Seht über zwei Jahren sendet der Mars-Rover Perseverance täglich hunderte Aufnahmen der Mars-Oberfläche zur Erde. Expertinnen und Experten vom Grazer Joanneum Research und dem Wiener Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung (VRVis) machen die hochaufgelösten Bilder vom Mars nun in 3D erlebbar, mit neuen Einblicken für die Forschung. Sie liefern unerwartete Erkenntnisse über den Windschliff oder die Beschaffenheit der Bodenkruste auf dem Roten Planeten.

Diese Animation zeigt den Weg von Perseverance durch den Jezero-Krater, der einst einen See enthalten hat.
PRo3D Space

Um die geologischen Prozesse, das Klima und die Geschichte des Planeten genauer zu untersuchen, sind Bilder und in weiterer Folge dreidimensionale Rekonstruktionen von Felsen, geologischen Aufschlüssen und Mineralien eine wesentliche Stütze. Der von der US-Weltraumagentur Nasa am 18. Februar 2021 auf den Mars gebrachte Rover Perseverance ist daher mit mehr Kameras als jede andere interplanetare Mission bisher ausgestattet. Know-how aus Österreich ist dafür verantwortlich, dass die mit der Stereokamera "Mastcam-Z" eingefangenen Bilder und deren Bilddaten schließlich einen dreidimensionalen Eindruck der Mars-Oberfläche vermitteln können.

Österreichische Institute

Für die 3D-Datenauswertung sind die Forschungsgesellschaft Joanneum und das VRVis mit dem Visualisierungswerkzeug PRo3D sowie die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) an der Mars-2020-Mission beteiligt. Mit dem Visualisierungstool PRo3D wurde beispielsweise schon das beeindruckende erste Überflugsvideo vom Roten Planeten erstellt.

Eine Animation von Bildern, die im Jezero Crater gesammelt wurden. Die beiden Felsformationen heißen Caille und Cheiron.
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Als Grundlage für die Erzeugung von dreidimensionalen Bildern dienen eine am Mars-Rover angebrachte Stereobildkamera – die Mastcam-Z – und weitere Kameras, die zusätzliche Daten liefern. Diese können zu einem großen Ganzen zusammengeführt, interpretiert und visualisiert werden. Für den Digitalisierungsexperten Gerhard Paar vom Institut für digitale Technologien der Joanneum Research ist es erstaunlich, welche Informationen unterschiedliche Spezialisten dann aus den Visualisierungen holen können: über die Windverhältnisse vor Urzeiten zum Beispiel.

"Einige der Felsen in der Nähe des Landeplatzes scheinen von windgewehtem Sand tief abgetragen worden zu sein und Strukturen zu bilden, die Ventifacts genannt werden. Die Ausrichtung der linearen Merkmale gibt die Richtung der starken Winde wieder, die sie geformt haben", erklärt Paar. "Wir sind mit einer digitalen Lösung in das Projekt hineingegangen, und nun finden sich erstaunliche Anwendungen, und wir sind natürlich erfreut, dass wir Forschungsfragen unterstützen können, von denen wir gar nichts geahnt hatten", sagt der Grazer Experte.

Bodenverdichtung auf dem Mars

Selbst die Spuren, die Perseverance auf dem Mars-Boden hinterlässt, werden mit der Kamera aufgenommen und geben Anlass zu weiterer Forschung: "Die Tiefe der Spuren, die von null auf festem Untergrund bis in den Dezimeterbereich geht, die ebenfalls mittels 3D-Bildgebung untersucht werden kann, gibt Aufschluss über die Verdichtung der Böden", schilderte Paar. Auf der Erde könne die Verdichtung des Bodens mit einem Penetrometer gemessen werden, das den Druck des Eindringwiderstandes ergibt. Die Messung der Tiefe der Radspuren auf dem Mars mittels 3D-Bildgebung ermöglicht nun einen Vergleich solcher Informationen für Böden auf dem Mars.

Paar veröffentlichte kürzlich mit einem 19-köpfigen internationalen Forschungsteam in "Advancing Earth and Space Science" einen State-of-the-Art-Report über die dreidimensionale Datenaufbereitung: "Wir haben erstmals das Zusammenspiel der unterschiedlichen im Zuge der Mission verwendeten 3D-Werkzeuge und ihre Synergien untersucht und zusammengefasst", erklärte der Erstautor.

Eine Simulation des Landeanflugs von Perseverance.
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Insgesamt seien es rund zehn Bildverarbeitungstools, die bei diesem länderübergreifenden Projekt im Einsatz sind und die die 3D-Modellierung und 3D-Visualisierung ermöglichen. In Kombination mit Daten von anderen Sensoren oder Quellen – einschließlich 3D-Modellen von Satelliten – und in verschiedenen Maßstäben wird die Interpretation und Verortung der verarbeiteten Produkte zusätzlich verbessert.

Für die planetengeologische Forschung werden die Bilder der Mars-Oberfläche von Joanneum Research automatisiert rekonstruiert und anschließend von VRVis mit dem Planetary Robotics 3D Viewer (PRo3) explorierbar gemacht. "Unsere Tools sind an Untersuchungen der Oberflächeneigenschaften des Mars-Bodens ebenso beteiligt wie an geologischen Analysen in Distanzen bis zu etwa 100 Metern", erklärte VRVis-Forscher Christoph Traxler anlässlich der Publikation.

Simulierte Feldstudien

Die 3D-Rekonstruktion soll der Wissenschaft eine realitätsnahe Erkundung des Mars ermöglichen, die Feldstudien auf der Erde ähnelt. Der Geochemiker Christian Köberl von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Uni Wien erwartet sich davon einen "wesentlichen Beitrag zum Verständnis des Mars-Klimas der letzten drei Milliarden Jahre, der Geschichte der Rückbildung von Wasser auf dem Mars sowie der Erklärung von geologischen Prozessen". (APA, red, 19.3.2023)