Die ÖVP wolle den ORF, den sie politisch nicht in den Griff bekomme, "drastisch reduzieren", vermutet Stiftungsrat Heinz Lederer, entsandt von der SPÖ.

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Wien – "Das ist nicht mehr nur Dilettantismus, was die Bundesregierung mit dem ORF macht", sagt der von der SPÖ entsandte ORF-Stiftungsrat Heinz Lederer im Gespräch mit dem STANDARD. Er sieht eine Strategie der ÖVP, einen Plan hinter den Sparbedingungen der Medienministerin für eine Haushaltsabgabe, "den ORF drastisch zu reduzieren", weil sie ihn und seine Journalistinnen und Journalisten nicht nach ihren Erwartungen "in den Griff bekommt".

"Finger weg von Landesstudios"

Am Montag berät der Finanzausschuss des ORF-Stiftungsrats, am Donnerstag das Plenum des obersten Entscheidungsgremiums im ORF. Lederer verlangt von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann "endlich Klarheit" über die geplanten Sparmaßnahmen: "Welche Kooperationen mit der Filmwirtschaft, welche Aufträge werden gekürzt? Welche Kürzungen sind beim Personal geplant – und wo setzt der Generaldirektor an?" Lederer empfiehlt zunächst einen Blick auf Leiharbeitsfirmen. Der ORF-Stiftungsrat warnt Weißmann vor Kürzungen im Regionalen: "Finger weg von Kürzungen in den Landesstudios!"

Lederer erwartet aber auch Klarheit über die Finanzierung des ORF ab 2024. Für das kommende Jahr hat Weißmann zuletzt aufgrund massiver Teuerung und GIS-Abmeldungen ein Minus von 70 Millionen Euro prognostiziert, für 2025 dann schon 90 Millionen und 2026 ganze 130 Millionen Verlust – wenn die bisherige Entwicklung aus 2022 fortgeschrieben wird.

Die angekündigten Sparmaßnahmen sollen solchen zwei- bis dreistelligen Millionenverlusten vorbeugen. Weißmann will – wie berichtet – ORF Sport Plus als linearen TV-Kanal einstellen, der ORF könne sich das RSO nicht mehr leisten, die Streamingplattformen Flimmit und Fidelio würden eingespart. Rund 500 Stellen, die pensionsbedingt bis 2026 frei würden, sollen nur sehr restriktiv nachbesetzt werden, erklärte Weißmann.

ORF "drastisch reduzieren"

Ein entscheidender Faktor für die ORF-Finanzierung ab 2024 liegt im Bundeskanzleramt: Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und die Grünen verhandeln derzeit über die ab 2024 geplante Haushaltsabgabe unabhängig vom Geräteempfang. Rund 300.000 Haushalte, die sich bisher mit Streaming GIS ersparen, sollen künftig diese Abgabe entrichten, sagte ORF-Chef Weißmann zuletzt im Publikumsrat. Zuvor sprach er von 700.000 Haushalten, die bisher schwarzsehen oder mit Streaming GIS vermeiden.

Sondersitzung für Alternativen

Bis zum Stiftungsrat am Donnerstag könnten sich die Verhandlungen der Koalition über ein neues ORF-Gesetz eher nicht ausgehen.

Lederer plädiert für eine Sondersitzung des Stiftungsrats des ORF-Stiftungsrats, wenn die Verhandlungen über eine Haushaltsabgabe scheitern oder sich länger ziehen sollten – entgegen den aktuellen Erwartungen. Es brauche eine "klare Tagesordnung für alternative Finanzierungsmodelle", sagt Lederer: "Der ORF dürfe nicht "sehenden Auges in den Untergang" gehen, wenn sich die Haushaltsabgabe nicht ausgeht.

Lederer warnt aber auch Grüne und Opposition: Die ÖVP wolle offenbar nicht alleine den ORF "drastisch reduzieren". Parallel enge sie den Handlungsspielraum von Koalitionspartner und Bundesländern ein, wenn bisherige Abgaben auf die GIS des Bundes etwa für Kulturförderung und Länderabgaben ins Bundesbudget wandern könnten, warnt Lederer. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) erklärte zuletzt allerdings, er könne sich "schwer vorstellen", Länderabgaben auf die GIS künftig aus dem Budget abzudecken.

Neuer Direktor für Niederösterreich

Ein Landesstudio bekommt kommenden Donnerstag vom Stiftungsrat Verstärkung: Alexander Hofer, bisher Channel-Manager von ORF 2 und Unterhaltungschef im ORF-Fernsehen, dürfte zum Direktor des ORF-Landesstudios Niederösterreich bestellt werden. Vorgänger Robert Ziegler trat zurück, als eine Evaluierungskommission Vorwürfe über Beeinflussung der Berichterstattung im Sinne der Landes-ÖVP bestätigt sah. Ziegler ist nun in der ORF-Zentrale für Barrierefreiheit zuständig.

Newsroom sucht Chefs

Weitere Bestellungen stehen an: Der seit Mitte 2022 gemeinsame ORF-Newsroom für TV, Radio, Online braucht eine neue Führungsstruktur – und spätestens seit den Abgängen von Matthias Schrom (TV) und Hannes Aigelsreiter (Radio) auch neue Chefredakteurinnen und Chefredakteure. Auch darüber verlangt Lederer Auskunft. (fid, 18.3.2023)