimmen öffentlich werden. Der vorliegende Entwurf ist geeignet, vor allem kritische Stimmen zurückzudrängen oder zum Verstummen zu bringen.

"In einer rechtsstaatlichen Demokratie kommt diese Aufgabe der Fachwelt und den Medien zu."

Zu guter Letzt: Der Verfassungsdienst hat darauf hingewiesen, dass der vorliegende Entwurf in einem erheblichen Spannungsverhältnis mit der Judikatur des VfGH steht, hat er doch in einem Erkenntnis ausgeführt, dass einem Gericht neben der Rechtsprechung nur Aufgaben der Justizverwaltung übertragen werden dürfen. Die hier vorgesehenen Aufgaben sind weder das eine noch das andere. Solche Aufgaben werden eben von Institutionen der Fachwelt und durch unabhängige Medien besorgt. Dass die vier Parlamentsparteien nunmehr offenbar selbst Zweifel an ihrem eigenen Entwurf haben, ist lobenswert und sollte zu einer grundsätzlichen Überarbeitung führen. (Heinz Mayer, 17.3.2023)