Von Juli 2026 bis Ende 2027 wird die ÖBB durchgehend Streckenabschnitte auf der Wiener Stammstrecke sperren, 2024 und 2025 im Juli und August. Die Stammstrecke zwischen den Bahnhöfen Meidling und Floridsdorf ist mit rund 700 Zügen und 250.000 Reisenden pro Werktag die meistbefahrene Nahverkehrsstrecke Österreichs. Grund für die Arbeiten ist die Modernisierung der Anlage – "ein zukunftsweisendes Update", wie es der Projektverantwortliche Thomas Schöffmann nennt. Ab 2028 wird die S-Bahn auf diesem Abschnitt im 2,5-Minuten-Takt fahren können.

Modernisierung der gesamten Ostregion

Die Ausbauarbeiten des gesamten Projektes betreffen nicht nur die Wiener Stammstrecke, sondern auch weite Teile der Ostregion. Modernisiert werden die Nordbahn, die Nordwestbahn und die Südstrecke. Auf Letzterer wird etwa die Einfahrt von Wiener Neustadt viergleisig, um die Südbahn und die Pottendorfer Linie kreuzungsfrei führen zu können. In acht Bahnhöfen werden Bahnsteige verlängert, und die Abstell- und Wendeanlage in Payerbach-Reichenau werden erneuert.

Bis Ende 2027 wird die zentrale Ader des S-Bahn-Netzes in Wien, die Stammstrecke, modernisiert und in Teilen immer wieder auch über Monate gesperrt.
Foto: AFP / Alex Halada

Auf der Nordbahn wird die Infrastruktur erneuert, die Geschwindigkeit erhöht und in Gänserndorf eine neue Wendeanlage installiert, um von dort aus den Takt verdichten zu können. Auf der Nordwestbahn "reichen die Projekte bis Unterretzbach, wir verlängern in neun Bahnhöfen die Bahnsteige und bauen eine Wendeanlage in Stockerau", erklärt der Projektverantwortliche für die Abschnitte außerhalb Wiens, Philipp Kropatschek.

Die S-Bahn wird digital

Innerhalb von viereinhalb Jahren wird die ÖBB auf einem 170 Kilometer langen Streckennetz 51 Bahnsteige verlängern, 40 Kilometer Gleise neu legen, 60 Kilometer Oberleitungen erneuern, neun neue Abstell- und Wendeanlagen bauen und die digitale Zugsteuerung ETCS (European Train Control System) Level 2 implementieren. Erste Streckensperren werden heuer den Abschnitt zwischen Stockerau und Staatsgrenze betreffen.

"Schnell, schlau und stressfrei", sagt Philipp Kropatschek, werde die digitale S-Bahn werden. Mit ETCS wisse man immer, wie schnell jeder Zug fahre, wo er fahre und wie groß der Abstand zu anderen Zügen sei. "Der Betrieb wird zuverlässiger möglich sein, Züge können dann in kürzeren Intervallen fahren, Abweichungen vom Fahrplan schneller wieder aufgeholt werden, und durch die Verlängerung von Bahnsteigen können längere, modernere und Doppelstockzüge eingesetzt werden, womit wir mehr Sitzplätze in aktuell überfüllten Zügen schaffen."

Arbeiten auf der Stammstrecke

Bahnsteigverlängerungen wird es auch auf fast allen zehn Bahnhöfen auf der 13 Kilometer langen Wiener Stammstrecke geben, erklärt Thomas Schöffmann. Bei manchen gehe es dabei nur um wenige Meter. Gleise und Oberleitungen werden getauscht, Bau- und Tragwerke teilweise vollständig erneuert. "Wir starten im Oktober 2023 und werden im Dezember 2027 fertig sein", sagt Schöffmann.

Notwendig sind diese Arbeiten, weil die Stammstrecke mehr als 60 Jahre alt ist, einzelne Bauwerke stehen seit mehr als 150 Jahren. Darum werden etwa die Viadukte zwischen Wien-Mitte und dem Praterstern komplett abgerissen und neu gebaut. Sie stammen aus dem 19. Jahrhundert. Auch Brücken, Tunnel und Stützmauern entlang der Stammstrecke müssen komplett erneuert werden. Wendeanlagen werden auch im Zentralbereich von Wien errichtet, und zwar am Matzleinsdorfer Platz, am Praterstern, in der Siemensstraße und in der Leopoldau. Diese Bereiche werden auch dazu dienen, schadhafte Züge schnell abschleppen und dort abstellen zu können, um den normalen Betrieb rascher wieder aufnehmen zu können.

Die Arbeiten im groben Überblick.
Grafik: ÖBB

Das ETCS werde in einem ersten Schritt ab Sommer 2026 im Bereich zwischen Praterstern und Floridsdorf in Betrieb gehen, bis 2027 soll der ganze Abschnitt digitalisiert sein. Das heißt auch, dass Ausfälle von Signalanlagen kein Problem mehr darstellen, weil mit ETCS alle Informationen direkt im Zugcockpit eingespielt werden.

Baustellenkalender

Einen Fahrplan für die Streckensperren bis zum Ende der Bauarbeiten gibt es bereits:

  • Juli–August 2023: Stockerau bis Staatsgrenze
  • Juli–August 2024: Floridsdorf bis Praterstern, Wiener Neustadt bis Liesing ist teilweise nur eingleisig befahrbar
  • Juli–August 2025: Floridsdorf bis Praterstern, Wiener Neustadt bis Liesing ist teilweise nur eingleisig befahrbar
  • Juli–August 2026: Floridsdorf bis Praterstern
  • August 2026: Floridsdorf bis Süßenbrunn
  • September 2026 – Oktober 2027: Praterstern bis Wien Hauptbahnhof
  • November–Dezember 2027: Rennweg bis Meidling

Die Gesamtkosten für die Modernisierung der Wiener Stammstrecke werden rund 1,1 Milliarden Euro betragen. Für die Modernisierung in der gesamten Ostregion sind im Rahmenvertrag der Regierung 7,4 Milliarden Euro festgelegt.

Ersatzverkehr

Für die Zeit der Sperren wird es Ersatzverkehre geben, die rechtzeitig kommuniziert werden, verspricht die ÖBB. Um die Auswirkungen für die Bahnkundinnen, Bahnkunden, Pendlerinnen und Pendler "so gering wie möglich zu halten, arbeiten die ÖBB, die Stadt Wien und die Wiener Linien in enger Abstimmung an der Erstellung eines umfassenden Ersatzverkehrskonzeptes". Auch andere Wiener Baustellen würden dabei berücksichtigt werden. (Guido Gluschitsch, 17.3.2023)