Für Autor Friedrich Christian Delius spielte das Mittel Abipaxan eine so wichtige Rolle, dass er es sogar in seiner Antiautobiografie erwähnte.

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Das Mittel Abixapan sorgt dafür, dass das Blut nicht verklumpt, und schützt damit gegen Schlaganfälle und Thrombosen. Der Schriftsteller Friedrich Christian Delius nahm es mehr als zwanzig Jahre, es half ihm dabei, 79 Jahre alt zu werden. Im Mai 2022 starb er in Berlin. Er fand es angemessen, Abixapan auch in seiner nun posthum erschienenen Autobiografie zu erwähnen: Darling, it’s Dilius. Erinnerungen mit großem A heißt das Buch. Der Untertitel deutet schon an: Der erste Buchstabe des Alphabets spielt dabei eine strukturierende Rolle. Delius wollte keinen Wälzer von der Wiege bis an die Bahre schreiben, keinen Lebensroman, in dem sich alles schön aus dem anderen ergibt. Er entschloss sich dazu, eine Antiautobiografie zu skizzieren, ein Lexikon seiner selbst, mit dem er sich auf den Band eins oder den Band A beschränkte.

Abixapan und Abschied von Willy

Theoretisch hätte er 25 weitere Bände folgen lassen können, de facto gelang es aber, schon mit dem Buchstaben A eine Menge abzudecken. Zum Beispiel fällt der für seine Generation so wichtige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt eigentlich aus der Liste hinaus – oder gehört zur B-Liste. Passenderweise aber hat Delius einmal ein Gedicht geschrieben, das Abschied von Willy heißt, damit ist die Sache paletti – und Willy im Buch.

Delius wurde mit dem Fontane-Roman Die Birnen von Ribbeck und vielen anderen Erzählwerken zu einem der erfolgreichsten Autoren der Jahrzehnte ab 1968. Das war in etwa sein Generationenhorizont, die Abgrenzung von den radikalen, dogmatischen Vertretern der Studentenbewegung erlaubte ihm, sich selbst zu finden. Delius kam aus einer Pfarrersfamilie, er stotterte als Kind (nachzulesen in dem schönen Der Tag, an dem ich Weltmeister wurde, 1994), sein Leben war auch eine Emanzipationsgeschichte, und zwar offensichtlich eine sehr gelungene. Die Staatssicherheit der DDR beschrieb ihn einmal so: "Ein typischer deutscher Wissenschaftler, aber von der angenehmen Seite. Er raucht nicht, er trinkt nicht, arbeitet viel und ist sehr ehrgeizig. Diesen Ehrgeiz verdeckt er mit Bescheidenheit und Schüchternheit (obwohl er nicht schüchtern ist)." Für die Spione war wohl jeder Autor eine Art Wissenschafter, was ja nicht ganz verkehrt ist.nteressanten Orten

Friedrich Christian Delius,"Darling, it’s Dilius. Erinnerungen mit großem A". € 24,67 / 320 Seiten. Rowohlt, Berlin 2023
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Interessante Orte

Den Namen Dilius bekam Delius von dem amerikanischen Kollegen Walter Abish, respektive von dessen Frau Cecile, eines Tages in New York. Schriftsteller kommen gut herum, so ist auch das Erinnerungsbuch von Delius voll mit interessanten Orten (in Rom hat er lange gelebt), Kollegen (Martin Walser mit seinen "überall frisch gepflückten jungen Frauen", ein intimes Detail, das aber weithin bekannt ist) und Verhältnissen (eine Fernverliebtheit in Susan Sontag).

Seit 1986 arbeitete er mit Apple-Computern, er war also ein früher Adopter. Und H. C. Artmann, der 1965 in Berlin war (und für einen Eintrag den passenden Nachnamen hat), wollte den damals noch recht jungen Delius einmal ein wenig sekkieren, worauf der Kollege Hans-Christoph Buch sich für ihn starkmachte. Bald stand Delius für sich selbst, nun auch noch mit diesem kurzweiligen und spannenden Lebensbericht. (Bert Rebhandl, 19.3.2023)