Konrad Paul Liessmann mit seinem Buchtipp.

Foto: Privat

Es war ein bescheidenes Aufwachsen in Villach: "Kleinste Nachkriegsverhältnisse, untergekommen im Haus der Großeltern, zu fünft auf eineinhalb Zimmern." Der kleine Bücherschrank darin hieß nur deshalb "Bibliothek", weil die Mutter Bibliothekarin war. Der spätere Intellektuelle in KPL war dort noch nicht angelegt, zunächst tat er sich schwer, "mit der damals modernen Blickwörtermethode" überhaupt lesen zu lernen (Wörter wie Plöckenpass musste man auch erst mal auf einen Blick erfassen!). Es waren schließlich Wörter wie Nscho-tschi, die ihn retteten, denn die Karl-May-Bände in der "Bibliothek" fand er so spannend, dass er seine Lesetechnik verbessern musste. "So entstand meine Liebe zur Literatur mit einer Bestärkung des eigenen Ichs und einem ungeahnten Freiheitsgefühl."

"Ambivalente Liebesgeschichte"

Auch mit Doktor Faustus verbindet ihn "eine lange ambivalente Liebesgeschichte". Als Student mit dem Fischer-Taschenbuch in der Jeansgesäßtasche begriff er "die ganze Vielschichtigkeit" des Buches noch nicht ganz. Danach begegnete es ihm immer wieder, und manches fiel ihm, der seine Habilitationsschrift über Adorno verfasste, dabei auf: "Wie man weiß, hat sich Mann bei dieser Biografie seines fiktiven zeitgenössischen Komponisten Leverkühn stark bei Adorno bedient, der ihm das unveröffentlichte Manuskript zu seiner Philosophie der neuen Musik gegeben hatte; auch ließ er ihn die Zwölftonmusik erfinden, sodass der wahre Erfinder Schönberg Mann in der 2. Auflage nötigte, einen korrigierenden Hinweis einzufügen; den Namen des Komponisten wiederum hat er sich bei Nietzsches Zarathustra – Lebe kühn! – abgeschaut. All das würde man heute als anstößig empfinden."

Als Zumutung empfindet KPL seit langem die heutige Bildungspolitik: "Kompetenzorientiertes Lesen verdirbt jede Lust an Büchern!" Daher rät er den Kindern und der Jugend: "Zerstreut euch! Lasst euch treiben! Den reichen Garten Literatur muss man ziellos durchkämmen!" Oder am Strand, wo er seine Bücherstapel am liebsten abbaut, darunter gerne auch "leichte Kost". Denn Karl May liebt und schätzt er ja nicht weniger als Thomas Mann.