Der Tiroler Grünen-Klubobmann Gebi Mair ist am Samstag von 67,6 Prozent der rund 100 anwesenden Mitglieder für drei Jahre zum neuen Landessprecher der Partei gewählt worden. Die zuletzt krisengebeutelte Partei hat bei ihrer 52. Landesversammlung erstmals einen echten Parteichef gewählt. Bisher waren Partei- und Mandatsfunktion getrennt. Der selbst der politisch interessierten Öffentlichkeit wenig bekannte Landessprecher Christian Altenweisl schied auf eigenen Wunsch aus, Mair hatte sich als Einziger um die nun die beiden Spitzenpositionen vereinende Funktion des Landessprechers beworben. 32,4 Prozent votierten dennoch gegen ihn.

Ein "Startschuss für einen Kulturwandel"

"Ich freue mich darauf, in den nächsten Jahren geschlossen und gemeinsam mit euch für die grüne Vision in Tirol zu arbeiten", rief Mair nach der Verkündung des Ergebnisses den applaudierenden Mitgliedern zu, die sich im kleinen Rathaussaal in Telfs bei Innsbruck eingefunden hatten. Dies sei der "Startschuss für einen Kulturwandel". Von den 107 stimmberechtigten Mitgliedern gaben 105 einen gültigen Stimmzettel ab. 71 votierten für, 34 gegen ihn. Die Forstwirtin Cordula Ettmayer-Kreiner wurde zu seiner Stellvertreterin gewählt. Auch sie war die einzige Kandidatin für diese Position. Sie schnitt besser ab als Mair, heimste 82,2 Prozent der Stimmen ein.

Gebi Mair ist der neue Landessprecher der Tiroler Grünen, zu seiner Stellvertreterin wurde Cordula Ettmayer-Kreiner gewählt. Beide hatte keine Gegenkandidatinnen oder -kandidaten.
Foto: Daniel Liebl/APA

In seiner teils emotionalen Bewerbungsrede hatte Mair sich ein Signal gewünscht, "dass sich die Grünen nicht spalten lassen". Eine Schmerzgrenze hatte er im Vorfeld nicht definiert. Das Ergebnis liege aber vier Prozentpunkte über dem, was er sich erwartet hatte, verriet er im Anschluss an die Wahl. "Ich kenne die Grünen", sagte er mit einem Augenzwinkern zum STANDARD. Damit meinte er wohl auch die Fähigkeit der – jüngst auch öffentlichkeitswirksam deponierten – Kritik. Die Partei machte zuletzt vor allem durch interne Streitigkeiten von sich reden.

Die Funktion des Landessprechers sei "eine undankbare Aufgabe mit kaum Macht", entgegnete Mair auf im Rahmen einer Fragestunde geäußerte Sorgen, dass es sich bei der Zusammenführung der beiden Funktionen um eine Machtanhäufung handle.

In seiner teils emotionalen Rede hatte der Stubaitaler gemahnt, dass es nichts besser mache, ihm "einen Denkzettel zu verpassen". Mair waren mangelnde Führungskompetenz, Kommunikation und Transparenz vorgeworfen worden. Vor den Versammelten räumte er ein, dass es bei den Landes-Grünen in der Vergangenheit auch Konflikte gegeben habe und man durch schwere Zeiten gehe. Zuletzt war der grüne Klubchef mit viel Gegenwind konfrontiert, am Samstag kam er augenscheinlich mit einem Denkzettelchen davon.

Es rumort in den grünen Gefilden

Seine Partei ist schwer angeschlagen – sowohl auf Landesebene als auch in Innsbruck. Spätestens seit dem schlechten Landtagswahlergebnis rumort es in den grünen Gefilden gehörig. "Es tut mir leid, dass nicht mehr möglich war", kommentierte Mair. Er hatte die Partei schließlich im vergangenen Herbst als Spitzenkandidat in diese Wahl geführt. Das Ergebnis war ernüchternd: 9,2 Prozent – ein Minus von 1,5 Prozentpunkten – außerdem der Verlust eines Mandats. Nach zehn Jahren Regierungsbeteiligung landeten die Grünen wieder auf der harten Oppositionsbank.

Mair entschuldigt sich für Wahlergebnis und will "Herdenschutzhund" sein

"Ich entschuldige mich für das Ergebnis bei der Landtagswahl, dafür, dass wir im Rückblick nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen haben, die Jungen nicht überzeugen konnten, nicht das erreicht haben, was wir wollten", führte Mair aus.

Es gehe nun aber darum, sich "neu in die Grünen zu verlieben" und die "Themenführerschaft aus der Opposition" heraus zu schaffen. Zudem wolle man auch die Jungen wieder gewinnen und zu einer "grünen Jugendbewegung" werden. "Wir haben unsere Partei auch nur von den nächsten Generationen geliehen". Er wolle für die Partei die Rolle eines "Herdenschutzhundes" einnehmen, der umsichtig die Herde umsorge – aber auch mal belle, hatte er in seiner teils emotionalen Bewerbungsrede versprochen.

Gelöst: Mair hat zwei Drittel der Mitglieder hinter sich. Er hatte mit weniger gerechnet, verriet er im Anschluss seiner "Inthronisierung".
Foto: Daniel Liebl/APA

Inhaltlich präsentierte der 39-Jährige seine "Vision für Tirol". Er stelle sich ein resilientes Land vor – und zwar sowohl was das Energiesystem als auch die Gesellschaft betrifft. Ein Land mit einem Öffi-Ticket für alle, in dem Elektrobusse fahren und sich Windräder drehen. Ein Land, das eine Heimat für Menschen aus aller Herren Länder bietet, und zwar "mit all ihren Träumen". Tirol solle ein Land "voller Chancen und Fairness" sein. Und außerdem: "Wir sind die einzige Kraft links der Mitte, die gegen die Verwüstung der Landschaft auftritt."

Trotz Mairs zweifellos kritischen Töne war die Stimmung im Rathaussaal gut. Mair trug eine grüne Softshelljacke und Regenbogensocken. Bei einer Tombola für den guten Zweck wurde unter anderem ein Jahresvorrat Sauerkraut verlost.

Auch die Bundespolitik war anfangs zugegen, Gesundheitsminister Johannes Rauch hatte sich einer Fragestunde gestellt. "Heute ist der Tag der Basis" hatte ein Kommunalpolitiker im Rahmen einer euphorischen Eröffnungsrede gerufen. Im Anschluss wurde zum "Speed-Dating" aufgerufen. Auf bunten Post-Ist sollten die Versammelten notieren, warum sie bei den Grünen sind, wie zufrieden sie mit der Bewegung sind und wie sie zu einer positiven Entwicklung der Partei beitragen können. Dann tritt Minister Rauch auf die Bühne, um sich den kritischen Fragen der Versammelten zu stellen. (Maria Retter, 18.3.2023)