Nach monatelangem Patt hat Montenegros Präsident Milo Ðukanović per Dekret das Parlament aufgelöst, damit vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden können – diese sollen am 11. Juni stattfinden. Die bisher letzte Regierung war bereits im August 2022 gestürzt worden, in der Zwischenzeit war ein Minderheitskabinett unter Dritan Abazović eingesetzt. Am Sonntag finden in Montenegro Präsidentschaftswahlen statt, bei denen Ðukanović wieder antritt. Entscheidend dürfte aber erst eine Stichwahl zwei Wochen später, am 4. April, sein.

Milo Ðukanović macht sich bereit für eine weitere Amtszeit.
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Zu den Herausforderern von Ðukanović gehören unter anderen der Chef der proserbischen Demokratischen Front, Andrija Mandić, der Chef der Partei Demokratisches Montenegro, Aleksa Bečić, und Jakov Milatović von der Bewegung Europe Now. Wenn keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der ausgezählten Stimmen erhält, findet eine zweite Runde statt. Ðukanović hat in den vergangenen Jahren an Macht und Einfluss verloren.

Entscheidende Stichwahl

Ðukanovićs größte Hoffnung dürfte eine Stichwahl gegen Mandić sein, dessen proserbische Ansichten von vielen mit Argwohn betrachtet werden. Eine Stichwahl gegen Bečić oder Milatović wäre für Ðukanović weniger leicht zu gewinnen. Die Wahl am Sonntag ist definitiv ein enorm wichtiger Test für Ðukanović und seine Partei.

Die montenegrinische Innenpolitik ist seit drei Jahren von einem Machtkampf zwischen Ðukanovićs DPS, die 30 Jahre lang an der Macht war, und einem Bündnis von Parteien, die 2021 eine Regierung bilden konnten, geprägt. Zu diesen Parteien gehören auch proserbische und gleichzeitig prorussische Kräfte, die eine stärkere Einmischung des Nachbarlands Serbien in Montenegro begünstigen. Ðukanović führte Montenegro hingegen 2006 in die Unabhängigkeit von der Staatenunion Serbien-Montenegro und sicherte Montenegro die Nato-Mitgliedschaft.

Wechselseitige Blockaden

Die bis zum Vorjahr regierenden Parteien wollten, dass Miodrag Lekić ohne neue Parlamentswahl neuer Premierminister wird und eine Regierung zusammenstellt – doch ihm gelang es nicht, innerhalb der gesetzten Frist die Unterstützung von mindestens 41 von 81 Abgeordneten zu gewinnen. Ðukanović hatte zudem zuvor unter Berufung auf Verfahrensfehler Lekić als Premierminister abgelehnt.

Der Parlamentswahl, die nun am 11. Juni stattfinden soll, war zudem ein Patt bei der Besetzung von Richterposten für das Verfassungsgericht vorangegangen. Die Partei von Ðukanović verknüpfte nämlich die Zustimmung zur Richterwahl mit den vorgezogenen Neuwahlen. Das Parlament hat Anfang März endlich Richter für das Verfassungsgericht ernannt, das seit September 2022 nicht mehr beschlussfähig war, nachdem drei der sechs Richter in Pension gegangen waren.

Die Wahl neuer Richter erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Parlament – diese konnte monatelang nicht gefunden werden. Seit dem vergangenen Sommer waren im Parlament drei Anläufe zur Neuwahl der Richterinnen und Richter am Verfassungsgericht gescheitert. (Adelheid Wölfl, 18.3.2023)