Zürich/Wien – Welchen Wert haben Medieninhalte für Google? Das untersuchte und bemisst das Schweizer Forschungs- und Beratungsunternehmen Fehr Advice & Partner im Auftrag des Verlegerverbandes Schweizer Medien mit einem nach eigenen Angaben weltweit einzigartigen Experiment. Der Anlass: Die Schweiz bereitet ein Leistungsschutzrecht für Medien gegenüber Tech-Plattformen wie Google vor, wie es im Großteil der EU-Staaten schon umgesetzt ist.

1.572 Menschen in der Schweiz nahmen Ende Jänner, Anfang Februar 2023 an dem Experiment teil. Sie sind laut Fehr Advice repräsentativ für die Bevölkerung der Deutsch- und Westschweiz im Alter von 18 bis 64 Jahre. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer suchten in dem Experiment nach Themen in den Interessengebieten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Einem zufällig ausgewählten Teil von ihnen wurde ein Suchergebnis mit Medieninhalten angezeigt, dem anderen ein Suchergebnis ohne Medieninhalte.

Ein Beispiel von Fehr Advice zur Illustration des Experiments – links ein Suchergebnis mit Medieninhalten, rechts ohne.
Foto: FehrAdvice & Partner

Ergebnisse laut Fehr Advice:

  • Die Teilnehmer wurden nach der Suche etwa befragt, ob sie ihre Frage mit dem Suchergebnis beantworten konnten. 67 Prozent der Teilnehmer mit Suchergebnissen ohne Medieninhalte bejahten dies, aber 73 Prozent jener mit Medieninhalten im Suchergebnis.
  • Wie zufrieden sind Sie mit den Suchergebnissen? Fünf Punkte gab es hier für volle Zufriedenheit. Im Themenbereich lagen die Bewertungen bei 3,7 Punkten (ohne Medieninhalte) und 4,1 (mit Medieninhalten); In der Wirtschaft bei 3,6 (ohne) und 4,0 (mit) sowie zu Gesellschaftsthemen bei 4,0 und 4,1.
  • Eine explizite Frage, welche Variante der Google-Suche bevorzugt würde, habe 30 Prozent für eine ohne Medieninhalte ergeben, aber 70 Prozent für eine mit diesen, berichtet Fehr Advice.
  • Nutzen die Teilnehmer Google für eine neuerliche Suche? Erhielten sie zuvor ein Suchergebnis mit Medieninhalten, dann würden 60 Prozent wieder via Google suchen. Jene ohne Medieninhalte bei der ersten Suche würden zu 55,2 Prozent wieder über Google suchen. Umgekehrt würden 6,6 Prozent mit Erfahrungen eines Google-Ergebnisses mit Medieninhalten bei der nächsten Suche zu Medienseiten wechseln, berichtet Fehr Advice, 10,2 Prozent jener, die zunächst Ergebnisse ohne Medieninhalte angezeigt bekamen, würden zu Medienseiten wechseln statt noch einmal via Google zu suchen. Bei weiteren Suchen könnte sich diese Tendenz verstärken, vermutet Fehr Advice.
  • Fehr Advice berichtet auch von deiner signifikant höheren Zahlungsbereitschaft für ein Google mit Medieninhalten als ohne.

Der Wert der Medien für Google – eine Berechnung

Fehr Advice versucht in der Studie für Schweizer Medien auch den konkreten Wert der Inhalte von Schweizer Medien für Google zu bestimmen – und kommt auf 154 Millionen Schweizer Franken, rund 156 Millionen Euro pro Jahr.

Wie kommen die Berater auf diesen Betrag? 86 Prozent der Menschen in der Schweiz würden Google und andere Suchmaschinen nutzen, um nach Informationen zu suchen. Ein Großteil der Userinnen und User – laut Fehr Advice 53 Prozent – bleibe bei der Suche auf Google im Ökosystem von Google und klicke nicht weiter auf Medien- und andere Webseiten. Und, so die Studienautoren weiter: In 70 Prozent der Fälle leisteten die Medieninhalte einen wesentlichen Beitrag zum positiven Sucherlebnis.

Diese 70 Prozent spielen eine Rolle bei der Berechnung von Fehr Advice: Google setze jährlich rund eine Milliarde Franken in der Schweiz mit Suchmaschinenwerbung um. Rund 55 Prozent der Anfragen suchten nach Informationen, so die Berater – das bedeute 550 Millionen Franken relevanter Umsatz. Das Experiment zeige, dass zu 70 Prozent der Informationssuchen Medieninhalte einen wesentlichen Beitrag leisteten – Google generiere also rund 385 Millionen Franken Umsatz in der Schweiz mit Medieninhalten. Einen "Fair Share" an diesem Umsatz setzt Fehr Advice bei 40 Prozent davon an – das entspreche 154 Millionen Euro jährlich.

In Österreich einigte sich Google 2022 mit mehr als 100 Medienunternehmen nach dem neuen Leistungsschutzrecht.

In Australien setzte die Regierung mit anderen rechtlichen Hebeln Abgeltungen über Vereinbarungen mit Medienunternehmen durch, hier und in anderen Ländern schränkten Google und oder Meta (Facebook, Instagram, Whatsapp) als Reaktion auf Vergütungsforderungen vorübergehend Medieninhalte auf ihren Plattformen ein oder drohten damit.

In Kanada kündigte zuletzt Meta eine Sperre von Medieninhalten auf Facebook und Instagram an.

"Eine Monopolsituation verlangt nach Regulierung"

Ernst Fehr, Verhaltensökonom an der Universität Zürich und Verwaltungsrat von Fehr Advice, wird bei der Präsentation der Studie grundsätzlich, angesprochen auf das Verhältnis von Google und Medien.

"Das ist eine Kooperation zwischen sehr ungleichen Partnern", sagt Fehr. "Auf der einen Seite das Monopol, auf der anderen Seite viele Medienunternehmen". "Monopole gehören reguliert", sagt der Wirtschaftswissenschafter mit Nachdruck.

Google beherrscht mit wenigen Ausnahmen den globalen Markt der Suchmaschinen und große Sektoren der Onlinewerbung. Alphabet nahm 2022 mit Werbung 224,5 Milliarden Dollar ein, die weltweite Nummer zwei kam auf 114,6 Milliarden. Die werbestärksten klassischen Medienkonzerne machen mit Werbung zwischen zehn und 20 Milliarden Dollar.

In Österreich wurde 2022 etwa gleich viel Werbung bei internationalen Digitalkonzernen wie bei klassischen Medien gebucht, lässt sich aus (vorläufigen Angaben des Finanzministeriums über) Einnahmen aus Digitalsteuer und Werbeabgabe hochrechnen. (Harald Fidler, 17.3.2023)