Vikersund – Die WM-Medaillen sind vergeben, der Gesamtweltcup ist entschieden, auf die Skispringerinnen wartet vor Saisonschluss aber noch ein weiterer, besonderer Höhepunkt. Nach jahrelangem Streben um die Einführung von Skifliegen für Frauen findet diese Premiere am Sonntag (10 Uhr, live ORF Sport Plus) nun statt, und das ausgerechnet auf dem Weltrekordbakken von Vikersund. Die Vorfreude ist da, aber unverändert auch die Warnung von einem ehemaligen Skiflugweltrekordler – Toni Innauer.

Innauer hatte seine ablehnende Haltung gegenüber Frauen-Skifliegen bereits Anfang 2022 als ZDF-Experte ausgesprochen, und dafür Kritik geerntet. In einem offenen Brief an den Weltverband Fis wurde der Olympiasieger 1980 im vergangenen Sommer dann konkreter und reagierte damit auf die mittlerweile fixiert gewesene Ansetzung für Vikersund. Der Vorarlberger sprach "wichtige biomechanische, medizinische, und ethisch moralische Argumente" an, die dem Frauen-Skifliegen entgegenstünden. Bei einem typischen Skiflugsturz seien Probleme zu erwarten.

Toni Innauer hat Bedenken.
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So sei "der Körper einer, in unserer Sportart auf Leichtgewicht getrimmten Frau, aufgrund des geschlechtsspezifisch geringeren Muskelanteils am Gesamtkörpergewicht, weniger widerstandsfähig als der eines Mannes", führte der 64-Jährige aus. Die Kombination aus im Vergleich zu den Männern erhöhter Anlaufgeschwindigkeit und daraus folgender erhöhter Aufprallwucht könne sich fatal auswirken. "Es wäre gut gewesen, echte Experten – Praktiker und Wissenschafter – zum Einschätzen und Beratschlagen zuzuziehen", sagte Innauer.

Eine Antwort der Fis habe er zwar erhalten, zufriedengestellt habe diese ihn aber nicht. "Es kam ein relativ pauschaler, genderverständiger Brief, dass sie finden, die Frauen haben sich gewaltig weiterentwickelt und es ist an der Zeit, dass sie jetzt auch den nächsten Schritt machen. Aber sie sind auf meine Argumente nicht eingegangen." Zumindest finde er es nun noch gut, dass nur die Top 15 der Raw Air antreten dürfen. "Das ist vom Leistungsniveau her eine gewisse Absicherung, dass das Feld homogener ist." Andererseits, extreme Stürze seien meist den Top-Aktiven passiert.

Die Schanze von Vikersund ist nichts für schwache Nerven.
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Der Vorarlberger führte da die ehemaligen Skiflug-Weltmeister Thomas Morgenstern und Daniel Andre Tande an, den Norweger erwischte es vor zwei Jahren in Planica schwer. Er wurde vorübergehend ins künstliche Koma versetzt. Einen ähnlichen Fall bei den Frauen sieht Innauer als unvermeidlich an: "Es gibt diesen Worst Case, der im Lauf der Jahre passieren wird – mit 100-prozentiger Sicherheit – weil auch bei den Männern immer wieder und auch bei den Allerbesten unter bestimmten Voraussetzungen gravierende Stürze passieren. Nur hoffentlich nicht schon dieses Mal."

Norwegen jedenfalls habe seines Erachtens nach "diese Dynamik zu früh vom Zaun gebrochen – unter Einbeziehung fragwürdiger Schützenhilfe vom Gewerkschaftsbund mit Drohung von EU-Klagen." Österreichs Ex-Cheftrainer und nordischer Sportdirektor hofft, dass er die eine oder andere Athletin durch seine Worte zum Nachdenken gebracht habe. "Ich würde es gut finden, dass jede, die fliegt, es mit höchster Entschlossenheit tut und Unsicherheiten, die sie in sich spürt, richtig deutet und sagt, es ist gescheiter, ich packe vorher die Skier zusammen", sagte Innauer.

Die beste ihrer Zunft: Eva Pinkelnig.
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Newcomerin Julia Mühlbacher hat ihren Verzicht wegen einer stark eingeschränkten Saisonvorbereitung und nur wenigen Großschanzen-Sprüngen schon im WM-Verlauf kommuniziert. Als 15. der Raw Air wäre ihr ein Skiflug-Ticket sicher gewesen. Nun aber will die Oberösterreicherin die Zuschauerrolle genießen: "Ich erwarte mir ein recht cooles Spektakel mit Weiten bis zu 235 m." Den Männer-Weltrekord hat Stefan Kraft in Vikersund 2017 mit 253,5 m fixiert, die inoffizielle Bestleistung der Frauen hatte Danela Iraschko-Stolz 2003 bei einem "Flugtag" am Kulm mit 200 m erreicht.

Unter den Vikersund-Skifliegerinnen werden mit Chiara Kreuzer und Gesamtweltcup-Siegerin Eva Pinkelnig zwei ÖSV-Athletinnen sein. Kreuzer hatte schon bei den Weltmeisterschaften mit einem "Es wird Zeit" ihre Entschlossenheit ausgedrückt. Pinkelnig entschied sich zuletzt für ein Antreten. Beide und noch viel mehr haben mit einer Petition unter dem Hashtag "letyukifly" das Antreten der unglücklich nicht qualifizierten Japanerin Yuki Ito durchgesetzt. Am Freitag wurde ihrer aller Skiflug-Premiere wetterbedingt verschoben, das Training ist nun für Samstag (10 Uhr) angesetzt. (APA, 17.3.3023)