Rabenmutter oder Helikotprer-Mama: Beeinflusst die Debatte über die Einschränkung von Teilzeitarbeit und Rollenmuster den Kinderwunsch junger Frauen?
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Mütter, die trotz der Möglichkeit externer Kinderbetreuung nur wenige Stunden arbeiten, sind nun auch zum öffentlichen Debattenthema geworden. Erkennen Frauen etwa die Gefahr der später drohenden Altersarmut nicht? Sehen sie nicht, dass langfristig geringere Beiträge zu den sozialen Sicherungssystemen das gesamte Konstrukt zum Kippen bringen können?

Seit sich Arbeitsminister Martin Kocher im Februar kritisch über die "freiwillige" Teilzeit geäußert und sich solcherart für die an Arbeitskräftemangel leidende Wirtschaft auf Arbeitsstundensuche begeben hat, brodelt die Diskussion über das notwendige Maß an Arbeitsethos, das Menschen in Österreich haben sollten: Ist es moralisch legitim, sein Leben nicht einem Vollzeitjob unterordnen oder den Nachwuchs nicht ganztags, vielleicht sogar 40 Stunden pro Woche, in Fremdbetreuung geben zu wollen?

Tausende Leserinnen und Leser haben sich in den vergangenen Wochen an der Diskussion im STANDARD-Forum beteiligt, Einblicke in ihr Leben und ihre Motive gegeben.

Wir haben bei jungen Frauen im Berufsleben nachgefragt: Wie kommt diese Debatte bei ihnen an? Wie beeinflusst die gegenwärtige Forderung des Arbeitsministers nach möglichst vielen Stunden im Job ihren Entwurf für ein Leben mit – oder ohne – Kinder?

Hana S.* (27): Große Unsicherheit

"Mein Partner und ich sind beide mit Geschwistern aufgewachsen und fanden deshalb die Vorstellung immer schön, dass unsere Kinder auch zu zweit groß werden würden. In letzter Zeit sind wir uns aber nicht mehr sicher, ob wir überhaupt Kinder wollen – und wenn, dann höchstens eines. Dass bei Familienfeiern ständig danach gefragt wird, wann es bei uns so weit ist, macht es irgendwie auch nicht besser. Wir haben zwar immer schon gesagt, dass wir uns die Kinderbetreuung und -erziehung später einmal komplett aufteilen wollen, mittlerweile bekommen wir aber immer mehr Zweifel, ob das auch wirklich funktioniert. Die passenden Rahmenbedingungen gibt es dafür immer noch nicht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, ein Kind zu bekommen, in dem Wissen, dass ich es sowieso nur falsch machen kann – egal ob ich danach Vollzeit oder Teilzeit arbeite oder mein Partner für Väterkarenz in seinem Job Nachteile haben könnte, wenn sie denn überhaupt möglich ist. Vielleicht sieht die Sache in ein paar Jahren anders aus. Vor 30 will ich sowieso keine Kinder. Wobei aktuelle Debatten von Teilzeit bis Klimakrise nicht dazu beitragen, einen Kinderwunsch in mir zu wecken."

Roxana P.* (29): Auf jeden Fall Kinder

"Mein Kinderwunsch besteht seit langem und hat sich mit der Debatte um Teilzeitarbeit nicht geändert. Wegen Kinderbetreuung mache ich mir auch keine großen Sorgen. Da ich in Wien wohne, ist das Betreuungsangebot recht gut. Das, was ich mir im Leben – sowohl materiell als intellektuell – erarbeite, möchte ich weitergeben. Denn ich will nicht alles nur für mich selbst erreichen und mit ins Grab nehmen. Ich will mein Bestes geben, Kinder großzuziehen, die ihren Teil zu einer besseren Welt beitragen. So wie ich es selbst versuche: Ich bin in der Politik, gestalte gerne mit und übernehme Verantwortung. Intuitiv würde ich sagen, dass für mich Teilzeit nicht infrage kommt, schließe aber nicht aus, kurzfristig weniger zu arbeiten. Wichtig ist, dass jede Frau die Möglichkeit hat, zu entscheiden, wie sie ihren Berufseinstieg gestalten will. Persönlich sehe ich mich aber Vollzeit arbeitend, auch weil ich mir anders kein angenehmes Leben leisten könnte. Klar ist, dass ich mir die Kinderbetreuung mit meinem Partner gleich aufteilen will. Väterkarenz ist für mich selbstverständlich, ich sehe keinen Grund, warum ich als Frau automatisch bestimmte Aufgaben übernehmen sollte."

Der Vorstoß Martin Kochers Teilzeitarbeitenden eventuell Sozialleistungen kürzen zu wollen, sorgt seit Montag für Gesprächsstoff. Wir haben uns im dritten Wiener Bezirk umgehört.
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Katrin G.* (31): Frau macht es immer falsch

"Mit fortschreitendem Alter habe ich mehr über die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen: Ich möchte keine Kinder. Erstens spüre ich schlicht das Bedürfnis danach nicht. Zweitens ist es in meinen Augen aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen absolut nicht attraktiv, Kinder zu bekommen. Es fehlen Kinderbetreuungsplätze, und den Hauptanteil der Care-Arbeit und Kindererziehung übernehmen immer noch Frauen. Egal für welches Arbeitsmodell man sich entscheidet: Man macht es immer falsch und wird dafür angegriffen. Als ich Kochers Kritik an der Teilzeitarbeit hörte, hielt ich kurz inne und habe meine Entscheidung hinterfragt. Denn auch ich arbeite Teilzeit. Freiwillig. Aber ich bleibe bei meiner Entscheidung. Denn je mehr ich über Kochers Statement nachdenke, desto mehr ärgere ich mich darüber. Wieder einmal wurde die Lebensrealität der Frauen vergessen. Wieder einmal wird auf ihren Schultern ein Kampf ausgetragen, obwohl sie oft aus systemischen Gründen in der Teilzeit gelandet sind. Das System muss sich an die Bedürfnisse der Menschen anpassen und nicht umgekehrt." (Karin Bauer, Anika Dang, Natascha Ickert, Melanie Raidl, 19.3.2023)