Ein verlassener Lagerraum irgendwo im Nirgendwo. Darin ein altes Auto, das vor Jahren das letzte Mal gefahren wurde. Im Kofferraum liegt alles, was man für einen Start in ein neues Leben braucht – inklusive einer Reihe Ausweise mit neuer Identität. So wie in der Netflix-Serie Pieces of Her geht es in vielen Agentengeschichten zu, in denen mietbare Lagerräume oft eine wichtige Rolle spielen.
Viel weniger verwegen schauen diese Orte in der Realität aus: lange Gänge und Metalltüren, an denen Schlösser hängen. "Geheimagenten melden sich nicht bei uns, aber es ist ganz unterschiedlich, was die Menschen so einlagern", erzählt Patrick Leypold von Squarefoot Selfstorage. Das Unternehmen hat in Wien neun Standorte. Ein Quadratmeter kostet 24 Euro pro Monat.

Waschmaschine, Kommoden, viel Kleidung und Kleinkram waren es bei Marlene Schieber (Name geändert). Sie ist im Vorjahr von Deutschland nach Wien über siedelt und wollte zwischen Aus- und Einzug zwei Monate Urlaub machen. In der Zwischenzeit hat sie ihre Habe in einem sechs Quadratmeter großen Lagerraum untergestellt. "Der Vorteil ist, dass man keinen Stress beim Umzug hat und alles nach und nach in die neue Wohnung bringen kann", erzählt sie.
Schieber ist eine sogenannte Kurzzeitmieterin. Wer bis zu neun Monate mietet, fällt in diese Kategorie. Der Bedarf ergibt sich in diesen Fällen, weil die Wohnung renoviert wird, es einen Wasserschaden gibt, Paare sich trennen oder Studentinnen ins Ausland gehen. "Event-driven" heißt das in der Fachsprache, erklärt Martin Gerhardus von My Place.
Emotionaler Wert
Wer hingegen länger Unterstand für seine sieben Sachen sucht, hat meist zu Hause nicht genug Stauraum – etwa für Winterreifen, Ski oder zu klein gewordene Kinderkleidung. Es sind auch viele Erinnerungsstücke dabei. Leypold nennt ein Beispiel: "Ich habe ein in Leder geschlagenes Buch über die Reparatur von Motorrädern. Ich habe kein Motorrad und werde auch nie eines haben, das Thema interessiert mich gar nicht. Aber das Buch erinnert mich an meinen Großvater, und deshalb bewahre ich es auf." So wie ihm gehe es vielen anderen auch, glaubt er.
In Wien gibt es viele kleinere Anbieter, die vor allem Erdgeschoßflächen nutzen, die lange leer standen. Oft gibt es auch wenig Fenster, weshalb die Räume nicht als Büros genutzt werden können, erklärt Leypold. Die Mieterinnen der Lagerräume sehen sie als Erweiterung ihres Wohnraums, kommen regelmäßig vorbei, manche sogar täglich, weiß Johannes Braith von Storebox.

Neben den vielen Mikrostandorten gibt es noch das Unternehmen My Place, das in einer anderen Liga spielt und ganze Liegenschaften ankauft und darauf große Lagerräume neu baut. Aktuell gibt es 17 Standorte in Wien, einen in Graz und einen in Linz, weitere sind in Planung. Ein Standort verfügt laut Gerhardus über rund 9000 Quadratmeter Fläche.
Generell sind neben den Privatkunden etwa 25 bis 30 Prozent der Gesamtkundschaft Unternehmen, etwa Nespresso-Vertreter, Anwaltskanzleien, die Akten einlagern, Pharma-Vertreter oder Handwerker, nennt Gerhardus einige Beispiele.
Mehr Umzüge
Vor allem was die kurzzeitigen Vermietungen betrifft, sind Lagerraumbetreiber zuversichtlich. Den Trend zum Minimalismus, der seit einigen Jahren grassiert, haben sie noch nicht bemerkt. Und: "Die Menschen sind früher weit weniger umgezogen, die private und berufliche Flexibilität ist heute viel höher", sagt Andreas Stadler von Store Room. Auch in den Bundesländern liegt viel Potenzial: "Es gibt einen massiven Zuzug in die Landeshauptstädte. Hinzu komme, sagt Stadler, dass Familien sich heute immer mehr zergliedern würden: "Viele haben nicht mehr die Option, bei den Verwandten auf dem Land etwas einzulagern."

Da Bauträger in Wien keine Kellerabteile mehr bauen müssen, könnten externe Lagerraum-Anbieter auch bald Fixstarter im Erdgeschoß werden. "Schon jetzt kommen Entwickler deshalb auf uns zu", erzählt Braith. Die Preise für das Lager könnten dann in den Mietpreis inkludiert sein oder die Bewohnerinnen haben die Wahl, ob sie den Stauraum nutzen wollen oder nicht.
Leichter Einbruch
Trotz vieler positiver Tendenzen gibt es derzeit einige Anzeichen, wonach eine Marktsättigung erreicht sein könnte, heißt es aus der Branche. Einige Marktteilnehmer denken darüber nach, Standorte zu schließen. Details dazu will aber niemand preisgeben. Man merke die gestiegenen Kosten, sagt Leypold: "Die Menschen drehen gerade jeden Euro um."
Gleichzeitig könne die Teuerung den Lageranbietern aber auch in die Hände spielen. Denn viele, die sich früher eine größere Wohnung gesucht hätten, etwa weil sie Familienzuwachs bekommen haben, könnten sich das derzeit nicht leisten, also würden sie den Stauraum in ein externes Lager auslagern, sagt Leypold.

Manche Betreiber haben bereits ein zweites Standbein. So sind einige Standorte von Storebox in Wien gleichzeitig Click-&-Collect-Stationen von Ikea. Wer im Onlineshop die Option "Abholung in einer Ikea-Abholstation in deiner Nähe" um zehn Euro auswählt, bekommt einen Zugangscode zugeschickt und kann das bestellte Produkt rund um die Uhr abholen. Auch mitten in der Nacht. Und das fühlt sich dann vielleicht doch ein bisschen so an wie im Agentenfilm. (Bernadette Redl, 27.3.2023)