Johanna Mikl-Leitner hievt Udo Landbauer in die Verantwortung. Die Vorstellung, was die Koalition mit dem Selbstbewusstsein rechtsextremer Gruppen in Niederösterreich macht, ist schaurig.

Foto: apa / georg hochmuth

In Niederösterreich und in der ÖVP ist eine neue Zeitrechnung angebrochen. Im Frühling 2023 sind in der Volkspartei jegliche Hemmungen gefallen, was den Erhalt der eigenen Macht betrifft. Die niederösterreichische Koalition mit der FPÖ von Udo Landbauer und Gottfried Waldhäusl zeigt, dass freiheitliche Politiker die Menschenrechte infrage stellen, eine Schulklasse rassistisch beleidigen, Liederbücher mit Nazi-Liedern bewerben, jugendliche Asylwerber mit Stacheldraht und Wachhund einschüchtern, Häftlinge als "Abschaum" bezeichnen, Klimaaktivisten "Terroristen" nennen und Falschinformationen zu einer ansteckenden Krankheit verbreiten können – und von der ÖVP trotzdem an die Macht gehievt werden. Die Abgrenzung der Volkspartei von den Freiheitlichen unter Herbert Kickl ist damit offiziell das, was sie wohl immer schon war: ein Schmäh.

Johanna Mikl-Leitner schiebt die Schuld an dieser Koalition der SPÖ zu: Die überzogenen roten Forderungen hätten sie gleichsam in die Arme der FPÖ getrieben, argumentiert die Landeshauptfrau. Das ist unehrlich.

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Es sind nicht nur die Roten schuld

Denn natürlich haben die Roten hoch gepokert. Sie wähnten sich in einer guten Verhandlungsposition. Mit dem Glauben an einen kleinen Rest von Würde und Anstand in der ÖVP erschien die Option mit der FPÖ völlig unrealistisch: nicht nur wegen der inhaltlichen Positionen der Freiheitlichen und ihrer Nähe zum Rechtsextremismus, sondern vor allem, weil die Blauen Mikl-Leitner zum Feindbild stilisiert hatten – und darüber hinaus bis zuletzt beteuerten, die Landeshauptfrau nicht zu wählen.

Die SPÖ mag also eine Mitverantwortung am Stopp der Verhandlungen über Rot-Schwarz tragen. Doch was hätte Mikl-Leitner gemacht, wenn sich die FPÖ komplett verweigert hätte? Wie hätte sich die ÖVP verhalten, wenn sie keine andere Option als die SPÖ gehabt hätte? Es wäre nach dem Krach mit den Roten zu weiteren Verhandlungen gekommen. Eine Verfassungskrise hätte keine der Parteien riskieren wollen: Irgendwie hätte man sich wieder zusammengerauft. Rot und Schwarz wären schmerzhafte Kompromisse eingegangen. Wie das eben üblich ist bei Koalitionen innerhalb des Verfassungsbogens.

Ein Tabubruch, der auch im Bund wirkt

Niederösterreich wird politisch einen strammen Rechts-außen-Kurs einschlagen. Wer nicht autochthon und leistungsfähig ist, dem stehen harte Zeiten bevor. Schaurig ist auch die Vorstellung, was die Koalition mit dem Selbstbewusstsein rechtsextremer Gruppen in Niederösterreich macht. Sie haben genug Anhaltspunkte, um Udo Landbauer als einen von ihnen zu sehen – nun kann er an zweithöchster Stelle im Land seine Inhalte umsetzen. Er wird von der Landeshauptfrau hofiert und für regierungsfähig befunden.

Mit ihrer rechtsnationalen Koalition bewirkt Mikl-Leitner einen Tabubruch ihrer Partei. Wenn sie mit Udo Landbauer koaliert, was hält Karl Nehammer davon ab, nach der nächsten Nationalratswahl mit Herbert Kickl zusammenzuarbeiten? Niederösterreich dient der ÖVP als Test für das Überschreiten von Grenzen, die bislang als unüberwindbar galten. Die Abgrenzung von einer rechten Partei, die sich immer weiter radikalisiert hat, galt als Common Sense. Das ist nun Geschichte. Die Verantwortung für alles, was daraus folgt, trägt Johanna Mikl-Leitner. (Sebastian Fellner, 17.3.2023)